Auf Weltreise ohne Gepäckkontrolle?
Die Institution des Honorarkonsuls genießt eine lange Tradition und geht bis in die griechisch-römische Antike zurück. Im 19. Jahrhundert wurde das Amt des Honorarkonsuls auch in Deutschland in der heute bestehenden Form eingeführt.
Honorarkonsuln vertreten die wirtschaftlichen und kulturellen Interessen des Staates, von dem sie ernannt worden sind (Entsendestaat). Im Gegensatz zu Berufskonsuln üben sie ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus, finanzieren ihren Lebensunterhalt also beispielsweise als Unternehmer oder Rechtsanwalt.
Die aktuellen "Shadow Diplomats"-Recherchen werfen ein düsteres Licht auf einige Vertreter: Hunderte Honorarkonsuln im Ausland sollen in Kriminalfälle und Skandale verwickelt sein und dabei ihre "diplomatischen" Privilegien missbraucht haben.
Ein weiterer Vorwurf ist, dass Honorarkonsuln "über Nacht an ihre Posten kommen" und "ohne Gepäckkontrollen durch die Welt reisen". Dürfen auch ihre E-Mails und Taschen nicht beschlagnahmt werden?
Brücke zwischen diplomatischen Vertretungen und Privatwirtschaft
Diplomaten und Berufskonsuln vertreten ihre Länder auf Regierungsebene. Während Botschafter als höchste Repräsentanten ihres jeweiligen Staatsoberhaupts vor allem politisch wirken, sind Berufskonsuln mit der Wahrnehmung wirtschaftlicher Interessen und der Interessen von Staatsbürgern ihres Heimatstaates betraut.
Honorarkonsuln sind in erster Linie Ansprechpartner für wirtschaftliche Fragen, den Handel, Investments oder kulturelle Aspekte und bauen die Brücke zwischen den institutionalisierten diplomatischen und konsularischen Vertretungen und der Privatwirtschaft.
Als Honorarkonsuln werden überwiegend Personen ausgewählt, die im Empfangsstaat gut vernetzt sind und somit einen Mehrwert für den jeweiligen Entsendestaat und den wirtschaftlichen, kulturellen oder wissenschaftlichen Austausch bieten.
Ein Honorarkonsul erhält keine Vergütung für seine Tätigkeit. Für konsularische Amtshandlungen, etwa die Beglaubigung von Unterschriften oder die Ausstellung von Ersatzpässen, werden allerdings Gebühren erhoben. In der täglichen Praxis der meisten in Deutschland tätigen Honorarkonsuln spielen solche Einnahmen allerdings allenfalls eine geringe Rolle.
Zulassung von Honorarkonsuln in Deutschland
Honorarkonsuln werden in Deutschland in einem völker- und gewohnheitsrechtlich anerkannten Verfahren bestellt und schließlich von der Bundesregierung akkreditiert – "über Nacht" funktioniert das nicht. Der Zulassung geht vielmehr ein sich über viele Monate ziehender Prozess voraus, bei dem zahlreiche Behörden beteiligt sind.
Zunächst schlägt der jeweilige Staat die Honorarkonsuln vor. Hierfür gelten strenge Richtlinien des Auswärtigen Amtes. Die Personen müssen unter anderem "eine allgemein angesehene, wirtschaftlich unabhängige und möglichst selbständige Stellung mit langjährigen engen Beziehungen zum Entsendestaat" haben und dürfen zudem keine Vorstrafen haben. Einträge im Bundeszentralregister führen also stets zu einer Ablehnung.
Der Entsendestaat stellt dann eine sogenannte Voranfrage, ob Deutschland bereit ist, die vorgeschlagene Person als Honorarkonsul zuzulassen. Zur Prüfung dieser Anfrage werden die regionalen Behörden der Bundesländer des vorgesehenen Konsularbezirks involviert, das heißt die Staatskanzlei, das Innenministerium und das Finanzministerium. Dieser Prozess dauert meist mehrere Monate, nicht selten fast ein ganzes Jahr.
Zulassung von Honorarkonsuln steht im Ermessen des Empfangsstaates
Ist das Ergebnis der Voranfrage positiv, wird der Entsendestaat gebeten, die sogenannte Bestallungsurkunde nach Art. 11 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 (WÜK) zu übersenden. Erst danach erteilt Deutschland die Zulassung, das Exequatur, nach Art. 12 WÜK. Dann darf sich der Kandidat Honorarkonsul nennen und als solcher wirken. Ohne Exequatur macht sich eine Person, die als Honorarkonsul auftritt, in Deutschland wegen Titelmissbrauchs nach § 132a StGB strafbar.
Außerdem steht die Zulassung von Honorarkonsuln – offiziell Wahlkonsularbeamte genannt – nach Art. 68 WÜK im Ermessen des Empfangsstaates. Wenn beispielsweise ein ausländischer Staat einen Honorarkonsul "ernannt" hat, ist dies ohne Zustimmung des Empfangsstaates ohne rechtliche Relevanz – und die Person dürfte dort nicht als Honorarkonsul tätig werden.
Maßgebliche Kriterien für die Ermessensentscheidung sind zum einen das Prinzip der Gegenseitigkeit, also die Frage, ob auch der Entsendestaat Honorarkonsuln zulässt. Zum anderen kommt es auf die sachliche Notwendigkeit im Einzelfall an: Kann der Honorarkonsul die wirtschaftlichen oder kulturellen Beziehungen im jeweiligen Staat fördern?
Honorarkonsuln genießen nur Amtshandlungsimmunität
Damit die konsularischen Vertretungen ihre Aufgaben im Namen des Staates effektiv wahrnehmen können, genießen sie einige Vorrechte und Privilegien. Diese unterscheiden sich aber deutlich von denen von Diplomaten und Berufskonsuln.
Diplomaten, d.h. Botschafter und Mitglieder des diplomatischen Personals wie Gesandte, Räte, Sekretäre und Attachés, sind aufgrund der diplomatischen Immunität nach dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 (WÜD) weitgehend von der Straf-, Zivil- und Verwaltungsgerichtsbarkeit befreit. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie dienstlich oder als Privatperson handeln.
Berufskonsuln genießen die sogenannte Amtsimmunität nach Art. 43 WÜK. Demnach unterliegen u.a. Konsularbeamte wegen Handlungen, die in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben vorgenommen worden sind, weder der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaats noch Eingriffen seiner Verwaltungsbehörden.
Anders als bei den Berufskonsuln gilt für die Honorarkonsuln lediglich die Amtshandlungsimmunität nach Art. 71 Abs. 1 WÜK, denn die überwiegende Mehrheit der in Deutschland zugelassenen Honorarkonsuln sind deutsche Staatsangehörige oder dort ständig ansässig. In Deutschland gilt die Vorschrift über § 19 GVG.
Immunität nur für unmittelbare Amtshandlung
Die Amtshandlungsimmunität umfasst nur die unmittelbare Amtshandlung in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben und nicht etwa auch Vorgänge, die damit nur in einem engen funktionalen Zusammenhang stehen (vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 10.06.2013, Az. 1 SsBs 15/13, 1 Ss Bs 15/13). So fallen etwa Fahrten zum täglichen Dienst, nach Hause oder der Weg von der eigenen Wohnung zu einem offiziellen Empfang nicht darunter.
Vereinzelt können sich Honorarkonsuln allerdings auch dann auf Immunität berufen, wenn die jeweilige Handlung in einem engen sachlichen Zusammenhang mit der Wahrnehmung einer konkreten konsularischen Aufgabe steht, die Handlung also selbst ein wesentlicher Bestandteil der konsularischen Tätigkeit ist (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.07.2004, Az. 2 Ss 42/04). Dies wäre etwa der Fall, wenn der Honorarkonsul während der Fahrt zu einem Empfang telefonisch an einer unaufschiebbaren dienstlichen Besprechung teilnimmt oder einen schutzsuchenden Staatsangehörigen des von ihm vertretenen Landes zur Botschaft fährt.
Das ist jedoch die Ausnahme. Nur mit der konsularischen Handlung in Verbindung stehende Tätigkeiten sind von der Immunität nicht umfasst. Honorarkonsuln müssen also grundsätzlich Strafzettel bezahlen, ein Fahrverbot für Geschwindigkeitsverstöße antreten und können strafrechtlich belangt werden.
Gepäckkontrolle am Flughafen, aber Schutz für konsularische Briefe
Honorarkonsuln müssen sich am Flughafen den Gepäckkontrollen unterziehen. Honorarkonsuln haben zwar theoretisch – in ganz engen Grenzen – die Möglichkeit, konsularisches Kuriergepäck versenden zu lassen (Art. 35 WÜK). Dies gilt jedoch nur für den Transport amtlicher Korrespondenz zwischen Honorarkonsuln eines Landes und auch nur dann, wenn beide Staaten im Vorfeld ihre Zustimmung für den Versand im Einzelfall erteilen (Art. 58 Abs. 4 WÜK).
Nach Art. 61 WÜK sind die "konsularischen Archive und Schriftstücke" unverletzlich, sofern sie von anderen Unterlagen getrennt gehalten werden, insbesondere von der Privat- oder Geschäftskorrespondenz des Honorarkonsuls. Es handelt sich hier um ein sehr weitgehendes, absolut geltendes Sonderrecht.
Was ist also, wenn wissentlich auch private Unterlagen in das digitale oder physische Archiv gepackt werden, die gar nichts mit der konsularischen Tätigkeit zu tun haben? Außer im Falle eines offensichtlichen Missbrauchs gilt weiterhin die Unverletzlichkeit. Die Dokumente dürfen weder stichprobenartig eingesehen noch Informationen dazu verlangt werden.
Bessere Informationspolitik über Honorarkonsuln
Die Aufregung um die "Shadow Diplomats"-Recherche verdeutlicht vor allem ein Informationsdefizit. Die meisten wissen einfach nicht, was Honorarkonsuln eigentlich tun und welche Rechte sie haben bzw. nicht haben – das gilt auch für nicht wenige Honorarkonsuln selbst. Dies ist aber nicht etwa ein systemisches Problem der Institution "Honorarkonsul", sondern eher mit der Forderung nach einer verbesserten Informationspolitik verbunden.
Schwarze Schafe gibt es in allen Berufsgruppen. Solche unter den Honorarkonsuln können allerdings jederzeit zur persona non grata, also zur unerwünschten Person, erklärt werden. So kann man der Gefahr des Missbrauchs konsularischer Privilegien vorbeugen und auf entsprechende Vorkommnisse reagieren.
Man sollte allerdings nicht das Ehrenamt selbst infrage stellen. Dies diskreditiert die weit dominierende Zahl von Honorarkonsuln, die ihre Tätigkeit ehrenvoll, auf eigene Kosten und mit viel Zeitaufwand ausüben. Ob darüber hinaus das mit dem Titel mancherorts verbundene Sozialprestige entschädigt – das hat jeder selbst zu entscheiden.
Dr. Christopher Hahn ist Partner bei trustberg und Honorarkonsul der Republik Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste) in München. Zudem ist er Autor des Fachbuchs "Der Honorarkonsul - Institution, Rechte und internationale Beziehungen".
Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.
2022 M12 2
Diplomatie
Verwandte Themen:- Diplomatie
- Ausland
Teilen