Sparmaßnahmen in NRW

Jetzt kri­ti­sieren auch Ref-Aus­bilder das Jus­tiz­mi­nis­te­rium

von Joschka Buchholz und Marcel SchneiderLesedauer: 4 Minuten

Schlechte Kommunikation und Vertrauensverlust: 119 Referendarausbilder kritisieren in einem offenen Brief das NRW-Justizministerium anlässlich der geplanten Sparmaßnahmen. Mit deutlichen Worten stellen sie sich auf die Seite der Referendare.

Nordrhein-Westfalen (NRW) wird am Rechtsreferendariat sparen. Nachdem das bekannt geworden war, hagelte es bereits Kritik von den Betroffenen selbst. Nun äußern sich in einem offenen Brief aber auch 119 AG-Leiter, Ausbilder, Ausbildungsleiter und Prüfer aus den Bezirken Münster, Detmold, Arnsberg, Siegen und Hagen kritisch. Sie monieren vor allem die bisher schwache Kommunikation des Landesjustizministeriums (JM) und fordern stattdessen eine "respektvolle und transparente Kommunikation" gegenüber den Referendaren und sich selbst.

Zu den Hintergründen hatte LTO bereits umfassend berichtet. Es begann damit, dass bekannt wurde, dass massiv Referendarstellen in NRW abgebaut werden sollen. Kurz darauf folgte eine offizielle Ankündigung, wonach die mündliche Prüfung auch für bereits laufende Ausbildungsverhältnisse künftig nicht mehr im 26., sondern schon im 25. Monat des juristischen Vorbereitungsdienstes stattfinden wird. Nach massiver Kritik daran ruderte das JM kurze Zeit später ein Stück weit zurück und verschob die angekündigte Verkürzung des Referendariats um drei Monate.

Hieran knüpft die Kritik der 119 mit der Referendarausbildung betrauten Personen an. Sie unterzeichneten am 5. Juli 2024 einen offenen Brief an Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) und das Landesjustizprüfungsamt (LJPA), der LTO vorliegt. Darin beklagen sie die fehlende Einbindung der Ausbildungspraxis in die Sparentscheidungen sowie schlechte Kommunikation gegenüber den Referendaren und sich selbst.

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Keine "von Wertschätzung getragene Ausbildung"

Für die Nachwuchsgewinnung sei eine "von Wertschätzung getragene Ausbildung" ein entscheidender Faktor, heißt es in dem Brief. Mit seinem bisherigen Verhalten werde das JM diesem Anspruch aber nicht gerecht, finden die Unterzeichner. Ihre Kritik richtet sich dabei nicht hauptsächlich gegen die Stelleneinsparungen an sich. "Die fiskalischen Zwänge, die zu dieser Entscheidung geführt haben, können wir nicht beurteilen", schreiben die Ausbilder. Sie merken jedoch an, dass diese Maßnahme sich aus ihrer Sicht "nachteilig auf die Nachwuchsgewinnung auswirken und die Personalnot in der Justiz verschärfen wird."

Vornehmlich stören sich die Unterzeichner dagegen an zwei Punkten. Der Erste ist die Vorverlegung der mündlichen Prüfung um einen Monat. Da diese auch bereits bestehende Ausbildungsverhältnisse betrifft und etliche Referendare sich kurz vor ihrem zweiten Staatsexamen noch einmal neu organisieren müssen, komme es zu einer weiteren "psychischen Belastung" für die Prüflinge. Die Vorverlegung mache in vielen Fällen "vieles zunichte, was die Referendarinnen und Referendare für sich organisiert haben", wie etwa spezielle Wahlstationen.

Als Ausbilder versuchten sie, die Belastung und den Ärger "abzufedern und Mut zuzusprechen". Das Verhalten des Dienstherrn werde dadurch aber nicht weniger widersprüchlich: Einerseits werde von Referendaren eine selbstständige Organisation und Strukturierung ihres Vorbereitungsdienstes erwartet, andererseits mache man ihnen dies mit solchen kurzfristigen Änderungen schwerer.

"Geringschätzung unseres Engagements"

Der zweite große Kritikpunkt betrifft die Kommunikation seitens des JM. Es sei nämlich nicht ersichtlich, ob und wie die Belange der Betroffenen "auch nur gesehen, geschweige denn verantwortbar gegen die fiskalischen Interessen abgewogen wurden", heißt es in dem Papier. Die Konsequenz laut den Unterzeichnern: "In hoher Zahl melden uns in den letzten Tagen Referendarinnen und Referendare zurück, dass eine Entscheidung für die Justiz [als Arbeitgeber; Anm. d. Red.] angesichts eines solchen Umgangs nicht mehr ernsthaft in Betracht gezogen werden kann." Nüchtern stellen sie dazu fest: "Dagegen zu argumentieren, fällt uns schwer."

Auch den Umgang seitens des JM mit ihnen selbst kritisieren die Ausbilder dabei. Sie seien weder angemessen noch rechtzeitig über die Sparmaßnahmen informiert worden, die Kritik und Emotionen der Referendare hätten sie unvorbereitet getroffen. Eine solche Kommunikation lasse "Wertschätzung und Anerkennung vermissen", so der Brief weiter. "Vertrauensbildende Maßnahmen und Überzeugungsarbeit", die die Unterzeichner als Ausbilder im Verhältnis zu ihren Referendaren geleistet hätten, seien durch das Verhalten des JM "konterkariert worden". Das empfinden die Unterzeichner als "Geringschätzung unseres Engagements" – insbesondere da sie auch versuchten, "ein gutes Bild" von der Justiz NRW abzugeben, "um für unsere Justizberufe zu werben."
Dies alles setze respektvolle und transparente Kommunikation voraus.

Im letzten Absatz des Briefes äußern die Unterzeichner die Hoffnung, dass "der Dienstherr künftig zu einem insgesamt angemessenen Umgang mit allen seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – und dazu gehören auch die Referendarinnen und Referendare – zurückfindet". Sie verdienten, dass man sich um sie bemühe.

Kritik reißt nicht ab

Derweil lässt die Kritik an den Vorgängen in NRW noch immer nicht nach, in der Branche mehren sich die kritischen Stimmen immer weiter.

So sammelt etwa unter dem #iurserious die gleichnamige Initiative Meinungs- und Debattenbeiträge auf verschiedenen Social-Media-Plattformen, um die Kritik zu bündeln. Die "Initiative Referendar:innen NRW" sieht in der Verkürzung des Referendariats einen "erheblichen prüfungsrechtlichen Nachteil". Auf dem Arbeitsmarkt werde die Justiz NRW durch "das willkürliche Vorgehen des Justizministeriums geschwächt", so die Initiative. Auch die Kommunikation des JM mit den Referendaren kritisiert sie deutlich. Für den 15. Juli 2024 von 11 Uhr bis 13 Uhr hat sie deshalb zu einer Demonstration vor dem JM aufgerufen. Auch weitere Initiativen engagieren sich, etwa mit einer Petition, die Kürzung des Referendariats jedenfalls für laufende Ausbildungsdurchgänge zu unterlassen.

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