Nur noch nach bestandenem Freiversuch

Bremen will Ver­bes­se­rungs­ver­such ein­schränken

von Pauline Dietrich, LL.M.Lesedauer: 3 Minuten

In Bremen soll künftig der Verbesserungsversuch im Ersten Staatsexamen nur noch denen möglich sein, die den Freiversuch bestanden haben. Das soll zu mehr Chancengleichheit führen – könnte aber auch den Leistungsdruck erhöhen. 

In Bremen soll künftig der sogenannte Verbesserungsversuch in der staatlichen Pflichtfachprüfung nur noch möglich sein, wenn man zuvor den Freiversuch in Anspruch genommen und bestanden hat. Bislang stand diese Möglichkeit allen Examenskandidat:innen offen, also auch denjenigen, die keinen "Freischuss" geschrieben haben. Alle Examenskandidat:innen konnten also versuchen, in einem neuen Examensdurchgang bessere Noten zu erzielen – allerdings gegen eine Gebühr in Höhe von 300 Euro. 

Genau diese Gebühr bewog die Bremer Justizsenatorin nun zu dieser Novelle, um eine "soziale Ungerechtigkeit" zu beseitigen. Das Aufbringen der Gebühr sei nicht für alle Studierenden gleichermaßen oder problemlos möglich, so ein Sprecher der Justizsenatorin gegenüber LTO. Daher habe man sich entschlossen, den Notenverbesserungsversuch ausschließlich an den Freiversuch zu knüpfen, damit man sich keine Notenverbesserung mehr "erkaufen" könne.  

Gleichzeitig wolle man die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Freiversuchs erleichtern, etwa, indem die Studierenden nun nicht mehr zwingend nach dem Hauptstudium die Schwerpunktbereichsprüfung machen müssen. Diese könnten sie künftig auch erst nach der Pflichtfachprüfung absolvieren, sodass zwischen Ende des Hauptstudiums nach dem 5. Semester und dem Freiversuch spätestens am Ende des achten Semesters mehr Zeit für die Vorbereitung auf die staatliche Pflichtfachprüfung bleibt. Das sei in Bremen bislang so nicht möglich gewesen und den Studierenden habe die Zeit für eine gute Vorbereitung auf den Freiversuch gefehlt. Außerdem soll beispielsweise die Anrechnung von Moot-Courts und Gremienarbeiten auf den Freischuss erleichtert werden.  

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Fachschaft:  Kein Beitrag zur Chancengleichheit und noch mehr Leistungsdruck 

Bei der Bremer Fachschaft stößt diese Novelle jedoch nicht auf Gegenliebe. Bei dem Argument der Chancengleichheit werde vergessen, dass finanziell schlechter gestellte Studierende, die aus verschiedenen Gründen keine oder wenig Leistungen nach dem BAfÖG erhalten, nicht immer am Freiversuch teilnehmen könnten – schließlich müssten sie häufig eine Nebentätigkeit neben dem Studium ausüben und schaffen es dann zeitlich nicht bis zum Ende des achten Semesters. Diesen Studierenden werde die Möglichkeit abgeschnitten, je einen Verbesserungsversuch zu unternehmen – oder sie sehen sich gezwungen, den Freiversuch ohne gründliche Vorbereitung abzulegen.  

Für BAföG-Beziehende schaffe die Regelung ebenfalls keinen Beitrag zur Chancengleichheit, weil diese Personen ohnehin nach bestandenem Freiversuch nicht mehr förderungsberechtigt seien. Für die Zeit des Verbesserungsversuches stünden sie also ohne Unterstützung da.  

Unabhängig vom Gesichtspunkt der Chancengleichheit macht es nach Ansicht der Fachschaft allein psychisch zudem einen erheblichen Unterschied, ob man von vornherein die Möglichkeit hat, einen Verbesserungsversuch zu unternehmen, oder nicht. Mit der geplanten Novelle ergebe sich ein mittelbarer Zwang für alle Examenskandidat:innen, den Freiversuch wahrzunehmen, da ansonsten keine Möglichkeit zur Notenverbesserung mehr besteht. 

Wie machen es andere Bundesländer?

"Wir als Studierende haben den Eindruck, dass die juristische Ausbildung um jeden Preis schnellstmöglich abgeschlossen werden soll. Bezeichnend für das Jurastudium wird der Leistungsdruck also nicht nur aufrechterhalten, sondern erhöht", so das Fazit der Bremer Fachschaft. Außerdem schaffe Bremen im Ländervergleich "wieder einmal" unattraktivere Studienbedingungen.  

Wird die Novelle wie bislang geplant beschlossen, steht Bremen mit Berlin, Brandenburg, Hamburg, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen in einer Reihe. Auch dort ist der Verbesserungsversuch nur möglich, wenn man den Freiversuch wahrgenommen hat. 

In allen anderen Bundesländern hingegen besteht die Verbesserungsmöglichkeit unabhängig vom Freiversuch. Nordrhein-Westfalen beispielsweise ist erst kürzlich den anderen Weg als Bremen gegangen – und hat das per Gesetzesänderung vom November 2021 eingeführt.  

Am 22. November will sich der Bremer Senat mit dem Entwurf befassen, anschließend muss die Bürgerschaft (das bremische Landesparlament) über den Gesetzentwurf entscheiden. In Kraft treten soll die Reform möglichst zum 1. April 2023 

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