Weihnachtsgeld adé?
Während sich der erste Beitrag zu Sonderleistungen "Wenn der Tankgutschein wegfällt" insbesondere mit individuell vereinbarten Sonderleistungen beschäftigte, geht es im Folgenden um solche, die durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen gewährt werden.
In Flächentarifverträgen vieler Branchen sind Regelungen über tarifliche Jahresleistungen, Weihnachtsgeld oder Urlaubsgeld sowie ähnliche Einmalzahlungen enthalten. Häufig beträgt die tarifliche Jahresleistung einen bestimmten Prozentsatz des monatlichen Tariflohns. Hier ist die Bandbreite groß und liegt zwischen 20 und 100 Prozent einer monatlichen Vergütung.
Die Rechtsgrundlage tarifvertraglich gewährter Sonderleistungen kann für die Arbeitnehmer im Betrieb gleichwohl unterschiedlich sein. Es kann der Tarifvertrag selbst, aber auch der Arbeitsvertrag sein, wenn in diesem auf den Tarifvertrag verwiesen wurde.
Festes Prozedere bei Tarifparteien
Der Tarifvertrag ist dann die Rechtsgrundlage, wenn der Arbeitgeber Mitglied des Arbeitgeberverbandes und der Arbeitnehmer Mitglied der Gewerkschaft sind, die den jeweiligen Tarifvertrag abgeschlossen haben. In diesem Fall kann die Abänderung oder Einstellung der in diesen Tarifverträgen geregelten Sonderleistungen nur durch einen Tarifvertrag erfolgen.
In der Praxis gibt es in fast allen Branchen diesbezüglich ein festgelegtes Prozedere. Arbeitgeber stellen häufig über ihren Arbeitgeberverband einen Antrag bei der jeweiligen Gewerkschaft auf Aufnahme von Verhandlungen z.B. über einen "Sanierungstarifvertrag" oder "Zukunftssicherungstarifvertrag". Die Gewerkschaften verschaffen sich dann - ggf. mit Hilfe wirtschaftlicher Gutachter –einen Überblick über die Finanzlage des Unternehmens. Den Gewerkschaften sind grundsätzlich nur dann dazu bereit, Änderungen von Flächentarifverträgen zuzustimmen, wenn das jeweilige Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht dazu in der Lage ist, die jeweiligen Sonderleistungen ganz oder teilweise zu gewähren, um nicht in eine noch schwierigere wirtschaftliche Lage verbunden mit dem Verlust von Arbeitsplätzen zu gelangen.
Die Variationsbreite von solchen abändernden Tarifverträgen ist ebenfalls groß.
Einsparungen nicht von Dauer
Wenn Gewerkschaften solchen Abweichungen vom Flächentarifvertrag zustimmen, dann regelmäßig nur für einen festgelegten Zeitraum von meist nicht mehr als max. zwei bis drei Jahren. Dies ist nicht selten mit verschiedenen Verpflichtungen des Unternehmens während dieses Zeitraums verbunden, wie Investitionszusagen, Standortsicherungen und dem Verbot von Kündigungen aus betrieblichen Gründen. Die hier zu erzielenden Einspareffekte im Bereich der Arbeitskosten sind somit regelmäßig nicht dauerhafter Natur, sofern nicht nach Ablauf der Laufzeit erneut vom Unternehmen die wirtschaftliche Notwendigkeit für eine Verlängerung nachgewiesen werden kann. Falls dies nicht der Fall ist, finden die dann geltenden Flächentarifverträge grundsätzlich wieder voll Anwendung.
In der Praxis werden von Arbeitgebern in ihren Betrieben und Unternehmen Tarifverträge zur Anwendung gebracht unabhängig davon, ob die Arbeitnehmer Mitglied der jeweiligen tarifschließenden Gewerkschaft sind oder nicht. Da Arbeitgeber über diese Kenntnisse nicht verfügen, wird die Anwendung dieser Tarifverträge in den Arbeitsverträgen mit verankert. Typisch ist eine vollständige oder teilweise Bezugnahme auf diese Tarifverträge in einer separaten Ziffer des Arbeitsvertrages, der sog. Gleichstellungsabrede. Das heißt, der Arbeitgeber behandelt alle Arbeitnehmer gleich unabhängig davon, ob sie Mitglied in der Gewerkschaft sind oder nicht. Damit werden die tarifvertraglichen Regelungen Gegenstand des Arbeitsvertrages.
Der Abschluss eines Sanierungs- oder Zukunftssicherungstarifvertrages mit geänderten Regelungen zu Sonderleistungen findet auf Arbeitnehmer, die nicht Mitglied der Gewerkschaft sind, jedoch nur dann Anwendung, wenn diese Gleichstellungsabrede diese Möglichkeit auch vorsieht. Da dies in der Praxis häufig jedenfalls zweifelhaft ist, werden neben dem Änderungstarifvertrag auch kurze Änderungsverträge mit allen Arbeitnehmern abgeschlossen, in denen der Änderungstarifvertrag explizit in Bezug genommen wird.
Jedenfalls dann, wenn Unternehmen Tarifverträge nicht (mehr) auf Grundlage einer Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband anwenden, z.B. weil sie zwischenzeitlich ausgetreten sind, kann der Anspruch auf eine Sonderleistung nur durch Änderungsverträge beendet werden. Dies ist nur dann nicht erforderlich, wenn der Arbeitgeber durch Aufnahme von Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalten entsprechend Vorsorge getroffen hat. Wird jedoch ein Konsens mit der Gewerkschaft durch Abschluss eines Änderungstarifvertrages erzielt, ist die Bereitschaft der Belegschaft regelmäßig groß, dies für sich individuell als akzeptabel und letztendlich auch verbindlich anzusehen.
Weihnachtsgeld und Boni in Betriebsvereinbarungen
Insbesondere in Unternehmen, die keiner Tarifbindung unterliegen, sind Betriebsvereinbarungen bzw. Gesamt- und Konzernbetriebsvereinbarungen über Sonderleistungen häufig. Auch hier ist die Vielfalt groß. Neben den Klassikern Jahressonderzahlung, 13. Monatsgehalt, Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld findet man Regelungen über Gratifikationen, Treueprämien, Jubiläumsgelder, Boni, Prämien, Tantiemen, Erfolgsvergütungen und Zielvereinbarungen.
Will ein Arbeitgeber eine solche freiwillige Sonderleistung, d.h. zusätzlich zum arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsentgelt, einführen, gibt es Aspekte, bei denen der Betriebsrat mitreden darf – und einige, über die der Arbeitgeber ganz alleine entscheidet.
Ganz ohne den Betriebsrat zu konsultieren kann der Arbeitgeber beschließen, ob er eine Leistung gewährt, den hierfür vorgesehenen Dotierungsrahmen (absolute Höhe), den verfolgten Zweck, den berechtigten Personenkreis oder beispielsweise bei Zielvereinbarungen die Festlegung konkreter Ziele.
Zu den mitbestimmungspflichtigen Elementen hingegen gehört etwa der sog. Verteilungs- und Leistungsplan, d.h. die Berechnung der einzelnen Leistungen und Höhe im Verhältnis zueinander – die sog. relative Höhe.
Das Ende freiwilliger Leistungen
Die vollständige Einstellung einer freiwilligen Leistung erfordert die Kündigung der jeweiligen Betriebsvereinbarung durch den Arbeitgeber unter Einhaltung der vereinbarten Frist. Ist eine solche nicht vereinbart, gilt die gesetzliche Frist von drei Monaten, § 77 Abs. 5 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)VG . Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei dem vollständigen Wegfall der jeweiligen freiwilligen Leistung besteht nicht. Das heißt, der gewünschte Kosteneinsparungseffekt tritt dann regelmäßig unmittelbar nach Ablauf der Kündigungsfrist ein. Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber zwar die Fortsetzung der jeweiligen freiwilligen Leistung fordern, aber es ist ihm nicht möglich, die Erbringung einer solchen Leistung, z.B. in einer Einigungsstelle zu erzwingen.
Anders ist die Rechtslage, wenn geplant ist, die bisher gewährte Sonderleistung in der Höhe oder hinsichtlich der Berechnungskriterien zu verändern – also in den Aspekten, bei denen auch bei der Einführung ein – wenn auch eingeschränktes – Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates besteht.
Wenn eine ungleichmäßige Absenkung oder partielle Streichung zur Änderung des bisherigen Verteilungsschlüssels führt, dann ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsratsgremiums wieder eröffnet. Einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat hier nicht auf neue Grundsätze, dann entscheidet die Einigungsstelle verbindlich (§§ 87 Abs. 1 Nr. 10, 76 BetrVG). Allerdings muss in dem Einigungsstellenverfahren das vom Arbeitgeber vorgegebene verringerte Volumen als mitbestimmungsfreie Vorgabe beachtet werden.
Änderungen bei Vorbehalten in Arbeitsverträgen
Unabhängig von der jeweiligen Rechtsgrundlage Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag sind Sonderleistungen in der Praxis ein wesentlicher Bestandteil der Gesamtvergütung in vielen Unternehmen. Die Formulierung und Auswahl der Rechtsgrundlage entscheidet über die Möglichkeiten der Änderung und Einstellung solcher Sonderleistungen.
Am einfachsten umsetzbar sind die Änderungen, die Unternehmen ohne Mitwirkung der Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmervertretungen vornehmen können. Dies sind in Arbeitsverträgen insbesondere Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalte oder ggf. auch Befristungen. Die Formulierungen müssen klar sein und Arbeitnehmer dürfen nicht unangemessen benachteiligt werden.
Schwieriger sind die Abänderungen, wenn die Zustimmung der Arbeitnehmer erforderlich ist oder solche, die tarifvertraglich geregelt wurden. Sonderleistungen, die ihre Rechtsgrundlage in Betriebsvereinbarungen haben, können durch Kündigung beendet werden, wenn das zur Verfügung gestellte finanzielle Volumen vollständig eingestellt wird.
Unabhängig von rechtlichen Aspekten sind stets die Auswirkungen auf die Leistungsbereitschaft und Motivation der Belegschaft maßgeblich mit in solche Überlegungen mit einzubeziehen, ebenso wie die diesbezügliche Kommunikation im Betrieb.
Der Autor Markus Künzel ist Partner bei Beiten Burkhardt in München und Fachanwalt für Arbeitsrecht. Er berät nationale und internationale Mandanten in allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Zu den Schwerpunkten seiner Tätigkeit gehören die strategische Planung und Durchführung von Unternehmensumstrukturierungen, Unternehmenstransaktionen und Sanierungsmaßnahmen einschließlich der Implementierung von neuen Arbeitsbedingungen, wie z.B. Vergütungs- und Arbeitszeitsystemen.
Die Autorin Dr. Michaela Felisiak ist Partnerin bei Beiten Burkhardt in München und ebenfalls Mitglied der Praxisgruppe Arbeitsrecht. Sie berät nationale und internationale Unternehmen zu allen Fragen des deutschen und europäischen Arbeits- und Sozialversicherungsrechts. Ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt auf der Beratung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten.
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2019 M11 4
Tarifverträge
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