Eine weniger bekannte Möglichkeit, an einer US-Uni zu studieren

Als Visi­ting Rese­ar­cher an der Har­vard Law School

Gastbeitrag von Jakob OlbingLesedauer: 6 Minuten

Auslandserfahrungen kann man auch während einer Promotion sammeln. Viele Unis in den USA bieten günstige und flexible Programme für Gastwissenschaftler an. Jakob Olbing berichtet von seinen Erfahrungen an der Harvard Law School. 

Von Arbeitgebenden gerne gesehen, persönlich und fachlich bereichernd und sie machen einfach Spaß: Auslandsaufenthalte. Nicht ohne Grund erfreuen sich die Austauschprogramme deutscher Universitäten wie Erasmus+ oder individuelle Universitätspartnerschaften großer Beliebtheit. Auffällig ist dabei aber, dass ein Aufenthalt in den USA über solche Programme für deutsche Jura-Studierende nur in seltenen Fällen möglich ist. Angehenden Jurist:innen, die dennoch einmal die Erfahrung einer US-Law School machen möchten, bleibt vermeintlich keine andere Wahl, als sich auf einen LLM-Studiengang zu bewerben.  

Doch es gibt eine weitere, weniger bekannte Möglichkeit, um für einen längeren Zeitraum in die USA zu gehen: Viele US-Universitäten bieten spezielle Forschungsprogramme für Gastwissenschaftler:innen an. Im Rahmen solcher Programme kann man die eigene Forschung vorantreiben, aber auch an Vorlesungen teilnehmen sowie in den Universitätsalltag eintauchen.  

Besonders attraktiv im Vergleich zu einem LLM-Studium ist daran, dass die Universitäten für einen Forschungsaufenthalt häufig nur einen Bruchteil der Studiengebühren verlangen. Zudem kann dieser sehr flexibel gestaltet werden und nur wenige Monate, ein ganzes Jahr oder sogar länger dauern. Auch die Harvard Law School bietet ein solches Visiting Reseacher Program an, das man jeweils im Herbst oder im Frühjahr beginnen kann. Es finden sich zudem fachlich spezialisierte Forschungsprogramme an einigen Instituten der Law School.  

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Beginn im Frühjahr und Herbst möglich 

Eine Bewerbung für das Visting Reseacher Program der Harvard Law School erfolgt etwas kurzfristiger als für einen LLM, Interessierte können sie zwei Mal im Jahr einreichen. Die Fristen enden im Frühjahr für Aufenthalte, die im Herbst beginnen, und im Herbst für solche, die im Frühjahr beginnen. Die nächste Bewerbungsrunde endet Mitte April für einen Aufenthalt, der im Herbst 2023 beginnt. Man muss sich bei der Bewerbung noch nicht endgültig festlegen, wie viele Semester man bleiben möchte, da in Einzelfällen auch vor Ort noch eine Verlängerung beantragt werden kann.  

Eine besondere Hürde für die Bewerbung stellt allerdings die Suche nach einem oder einer  Unterstützer:in der Gast-Universität dar. Dessen Einladungsschreiben ist notwendig, um sich überhaupt bewerben zu können. Die eigenständige Suche nach einem oder einer sogenannten Sponsor:in kann mühsam sein. Es empfiehlt sich daher sehr, jeden möglichen Kontakt an die Universität zu nutzen, etwa über die eigene Universität oder über den oder die Betreuer:in der Doktorarbeit. Der Gedanke hinter dem Sponsoring ist, dass diese den Gast auch während des Aufenthaltes betreuen und Ansprechpartner:in für fachliche Fragen sind. Diese Aufgabe wird allerdings mit sehr unterschiedlicher Aufmerksamkeit erfüllt und hängt stark von dem oder der Sponsor:in ab. 

Das Bewerbungsverfahren an der Harvard Law School ist sehr zeit- und kostenintensiv und unterscheidet sich nur wenig von dem für einen LLM-Studiengang. Gerade die Beschaffung der notwendigen Sprachnachweise, Empfehlungsschreiben, Zeugnisse sowie deren (beglaubigte) Übersetzung sollte frühzeitig organisiert und die vorgeschriebenen Formalia genau beachtet werden. Auch ein Research Proposal wird verlangt. Einige der Unterlagen müssen nur in ein Online-Portal geladen, andere per Kurier an die Universität geschickt werden. Aufwendig ist auch die Beantragung eines Visums für die USA, für das erneut Nachweise eingereicht und Gebühren fällig werden. Für die Bewerbung und das Visum sollten die notwendigen Unterlagen und Nachweise frühzeitig organisiert werden, um kurzfristigen Stress zu vermeiden. 

Generell ist auch der Gastaufenthalt an sich nicht sehr günstig - trotz der niedrigen Studiengebühren. Die Lebenshaltungskosten, insbesondere die Wohnraummieten im Großraum Boston, sind ziemlich hoch, sodass eine zusätzliche finanzielle Unterstützung durch ein Stipendium hilfreich sein kann. Forschungsstipendien werden unter anderem durch den DAAD, Fulbright und häufig im Rahmen von Promotionsstipendien gewährt.  

Teilnahme an bis zu zwei Vorlesungen 

Das Programm für Gastwissenschaftler:innen ist nicht groß. Zuletzt nahmen knapp 30 weitere Gastwissenschaftler:innen mit verschiedenen Forschungsinteressen teil. Das Spektrum der Forschungsprojekte war sehr weit und nicht alle standen in einem unmittelbaren Bezug zu den USA.  

Abgesehen von einem Workshop, in welchem die Gastwissenschaftler:innen ihre Forschung präsentieren und diskutieren können, gibt es kaum Veranstaltungen, die sich ausdrücklich an die Gastwissenschaftler:innen richten. Dafür besteht die Möglichkeit, an diversen Vorträgen sowie an bis zu zwei Vorlesungen pro Semester teilzunehmen. Da diese ohnehin sehr viel Vorbereitung verlangen, ist man mit zwei Vorlesungen pro Semester gut ausgelastet und hat immer noch etwas Zeit für die eigene Forschung.  

Um diese betreiben zu können, bekommt man Zugang zu fast allen Ressourcen der Universität und wird auch von den Bibliothekar:innen bei der eigenen Recherche unterstützt. Die juristische Bibliothek des Harvard Law School gehört zu den umfangreichsten der Welt. Einen festen Arbeitsplatz erhält man dort allerdings nicht. Die Bibliotheken sind aber groß genug, sodass man fast immer einen findet.  

Viele fachliche Vorträge und umfangreiches Sportangebot 

Der Alltag an der Harvard Law School ist von zahlreichen außercurricularen Aktivitäten und Veranstaltungen geprägt. An diesen kann man als Gastwissenschaftler:in ebenfalls teilnehmen. Zur Auswahl stehen nicht nur viele fachliche Vorträge und kulturelle Veranstaltungen, sondern auch ein umfangreiches Sportangebot. 

Ebenso Veranstaltungen anderer Fakultäten der Harvard University und den umliegenden Unis, etwa des MIT oder der Boston University, können besucht werden. Nach außen treten die jeweiligen Fakultäten in Harvard auf den ersten Blick als eine in sich geschlossene Einheit auf, meistens ist dies aber nicht der Fall und jede:r Interessierte ist herzlich willkommen. Besonders spannend sind die Vorträge an der Harvard Kennedy School zur amerikanischen und internationalen Politik.  

Beginn im Herbst empfehlenswert 

Ein Forschungsaufenthalt an der Harvard Law School hat seine Vor- und Nachteile, gerade wenn man ihn mit einem LLM vergleicht. Am auffälligsten ist der erhebliche Kostenvorteil des Forschungsaufenthalts. Dieser Vorteil erfasst allerdings nur die Studiengebühren und natürlich nicht die Lebenshaltungs-, Bewerbungs- und Visumskosten. Der anfängliche Organisations- und Kostenaufwand für Bewerbung und Visum ist sehr hoch, lohnt sich aber allemal für die Erfahrungen, die man im Anschluss machen darf. 

Ein Forschungsaufenthalt erlaubt zudem eine große Flexibilität und ermöglicht kürzere und längere Aufenthalte. Des Weiteren kann man mehrere Vorlesungen besuchen, ohne dass bestimmte Leistungen erbracht oder Kriterien eingehalten werden müssen, um einen Abschluss zu erhalten.  

Die große Flexibilität setzt zugleich Selbstständigkeit und Eigeninitiative voraus und das Gastprogramm bietet nur wenige organisatorische Hilfe im Alltag an. Es besteht also auch die Gefahr, schwer Anschluss zu finden. Um dem vorzubeugen, sollte man einen Forschungsaufenthalt im Herbst beginnen, wenn das akademische Jahr beginnt und sich viele Studierende ohnehin neu einfinden. Es empfiehlt sich auch die Nähe zu den Teilnehmenden des LLM-Studiengangs zu suchen, was den sozialen Einstieg und die Orientierung an der Uni erleichtern kann.  

Auffällig ist außerdem, dass unter den Gastwissenschaftler:innen, anders als in dem LLM-Programm, kein vergleichbares Jahrgangsgefühl entsteht. Die Universität bemüht sich sehr, dieses für die LLM-Teilnehmenden durch diverse Veranstaltungen zu stärken. Dass man als Gastwissenschaftler:in deutlich weniger Aufmerksamkeit erfährt, wundert hingegen nicht, wenn man die viel geringeren Programmgebühren berücksichtigt. Aufgrund der geringen Teilnehmendenzahl in dem Programm können trotzdem eine schöne Dynamik und anhaltende Freundschaften entstehen. Auch hier hängt die Gestaltung davon ab, wie sehr man sich einbringt. 

Regelmäßig ändernde Anforderungen 

Die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Programme für Gastwissenschaftler:innen ändern sich regelmäßig und unterscheiden sich stark zwischen den Universitäten. Einige Programme, so auch das der Harvard Law School, waren während der Pandemie ausgesetzt und wurden mit der Wiederaufnahme neu konzipiert. Die in diesem Artikel gemachten Angaben sind daher ohne Gewähr. 

Leider gibt es bisher keine zentrale Datenbank, die Informationen zu allen Gastprogrammen zusammenträgt. Der beste Weg, an entsprechende Informationen zu kommen, ist also den Namen der gewünschten Law School gemeinsam mit Begriffen wie "Visiting Scholar", "Visiting Researcher" oder "Reserach Exchange" in einer allgemeinen Suchmaschine einzugeben.  

Alle wichtigen Informationen für einen Gastaufenthalt an der Harvard Law School finden sich hier

Jakob Olbing promoviert an der Uni Hamburg und arbeitet als Wissenschaftlicher Assistent am Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Privatrecht in Hamburg. Zuvor studierte er Jura in Freiburg und in Hong Kong. Seinen Aufenthalt an der Harvard Law School absolvierte er im Herbstsemester 2022.  

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