Ferien auf arbeitsrechtlich

Wie geht Urlaub noch mal?

Gastbeitrag von Dr. Roland KleinLesedauer: 5 Minuten

Wenn es mies läuft, wollen alle Kollegen zwischen Weihnachten und Silvester Urlaub nehmen. Was tun? Haben Mitarbeiter mit schulpflichtigen Kindern Vorrang? Wie Urlaub arbeitsrechtlich richtig geht, erklärt Roland Klein.

Weihnachten – das ist nicht nur die Zeit der Geschenke, sondern auch die Zeit, in der viele Arbeitnehmer bereits den Urlaub für das kommende Jahr planen. Aber nicht nur Reisen wollen frühzeitig gebucht werden. Der Arbeitgeber muss den benötigten Urlaub auch erteilen. Aber nach welchen Bedingungen spielt sich die Urlaubsgewährung ab? Ist die Gewährung nur Formsache oder hängt der Arbeitnehmer auch vom Wohlwollen des Arbeitgebers ab? Nach welchen Regeln werden Urlaubswünsche anderer Kollegen berücksichtigt? 

Ausgangspunkt ist die gesetzliche Regelung in § 7 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Der Arbeitgeber muss danach die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers, d.h. dessen zeitliche Festlegung, berücksichtigen, es sei denn dem stehen dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegen, die unter „sozialen Gesichtspunkten“ den Vorrang verdienen. 

Es gilt also: Die zeitliche Lage des Urlaubs legt primär der Arbeitnehmer fest, über die sich der Arbeitgeber nur aus bestimmten Gründen hinwegsetzen kann.

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Kein Grund: Personalknappzeit

Dass ein Urlaub vorübergehend zu verringerten personellen Kapazitäten führt, ist dabei kein Grund für die Urlaubsversagung. Wer Arbeitnehmer anstellt, hat die Erfüllung der Urlaubsansprüche miteinzukalkulieren und durch entsprechende Personalmaßnahmen vorzusorgen, dass entsprechende Zeiten möglichst ohne negative Auswirkungen „aufgefangen“ werden können. 

Dringende entgegenstehende Gründe liegen nur dann vor, wenn es um Situationen geht, denen organisatorisch nicht vorgebeugt werden kann, etwa bei unvorhergesehenen ungewöhnlichen Umständen wie einer schweren Krankheitswelle. Allerdings wird Arbeitgebern das Recht zugestanden, vorübergehend Urlaubssperren für abgrenzbare Zeiten zu verhängen, in denen saisonbedingt besonders viel Personal benötigt wird, etwa in der Logistik während des Weihnachtsgeschäfts. 

Das heißt aber auch: Der Arbeitgeber kann nicht einfach grundlos den Urlaub versagen. Er ist verpflichtet, die Gründe im Einzelnen darzulegen und –im Fall eines Rechtsstreits – auch zu beweisen. Dabei wird er im Einzelnen darlegen müssen, weshalb eine Vertretung durch andere Arbeitnehmer oder sonstige organisatorische Vorkehrung nicht möglich ist. 

Urlaubswünsche von Kollegen

Aber auch die Urlaubswünsche anderer Kollegen können dem Wunsch auf Urlaub einen Strich durch die Rechnung machen. Zunächst gilt der Grundsatz, dass mehrere Arbeitnehmer gleichzeitig in Urlaub fahren dürfen; nur wenn eine gleichzeitige Freistellung aus dringenden betrieblichen Gründen nicht möglich ist, darf eine Auswahl unter „sozialen Gesichtspunkten“ überhaupt vom Arbeitgeber in Betracht gezogen werden. 

Welche dies sind, sagt das Gesetz nicht. Dies können familiäre Verpflichtungen sein, etwa Kinder im schulpflichtigen Alter, eine besondere Erholungsbedürftigkeit, aber auch die Urlaubserteilung in den vorangegangenen Jahren. So gibt es keinen Rechtssatz, wonach kinderlose Arbeitnehmer immer den Kollegen mit schulpflichtigen Kindern den Vortritt unter Verweis auf Schulferien lassen müssten. Der Arbeitgeber muss in der Lage sein, die Gründe für seine Entscheidung transparent zu benennen und deutlich machen, dass er alle Umstände berücksichtigt hat. 

Eilverfahren statt Selbstbeurlaubung

Der Arbeitgeber kann nur in den seltensten Fällen Urlaub versagen. Dennoch kommt es in der Praxis laufend vor, dass Urlaub nicht erteilt wird. In diesen Fällen darf der Arbeitnehmer nicht einfach auf seinen Urlaubsanspruch und die Rechtslage vertrauen und in Urlaub fahren. Strenggenommen muss der Arbeitnehmer seinen Anspruch erst durchsetzen, notfalls gerichtlich. 

Bis ein gerichtliches Hauptverfahren abgeschlossen ist, kann es für die angestrebte Reise allerdings schon zu spät sein. In diesen Fällen hilft nur die Einleitung eines Eilverfahrens. Eine Leistungsverfügung zur Erteilung von Urlaub ist zwar nicht unumstritten. Kern des Anstoßes ist hierbei, dass sie bei Gewährung zur Vorwegnahme der Hauptsache führt. 

In vielen Fällen wird aber die vom Gesetzgeber gewollte starke Rechtsposition des Arbeitnehmers effektiv nur im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gesichert werden können. Seit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Nicht-Verfall von Urlaubstagen (EuGH, Urt. v. 29.11.2017, Az. C-214/16) wird auch vertreten, dass der Antrag nicht nur auf die vorläufige Freistellung, sondern auch auf die Bezahlung zu richten ist, da andernfalls nicht von wirksamer „Urlaubserteilung“ auszugehen sei. 

§ 7 Abs. 1 BUrlG sagt übrigens nichts zu etwaigen Mindestfristen, in denen Urlaub anzumelden ist. Hier entspricht es dem Eigeninteresse des Arbeitnehmers, nicht allzu kurzfristig die Urlaubserteilung zu beantragen. Denn je kurzfristiger die Anfrage, desto größer das Risiko, dass der Arbeitgeber nicht umdisponieren kann und entgegenstehende dringende Gründe geltend macht. Selbst die Einleitung eines Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz kann dann ggf. nicht mehr rechtzeitig durchgeführt werden, sodass der Arbeitnehmer bei sehr kurzfristiger Anfrage Gefahr läuft, seinen Anspruch im Ergebnis nicht realisieren zu können.

Notwendigkeit von Betriebsferien

Mit der durch § 7 BUrlG eingeräumten Freiheit, seinen Urlaub nach eigenen Bedürfnissen zu planen, stehen arbeitgeberseitig verhängte Betriebsferien im Widerspruch. Betriebsweit verhängte Betriebsferien sind nur dann zulässig, wenn sie betriebsnotwendig sind. Wenn diese aber in einer Vereinbarung mit dem Betriebsrat festgelegt worden sind, gehen die Arbeitsgerichte regelmäßig von der Betriebsnotwendigkeit aus. Dabei muss aber den Arbeitnehmern wenigstens die Hälfte ihres Urlaubs noch zur freien Verfügung stehen.

Die Festlegung von Betriebsferien und Urlaubssperren sind mitbestimmungspflichtig. Bei Vorhandensein eines Betriebsrats muss der Arbeitgeber daher den Betriebsrat einbinden, ebenso bei der Aufstellung von allgemeinen Urlaubsgrundsätzen, d.h. Regelungen, die etwa die sozialen Gründe näher konkretisieren, etwa eine „Rotation“ der Mitarbeiter in günstige oder weniger günstige Jahresabschnitte vorsehen. Auch ein Schlichtungsverfahren für streitige Einzelfälle können im Rahmen einer Betriebsvereinbarung vorgesehen werden. 

Kein Rückruf aus dem Urlaub

Sobald der Arbeitgeber die Freistellungserklärung abgegeben hat, ist er an diese Erklärung rechtlich gebunden. Ein Widerruf ist daher nicht mehr möglich. Ob Ausnahmen für echte Notfälle zu machen sind, hat das BAG bisher offengelassen. Dies gilt erst recht, wenn der Arbeitnehmer bereits im Urlaub weilt. 

Der Arbeitnehmer ist schon nicht verpflichtet, für die Dauer des Urlaubs erreichbar zu sein. Strenggenommen widerspricht bereits die Erreichbarkeit dem Erholungscharakter des Urlaubs. Dass das im Zeitalter mobiler Kommunikation per Smartphone oder Tablet nicht der vielerorts geübten Praxis entspricht und von vielen als nicht mehr zeitgemäße Haltung des Gesetzgebers empfunden wird, steht auf einem anderen Papier. Von Rechts wegen aber dürfte der Arbeitgeber keine Handhabe besitzen, den Arbeitnehmer aus dem Urlaub zurück zu holen. 

Übertragung ins Folgejahr

Hieraus wird deutlich, dass der Arbeitnehmer im Regelfall in der Lage sein dürfte, seinen Urlaub im Kalenderjahr auch zu nehmen. Deswegen war die Rechtsprechung bislang recht streng gegenüber den Arbeitnehmern und wies ihnen die Pflicht zu, die Gründe darzulegen, weshalb ihnen der Verbrauch des Urlaubs nicht möglich gewesen sei. Gelang ihnen dies nicht, verfiel offener Urlaub ohne Übertragung ins Folgejahr. 

Der EuGH hat die Rechtsposition von Arbeitnehmern diesbezüglich gestärkt (EuGH, Urt. v. 06.11.2018, Az. C-619/16 und C-684/16): Danach trifft den Arbeitgeber die Obliegenheit, den Arbeitnehmer unterjährig über das Bestehen seiner Urlaubsansprüche zu unterrichten und aufzufordern, seinen Urlaub zu nehmen. Verletzt der Arbeitgeber diese Unterrichtungspflicht, so ist eine Übertragung von vorhandenem Urlaub ins Folgejahr bereits aus diesem Grund zulässig. Arbeitnehmern, denen der Arbeitgeber wiederholt den Urlaub nicht gewährt hat, dürfte es indes auch so leichtfallen, vor Gericht den Übertrag ihren Urlaub ins Folgejahr und eine entsprechende Freistellung bis zum 31. März durchzusetzen. 

Dr. Roland Klein, Partner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Schomerus Steuerberater Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer mbB, Berlin. Er berät sowohl gewerbliche wie auch gemeinnützige und karitative Arbeitgeber und Non-Profit Organisationen. 

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