Was verdienst Du denn so?
Zunächst einmal: Kein Kollege ist verpflichtet, über sein Gehalt gegenüber Dritten zu sprechen, solange keine besonderen spezialgesetzlichen Bestimmungen ihn hierzu verpflichten – etwa gegenüber den Finanzbehörden. Denn beim Gehalt handelt es sich um eine personenbezogene Information, die dem Datenschutz unterliegt und deren Preisgabe verweigert werden darf. Auch wenn der Umgang mit den eigenen personenbezogenen Daten im Internetzeitalter von vielen eher lax gehandhabt wird – das Wissen über die eigene Vergütung wird von vielen doch als sensibles Wissen angesehen.
Der Arbeitnehmer darf also die Antwort verweigern. Was aber gilt für die Arbeitnehmer, die offen über ihr Gehalt reden wollen? Müssen diese vielleicht sogar die Antwort verweigern, etwa weil sie ihr Arbeitsvertrag dazu verpflichtet?
Die Klausel im Arbeitsvertrag
Oft findet sich in Arbeitsverträgen noch eine Klausel, die es dem Arbeitnehmer explizit verpflichtet, sein Gehalt vertraulich zu behandeln, insbesondere gegenüber anderen Firmenangehörigen. Derartige Klauseln wurden vom Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern für unwirksam erklärt (Urt. v. 21.10.2009, Az. 2 Sa 183/09). Sie sei unwirksam, denn sie hindere den Arbeitnehmer daran, Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz im Rahmen der Lohngestaltung gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen. Zudem verstoße sie gegen Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG), der die Koalitionsfreiheit und damit das Recht der Gewerkschaften schützt, für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Das setzte voraus, dass Arbeitnehmer über diese Bedingungen reden dürfen.
Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist von der Rechtsprechung entwickelt worden und gilt seit Jahrzehnten. Dieser verwehrt es dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer aus sachfremden oder willkürlichen Gründen von begünstigenden Leistungen auszuschließen. Schon 1955 urteilte das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass der Lohn nur nach der zu leistenden Arbeit ohne Rücksicht darauf bestimmt werden darf, ob sie von einem Mann oder einer Frau erbracht wird (Urt. v. 15.1.1955, Az. 1 AZR 305/54).
Entgelttransparenzgesetz: Fragen Sie den Arbeitgeber!
Trotz dieses seit Jahrzehnten geltenden Rechtsgrundsatzes sah der Gesetzgeber bei der Frage der Lohngerechtigkeit zwischen den Geschlechtern Handlungsbedarf: Das Ziel der Bekämpfung der Ungleichbehandlung von Männern und Frauen beim Lohn verfolgt nunmehr auch das seit Juli 2018 geltende Entgelttransparenzgesetz.
Es verschafft Arbeitnehmern einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber - aber erst in Betrieben mit mehr 200 Arbeitnehmern. Der Arbeitnehmer muss hierzu gleichwertige Vergleichstätigkeiten im Betrieb benennen und kann Auskunft über Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung und die Angabe Vergleichsentgelt verlangen. Das Vergleichsentgelt muss nicht angegeben werden, wenn die Vergleichstätigkeit von weniger als sechs Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts ausgeübt wird. In Betrieben mit Betriebsrat muss dieser Anspruch über den Betriebsrat geltend gemacht werden. Dieser nimmt die Anfrage entgegen und kümmert sich um die Antworten.
Der Arbeitgeber ist indes nicht verpflichtet, dem Fragesteller individuelle Gehälter mitzuteilen. Mitgeteilt wird lediglich der auf ein Vollzeitentgelt hochgerechnete Median des durchschnittlichen Bruttomonatsentgelts. Hierbei gilt der Wert, der an mittlerer Stelle steht, wenn die Bruttoentgelte der Beschäftigten der Größe nach sortiert werden. An der Angabe des Medians setzen die Kritiker des Gesetzes an und weisen darauf hin, dass der einzelne Arbeitnehmer mit dieser Angabe kaum Aufschluss über eine bestehende Entgeltungerechtigkeit erlange. Verdient eine Frau weniger als den Betrag, der den Median bei der männlichen Vergleichsgruppe bildet, bedeutet dies nicht zwangsläufig eine Diskriminierung, da vergleichbare männliche Mitarbeiter ebenfalls unterhalb des Medians verdienen können.
Einsichtsrecht des Betriebsrats
Effektiver im Sinne der Herstellung von Entgeltgerechtigkeit scheint daher die Wahrnehmung durch den Betriebsrat zu sein, aber nicht auf Basis des Entgelttransparenzgesetzes.
Denn der Betriebsrat hat nach § 80 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) das Recht, Einsicht in die Bruttolisten und -gehälter zu nehmen. Dem Wortlaut steht dieses Recht zwar nur dem Betriebsausschuss zu, diesen sieht das Gesetz aber erst ab einer Betriebsgröße von mehr als 200 Arbeitnehmern vor. Für kleinere Betriebe spricht das BAG aber dann dem Betriebsratsgremium das Einsichtsrecht zu. Das Prinzip der Gleichbehandlung muss dabei mit dem Datenschutz der Arbeitnehmer, für den der Arbeitgeber Sorge zu tragen hat, abgewogen werden.
Fraglich ist, ob das Einblicksrecht des Betriebsrats ohne Einschränkung, d.h. ohne Pseudonymisierung oder Anonymisierung der Gehaltslisten erfolgen darf. Die bisherige Rechtsprechung geht davon aus, dass der Betriebsrat die Nennung der Namen der Arbeitnehmer verlangen darf. Ob dies nach Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) auch gilt, ist derzeit Gegenstand einer kontroversen Diskussion. Das LAG Hamm verwies zur Rechtfertigung einer vollständigen Einsicht ohne Anonymisierung auf Art. 6 Abs. 1 lit. c DS-GVO, der die Datenverarbeitung als zulässig ansieht, wenn sie im Zuge einer rechtlichen Verpflichtung – hier nach § 80 Abs. 2 BetrVG - erfolge (Urt. v. 19.9.2017, Az. 7 TaBV 43/17).
BAG zum Verhältnis BetrVG und DS-GVO
Damit hätte es aber der nationale Gesetzgeber in der Hand, durch Gestaltung des BetrVG die Vorgaben des europäischen Datenschutzrechts einzuschränken. Das begegnet Bedenken, zumal § 80 Abs. 2 BetrVG die vollständige Nennung von Namen nicht verlangt und dies zur Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats zur Herstellung von Lohngerechtigkeit nicht unbedingt erforderlich zu sein scheint. Richtig dürfte es sein, das BetrVG im Lichte des europäischen Rechts auszulegen und hierbei auch die anderen Prinzipien, etwa das der Datenminimierung und -sparsamkeit in den Blick zu nehmen. Hierüber wird das BAG im kommenden Jahr zu befinden haben, denn gegen die Entscheidung des LAG Hamm wurde Revision eingelegt. Es wäre wünschenswert, dass das BAG dabei das Verhältnis von § 80 Abs. 2 BetrVG und der DS-GVO näher bestimmt.
Zu guter Letzt ist bei der Entgelttransparenz nicht nur der Datenschutz mit dem Prinzip der Gleichbehandlung abzuwägen, sondern auch der Schutz von berechtigten Betriebsgeheimnissen:
Der Betriebsrat unterliegt bei der Einsichtnahme der Gehaltslisten dem Gebot der Vertraulichkeit. Daher kann eine umfassende Bekanntmachung seiner Erkenntnisse gegenüber der Belegschaft den unzulässigen Verrat von Betriebsgeheimnissen bedeuten, jedenfalls dann, wenn die Gehaltsstruktur die wesentlichen Kalkulationsgrundlagen für die Gesamtkosten darstellen, wie das BAG in einer älteren Entscheidung festgestellt hat (Urt. v. 26.2.1987, Az. 6 ABR 46/84). Der Betriebsrat kann demnach die Erkenntnisse seiner Analyse mit dem Arbeitgeber vertrauensvoll besprechen, aber nicht ohne Weiteres im gesamten Betrieb öffentlich machen.
Der Autor Dr. Roland Klein ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei Beiten Burkhardt in Berlin. Er berät zu Fragen im gesamten Individual- und Kollektivarbeitsrecht und den entsprechend angrenzenden Feldern des Gesellschafts- und Sozialrechts.
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2018 M10 31
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