Pressesprecher bei Gericht und Staatsanwaltschaft

Übersetzer zwischen Justiz und Medien

von Timo ConrathsLesedauer: 4 Minuten
Der NSU-Prozess hat deutlich gezeigt, dass es bei der Pressearbeit von Gericht und Staatsanwaltschaft um weit mehr als nur den gesetzlichen Anspruch der Öffentlichkeit auf Information geht. Neben dem Ansehen der Justiz kann sie sogar das Verfahren selbst beeinflussen. Was sich nach einem stressigen Job anhört ist für die Verantwortlichen aber vor allem eines: eine willkommene Abwechslung.

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Es ist schon spät, als im Büro von Staatsanwalt Martin Steltner noch einmal das Telefon klingelt. Steltner hebt trotzdem ab, er wirkt, als hätte er den Anruf erwartet: "Was gibt’s?" Der Anrufer arbeitet für eine große deutsche Sonntagszeitung, will wissen, wie der Ermittlungsstand in Sachen Westendmord ist. Seit Tagen beschäftigt dieser Fall die Berliner Medien und Staatsanwaltschaft gleichermaßen. Unbekannte hatten einen angesehenen Steueranwalt in seinem Büro im Berliner Westend kaltblütig erschossen. Die Täter werden im familiären Umfeld vermutet. Es ist nicht Steltners Fall, aber er antwortet trotzdem: "Ja, ein paar Zeugen haben wir, die etwas gesehen haben könnten." Und dann immer wieder dieser Satz: "Mehr kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt aber auch nicht sagen." Steltner muss aufpassen, was er an Informationen herausgibt. Jedes Wort zu viel könnte die laufenden Ermittlungen torpedieren. Ermittlungen, die er selbst gar nicht leitet. Er informiert lediglich über sie. Dazu ist die Staatsanwaltschaft wie jede Behörde gesetzlich verpflichtet. Das ist Steltners Job. Martin Steltner ist eigentlich Staatsanwalt, aber seit knapp fünf Jahren ausschließlich als Pressesprecher der Berliner Staatsanwaltschaft tätig. Er ist damit Sprachrohr und Dolmetscher zugleich. Er informiert die Presse über aktuelle Ermittlungen und erläutert wenn nötig Entscheidungen seiner Kollegen. Bis zum Eröffnungsbeschluss, danach übernimmt der Pressesprecher des Gerichts. Ein schwieriger Job, denn nicht selten ist es eine Gratwanderung zwischen dem Anspruch der Öffentlichkeit auf Information und der ungestörten Ermittlungstätigkeit. Steltner macht die Pressearbeit dennoch gerne. Er schätzt dabei vor allem die interessanten Gespräche mit den Journalisten: "Man versteht dadurch erst richtig, welche Bedeutung manche Fälle außerhalb der juristischen Problemkreise haben können." Pressearbeit als willkommenes Fenster zur Außenwelt.

Pressesprecher arbeiten oft zugleich als Richter oder Staatsanwälte

Ähnlich sieht es Ingo Nöhre. Seit über 20 Jahren ist er als Richter tätig, davon die letzten zehn am Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Seit 2008 fungiert er dort als Pressesprecher. Auch er schwärmt von der Abwechslung, die die Position mit sich bringt: "Ich kann dadurch die Arbeit des Gerichts von allen Seiten mitbekommen." Im wahrsten Sinne des Wortes, denn anders als Steltner übernimmt Nöhre die Medienarbeit zusätzlich zu seiner Richtertätigkeit. Dies sei auch sinnvoll, denn: "Es ist etwas anderes, ob man von der Gerichtsarbeit nur berichtet oder sie tagtäglich erlebt." "Dass Richter die Pressearbeit nur nebenher übernehmen, ist der Regelfall", erzählt Martin W. Huff, Geschäftsführer und Pressesprecher der Rechtsanwaltskammer Köln. Er bildet – als ehemaliger Journalist und Pressesprecher des hessischen Justizministeriums – auch Mediensprecher der Justiz und von Unternehmen aus. "Die Pressearbeit ist eigentlich eine Aufgabe des Behördenleiters, im Falle der Justiz also die des jeweiligen Gerichtspräsidenten oder des Generalstaatsanwaltes", so Huff. Allerdings nimmt der Behördenleiter diese Aufgabe zu Recht nur selten selbst wahr. Im Regelfall delegiert er sie an einen Pressereferenten. Im Gegensatz zu Unternehmen oder Bundesministerien greift die Justiz dabei gerne auf ihre eigenen Leute zurück. Mit gutem Grund, wie Huff findet: "Weil man juristische Themen nach außen erklären muss." Für einen juristisch nicht Vorgebildeten sei dies schlicht zu schwierig. "Eher lernt man das Kommunikative dazu, als das Juristische", meint Huff. Aber auch in Bezug auf die interne Kommunikation sei es wichtig, dass der Pressesprecher aus den eigenen Reihen kommt, denn dies schaffe Vertrauen und Akzeptanz. Zwei nicht zu unterschätzende Faktoren, denn häufig sind die Pressesprecher auf die Informationen ihrer Kollegen angewiesen.

Die Information der Öffentlichkeit: Eine schwierige Gratwanderung

Huff würde es jedoch begrüßen, wenn die Behördenleiter die Richter oder Staatsanwälte für die Pressearbeit von ihren übrigen Tätigkeiten freistellen würden. Während es in anderen Behörden bisweilen ganze Abteilungen für die Medienarbeit gibt, müssen sich bei der Justiz in der Regel ein bis zwei Juristen nebenbei um diese Aufgabe kümmern, die abgesehen von der allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit oft auch die Organisation von Veranstaltungen und den Internetauftritt umfasst. "Das kann leicht zu Überforderung führen", warnt Huff. Wie schnell das gehen kann, hat Margarete Nötzel erst kürzlich erfahren müssen. Seit über acht Jahren ist die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht gleichzeitig auch Pressesprecherin des Oberlandesgerichts München. In dieser Zeit hat sie die Öffentlichkeitsarbeit für viele Verfahren bewältigt, darunter auch jenes gegen den ehemaligen KZ-Aufseher John Demjanjuk. Auf das Medieninteresse beim NSU-Prozess, welches in einer Debatte über die Vergabe der Presseplätze mündete, war sie dennoch nicht vorbereitet gewesen: "Das Problem war die Fülle der Medienanfragen. Es gab Tage, da bekamen wir 80 Anrufe allein am Vormittag." Wohlgemerkt: auch Nötzel übt die Pressearbeit nur neben ihrer eigentlichen Richtertätigkeit aus. Dennoch hat sie versucht, alle Anfragen persönlich und gleichermaßen ausführlich zu beantworten. "Die Fragen selbst waren nicht schwer, wir waren nur personell nicht richtig besetzt." Insgesamt sei die Stimmung aufgeladen und hysterisch gewesen. "Das Problem war, dass die Erwartungen der Medien an den Prozess zu hoch waren", so Nötzel. Im Nachhinein hätte sich das bestätigt, denn heute säßen nur noch wenige Journalisten im Gerichtssaal. Welche Qualifikationen muss ein kompetenter Justizpressesprecher also mitbringen? "Zunächst muss er sich als Jurist gut in seiner Materie auskennen", befindet Nöhre. "Ferner muss er dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit offen gegenüberstehen." Huff ergänzt: "Wichtig ist, dass man abstrahieren und formulieren kann." Denn ein Pressesprecher sei nichts anderes als ein Dolmetscher, der die Urteile des Gerichts für die Öffentlichkeit in knappe und verständliche Sprache übersetzt. "Der erste Dolmetscher der Behörde, sozusagen."

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