Die Arbeit als Verbandsjurist

"Wir argu­men­tieren mit Worten, nicht mit Geld­kof­fern"

von Tamara WendrichLesedauer: 5 Minuten

Den Traumjob "Verbandsjurist" haben wohl die wenigsten – der Beruf ist schlicht zu unbekannt. Tamara Wendrich erklärt, wie Verbandsjuristen als Sprachrohr zwischen Politik, Wirtschaft und Recht arbeiten.

"Nachdem ein Freund mir vom Beruf des Verbandsjuristen erzählte, stand mein Entschluss aus der Anwaltschaft zu wechseln, schnell fest", erklärt Christian Schönbach. Der Jurist ist seit sechs Jahren Syndikusrechtsanwalt bei Hessenmetall, dem Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie in Hessen. Zuvor sammelte er Erfahrungen im Arbeitsrecht bei einer mittelständischen Kanzlei.

An seinem Job gefällt ihm vor allem die Eigenverantwortung. "Als Jurist beim Arbeitgeberverband durfte ich von Tag eins an Unternehmen betreuen, da gab es keinen zwischengeschalteten Kanzleipartner", erinnert sich Schönbach. "Ich bin die direkte Schnittstelle zwischen Unternehmen und Verband", erklärt er.

Neben Landesverbänden sind aber auch bei Bundesverbänden, in denen sich Branchen oder Landesverbände zusammenschließen, Juristen tätig. So arbeitet Lukas Kleutges am Brüsseler Standort der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Als Verbandsjurist behandelt er dort europarechtliche Fragen. Doch wie sieht die Arbeit von Verbandsjuristen grundsätzlich aus und was muss man dafür mitbringen?

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Kommunikation mit den Mitgliedern und dem Gesetzgeber

Kleutges nennt zwei große Aspekte in der juristischen Verbandstätigkeit: "Einerseits informieren wir unsere Mitglieder über neue Gesetzgebung und Rechtsprechung, andererseits kommunizieren wir aber auch die Interessen und Bedürfnisse genau dieser Mitglieder an die Gesetzgeber." Zu Beginn seiner Karriere musste der Syndikusrechtsanwalt erst lernen, europäische Gesetzesvorhaben aus Perspektive der BDA zu analysieren. Mittlerweile sieht er die für Arbeitgeber relevanten wirtschaftlichen oder rechtlichen Fragen auf Anhieb.

Zu seiner Arbeit gehört auch das Erstellen von Positionspapieren oder klassisch juristischen Gutachten. Kleutges versteht seine Tätigkeit als "eine gute Mischung aus juristischer Dienstleistung und europäischer Rechtspolitik." Gerade in Brüssel ist das Arbeitsumfeld international, knapp die Hälfte seiner Arbeit erfolgt auf Englisch. Manchmal dauert es einfach zu lange, auf die deutsche Übersetzung zu warten.

Sprachrohr zwischen Politik, Wirtschaft und Recht

Verena Westphal arbeitet seit elf Jahren für den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in Berlin. Die Syndikusrechtsanwältin befasst sich in der Abteilung Recht, Wettbewerb und Verbraucherpolitik mit Fragen aus den Bereichen Compliance und Wirtschaftsstrafrecht, z.B. dem Hinweisgeberschutzgesetz. Sie versteht sich als Mittlerin und Sprachrohr zwischen Politik, Wirtschaft und Recht.

Für Christian Schönbach stehen außerdem Gerichtstermine vor hessischen Arbeitsgerichten oder sogar dem Bundesarbeitsgericht auf der Agenda. "Seine" Unternehmen betreut er gerichtlich und außergerichtlich in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten. Für ihn sind sie vergleichbar mit Dauermandaten, er kennt sie in- und auswendig.

Syndikusrechtsanwältin Westphal sieht eine Erweiterung zur Tätigkeit der klassischen beratenden Rechtsanwaltskollegen darin, dass die Arbeit von Verbandsjuristen einen Schritt früher beginnt. Sie müssen sich schon im Gesetzgebungsverfahren mit einer neuen Regelung und ihren Hintergründen befassen.

Vom Landes- zum Bundesverband

Verbände sind in verschiedenen Stufen des Gesetzgebungsverfahrens gefragt. Nach Veröffentlichung eines Referentenentwurfs durch ein Ministerium werden die betroffenen Verbände angehört. Als Interessenvertreterin muss sie dafür dann Gutachten und Stellungnahmen erstellen oder als Sachverständige auftreten, berichtet Westphal. Es folgt der vom Kabinett beschlossene Regierungsentwurf, der in den Bundestag geht. Auch dann werden zum Beispiel noch Gespräche mit Abgeordneten geführt oder Verbandsmitglieder kontaktieren den Verband, um eine Einordnung des Gesetzesentwurfs zu erhalten, da sich auch der Regierungsentwurf noch ändern kann.

Manches, was auf Landesebene relevant ist, wird auf Bundesebene entschieden. Damit landesverbandliche Interessen berücksichtigt werden, müssen Landes- und Bundesverbände zusammenarbeiten. Die Landesverbände setzen sich auf Bundesländerebene mitunter ganz unterschiedlich zusammen, in der Eisen- und Metallbranche in Hessen etwa gibt es fünf Bezirksgruppen. Schönbach leitet die Rechtsabteilung einer dieser Bezirksgruppen. Die Interessen aller Bezirksgruppen werden gebündelt an den Landesverband – Hessenmetall – kommuniziert. Dieser leitet sie wiederum an den Arbeitgeberverband Gesamtmetall, einen Bundesverband sämtlicher Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie, weiter. "So wird ein hessischer Unternehmer auf Bundesebene gehört", beschreibt Schönbach den Prozess.

Kleutges, der bei einem Bundesverband arbeitet, steht am Ende dieser Kommunikationskette. Hinzu kommt bei ihm dann noch ein enger Austausch mit europäischen Schwesterverbänden.

Gute Kommunikationsfähigkeiten gefragt

Wer sich für eine Tätigkeit bei einem Arbeitgeberverband interessiert, sollte deshalb gute Kommunikationsfähigkeiten haben, erklärt Westphal.

Vor allem die Kommunikation mit einzelnen Verbandsmitgliedern kann unterschiedlich ablaufen. Gegenüber einem Verbandsmitglied oder Unternehmen müssen die Folgen eines neuen Gesetzes oft ganz praktisch kommuniziert werden. Andersherum müssen Bedürfnisse und Interessen unterschiedlicher Branchen abgestimmt und in juristische Bahnen gelenkt werden, bevor sie als Position eines Verbands in den Gesetzgebungsprozess eingebracht und kommuniziert werden können.

Wenn man in einem Wirtschaftsverband arbeiten möchte, sollte man sich außerdem für wirtschaftliche Zusammenhänge interessieren, so Westphal.

"Interessenvertreter, keine Lobbyisten"

Schönbach, Westphal und Kleutges bezeichnen sich als Interessenvertreter, mit dem Begriff des Lobbyismus gehen sie vorsichtig um. Er ist oft negativ konnotiert. Den Grund dafür zu benennen, ist schwierig, auch die Vereinigungsfreiheit für Arbeitgeber ist in Art. 9 GG grundgesetzlich verankert. Allerdings ist "die Arbeit von Arbeitgeberverbänden oft medial nicht so präsent, wie die von Arbeitnehmervereinigungen, also Gewerkschaften", dabei seien sie im Kern dasselbe, erklärt Kleutges.

Zudem "übersetzen viele Lobbyismus mit Bestechung", ergänzt Schönbach. "Wir argumentieren aber mit Worten, nicht mit Geldkoffern." Er hält eine simple schwarz-weiß Malerei, von einem übermächtigen Arbeitgeber und einem schwachen Arbeitnehmer, nicht für zeitgemäß. "Es muss auch Arbeitgeber geben, nicht jeder kann selbstständig sein." Westphal ergänzt, dass Verbandsarbeit transparent erfolge, z.B. werden Stellungnahmen veröffentlicht. Verbände sind zudem im Deutschen wie auch im Europäischen Lobbyregister registriert.

Gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Neben der eigenverantwortlichen Arbeit heben sowohl der vierfache Familienvater Schönbach als auch Westphal als Mutter von zwei Kindern die gute Work-Life-Balance hervor. Westphal arbeitet mittlerweile in Teilzeit.

Einen weiteren Pluspunkt für die Arbeit im Verband sieht Schönbach in der Möglichkeit, Fälle für den Fachanwaltstitel im Arbeitsrecht zu sammeln. Zwar erwarb er seinen Fachanwalt vor seinem Einstieg bei Hessenmetall, er ist sich aber sicher: So schnell und unkompliziert wie bei einem Arbeitgeberverband kommen Nachwuchsjuristen nirgendwo auf die nach der Fachanwaltsordnung notwendigen hundert 100 Praxisfälle. Grund dafür ist, dass Mandate nicht ausgehen können, Mitglieder gibt es immer.

Durch ein Traineeship den Beruf kennenlernen

Kleutges schätzt die Vielfalt, die die verbandsjuristische Arbeit bietet: "Es gibt zahlreiche Verbände, sämtliche Branchen und so gut wie jedes Rechtsgebiet sind vertreten.“ Das ist vor allem für den Berufseinstieg attraktiv.

"Nach dem Referendariat war ich noch immer unschlüssig, was ich machen wollte. Nichts hatte mich richtig überzeugt, ich wusste nur, dass ich gerne Europarecht mache und mich Politik interessiert", erinnert er sich. Dann erfuhr er vom Traineeship der BDA, bei dem Juristen zwei Jahre lang Verbandsarbeit bei Landes- und Bundesverbänden kennen lernen können. Kleutges absolvierte das Traineeship und nahm schon vor dem Abschluss ein Angebot der BDA an. Voraussetzung sind das erfolgreiche Ablegen der beiden juristischen Staatsexamina, wobei gute Noten gern gesehen werden, aber nicht notwendig sind. Auch andere Bundesverbände, wie der BDI, bieten ein Traineeship an.

Tamara Wendrich, LL.M. ist Referendarin am Kammergericht.

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