Zeitpunkt für den Jobstart

Zwi­schen Baby­face und Mid­life-Crisis

von Sabine OlschnerLesedauer: 4 Minuten
Gibt es ein "bestes" Alter für den Berufseinstieg als Anwalt? Kann man Arbeitgebern oder Mandanten "zu jung" oder "zu alt" sein? Sabine Olschner hat sich in der Branche umgehört.

Der Bachelor wurde u. a. eingeführt, um deutsche Absolventen früher auf den Arbeitsmarkt zu bringen. Dank G8-Abitur, abgeschaffter Wehrpflicht und einem schnellen sechssemestrigen Studium sind manche Berufseinsteiger gerade einmal Anfang 20. Juristen sind zwar nicht ganz so jung, wenn sie ihr zweites Staatsexamen in der Tasche haben. Aber auch hier stellt sich die Frage: Ab welchem Alter ist es sinnvoll, als Anwalt tätig zu werden? Kann man "zu jung" für diesen klassischen Juristenberuf sein? Prof. Dr. Volker Römermann war 28 Jahre alt, als er seine Anwaltszulassung erhielt und eine eigene Kanzlei gründete. "Ich hatte mich mitten im Hannoveraner Bankenviertel in einem Bankgebäude angesiedelt und wollte die Finanzbranche im Wirtschafts- und Unternehmensrecht beraten", erinnert sich der heute 49-Jährige. "Anfangs habe ich auf meiner Kanzlei-Website tatsächlich kein Bild von mir gestellt, weil ich in den Augen vieler potenzieller Mandanten sicher zu jung erschienen wäre." Da Römermann jedoch seit Studienzeiten mehrere Jahre intensiv in Kanzleien gearbeitet und auch eine ganze Reihe von Veröffentlichungen vorzuweisen hatte, setzte er darauf, seine Mandanten im persönlichen Gespräch von seiner Expertise überzeugen – und zwar erfolgreich. Bei der Einstellung neuer Mitarbeiter achtet der Seniorpartner heute nicht auf das Alter der Bewerber. "Es gibt kein falsches Alter, sondern nur das falsche Einsatzgebiet", lautet seine Maxime. In seiner Kanzlei wählt er für die neuen Kollegen jeweils die Aufgaben aus, die zum Erfahrungsstand des Einsteigers passen. Junge Anwälte sind von Anfang an im Tagesgeschäft dabei und begleiten erfahrene Kollegen zu Mandantengesprächen, wo sie auch zu Wort kommen dürfen. "Schließlich strahlt die Erfahrung des älteren Kollegen, der danebensitzt, auf den Jüngeren aus", ist der Kanzleigründer überzeugt. Auch zu Gerichtsterminen gehen die Jüngeren mit, um von den Erfahrenen zu lernen. "Im Gegensatz zu so mancher Großkanzlei stecken wir niemanden erst einmal ein paar Jahre in eine dunkle Kammer, damit er dort Akten wälzt", betont Römermann. "Bei uns geht jeder direkt mit an die Front."

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Den Anwalt macht sein Job

Kristina Klaaßen-Kaiser, Partnerin bei Linklaters, schaut ebenso wie Römermann nicht aufs Alter der Bewerber. "Für uns spielt vielmehr die gesamte Persönlichkeit eine Rolle." Sie selber ist bereits mit 27 Jahren als Anwältin in einer Kanzlei eingestiegen, zehn Jahre später wurde sie Partnerin bei Linklaters. "Ich habe mein relativ junges Alter beim Berufseinstieg nie als Nachteil empfunden", erinnert sie sich. "Ich hatte bereits früh Mandantenkontakt und Verantwortung, was für mich eine sehr gute Erfahrung war – wenn auch anfangs Respekt einflößend." Ihre Erfahrung: Jeder muss erst in seinen Beruf hineinwachsen. "Ein hervorragender Jurist ist noch lange kein hervorragender Anwalt", glaubt sie. Wann ein Berufseinsteiger das erste Mal zu einem Mandanten mitgenommen wird oder an Telefonkonferenzen aktiv teilnehmen kann, hängt laut Klaaßen-Kaiser weniger vom Alter als vom Typ ab. Die eine ist vielleicht von Anfang an kommunikativer und selbstbewusster, während der andere sich erst in seine neue Rolle einfinden muss. "Durch die Digitalisierung können wir junge Anwälte auf jeden Fall vielfältiger einsetzen als in den vergangenen Jahren", sagt die Partnerin. Während früher unzählige Datensätze per Hand durchgearbeitet werden mussten, erledigt dies heute der Rechner – und die freigewordene Arbeitszeit kann genutzt werden, um junge Kollegen schneller mit interessanteren Mandantenaufgaben zu betrauen.

Kann man auch zu alt sein?

Ob ein Anwalt zu jung ist, ist die eine Frage – aber kann er auch zu alt sein? Karrierecoach Falk Schornstheimer sieht keinen Grund dafür, dass Juristen im Studium auf die Tube drücken müssten. "Es gibt heutzutage ja kaum noch Kaminkarrieren, bei denen ein Absolvent früh in eine Kanzlei einsteigt, dort schnell Partner wird und sein Leben lang dort bleibt." Der Zeitraum bis zur Aufnahme in die Partnerschaft ist Schornstheimers Erfahrung nach heute sowieso länger, als es früher der Fall war. Außerdem seien die Partnerplätze rarer geworden – vor allem in internationalen Kanzleien, wo auch Kollegen aus dem Ausland die begehrten Plätze einnehmen wollen. "Mosaikkarrieren, bei denen man öfter mal die Position wechselt, sind heute üblich und kein Manko mehr im Lebenslauf", so der Coach. "Daher kommt es auch beim Einstieg nicht unbedingt aufs Alter an." Wer sich mit Mitte 30 zum ersten Mal in einer Kanzlei bewerbe, müsse sich vielleicht ein paar Fragen nach den Gründen gefallen lassen. "Aber wenn man die souverän beantworten kann, passt auch das", sagt Schornstheimer. Wer sich mit einer mehrjährigen Weltreise einen Lebenstraum erfüllt hat, wird wahrscheinlich engagierter arbeiten als jemand, der im Laufe der ersten Berufsjahre das Gefühl hat, privat etwas verpasst zu haben, glaubt er. Die wenigsten jungen Menschen wüssten heutzutage, was sie wirklich im Leben wollen. Daher rät der Coach jungen Juristen, sich erst einmal auszuprobieren, bevor sie sich endgültig auf eine berufliche Richtung festlegen und dann den ersten "richtigen" Job annehmen.

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