Spielregeln beim Kampf um die besten Mitarbeiter
In Deutschland beträgt die Arbeitslosenquote aktuell 4,9 Prozent. Man spricht bei einer solchen Zahl schon von Vollbeschäftigung – und die macht die Suche nach qualifizierten Bewerbern schwierig. Während Headhunter früher vor allem für die Besetzung von Führungs- oder Schlüsselpositionen eingeschaltet wurden, werden sie nun vermehrt schon für die Suche nach Mitarbeitern auf mittleren oder unteren Hierarchieebenen eingeschaltet.
Die Interessen eines Unternehmens, das Stellen besetzen muss, treffen dabei zwangsläufig auf die gegenläufigen Interessen des Unternehmens, das seine Mitarbeiter gerne halten möchte. Deshalb müssen bei der Abwerbung von Mitarbeitern gewisse Grundsätze eingehalten werden. Diese gelten natürlich nicht nur, wenn ein Headhunter tätig wird, sondern auch, wenn die Abwerbung direkt durch eigene Mitarbeiter beim Konkurrenzunternehmen erfolgt.
Die Jagd nach den Besten ist grundsätzlich zulässig
Zunächst ist mit einem weitverbreiteten Irrtum aufzuräumen: Die Abwerbung von Mitarbeitern durch Kunden, Wettbewerber oder auch durch Einschaltung eines Headhunters ist grundsätzlich zulässig. Sie entspricht einem wesentlichen Gedanken der freien Marktwirtschaft. Ein Arbeitnehmer kann sich schließlich selbst aussuchen, für welches Unternehmen er arbeiten möchte. Einen einmal geschlossenen Arbeitsvertrag kann er jederzeit ohne Angabe von Gründen kündigen, muss dann allerdings zumindest die Kündigungsfrist einhalten. Umgekehrt dürfen Unternehmen, die neue Arbeitnehmer suchen, daher auch bei anderen Unternehmen die Augen offen halten und den potenziellen Kandidaten lukrativere Angebote machen.
Selbstverständlich gilt dies nicht uneingeschränkt. Die Rechtsprechung hat für die Abwerbung von Mitarbeitern Grundsätze zur sogenannten Direktansprache am Arbeitsplatz aufgestellt, an die man sich halten sollte, wenn man fremde Arbeitnehmer abwerben möchte. Die Wertung, die hinter diesen Grundsätzen steckt: In gewissen Grenzen muss ein Arbeitgeber durchaus hinnehmen, dass seine Mitarbeiter von anderen Unternehmen auch am Arbeitsplatz angesprochen und möglicherweise abgeworben werden. Da damit aber immer auch ein Eingriff in die betrieblichen Abläufe des aktuellen Arbeitgebers verbunden ist, darf der Abwerbeversuch nur von geringer Intensität sein. Abwerbeversuche, die sich nicht auf das Minimum beschränken, sind wettbewerbs- oder sittenwidrig.
Anruf während der Arbeitszeit
Beim mittlerweile wohl häufigsten Versuch der Abwerbung, nämlich der telefonischen Abwerbung über das Festnetz, das dienstliche oder private Handy gilt: Zulässig ist stets nur eine erste, kurze Kontaktaufnahme, die das grundsätzliche Interesse des Arbeitnehmers abklären, die vakante Stelle grob beschreiben und bei gewecktem Interesse einen Termin außerhalb der Arbeitszeit vereinbaren soll. Wenn diese Vorgaben nicht eingehalten werden, weil ein mehrminütiges Gespräch geführt wird oder über das Profil auf einem Karrierenetzwerk gesprochen wird, wird dies bereits einen Wettbewerbsverstoß darstellen.
Der Anrufer muss sich daher u.a. nach Ansicht des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt (Urt. v. 09.08.2018, Az. 6 U 51/18) zu Beginn des Gesprächs erkundigen, ob sich der Angerufene am Arbeitsplatz befindet oder nicht. Ist er tatsächlich bei der Arbeit, muss sich der Headhunter auf eine erste Kontaktaufnahme beschränken.
Wettbewerbswidrig ist ein Abwerbeversuch auch dann, wenn der Anrufer in der Telefonzentrale oder dem Sekretariat eine falsche Identität vorgibt oder über den Zweck seines Anrufs täuscht, um zum potenziellen Kandidaten durchgestellt zu werden. Die Grenze der zulässigen Abwerbung ist schließlich immer dann überschritten, wenn dem Konkurrenzunternehmen, bei dem der Arbeitnehmer der Begierde aktuell beschäftigt ist, bewusst und gezielt geschadet werden soll. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer zum Vertragsbruch motiviert wird, unwahre Äußerungen über die neue Stelle getätigt werden oder es bei der Abwerbung nicht primär um den Mitarbeiter, sondern die Schädigung des Konkurrenzunternehmens geht.
Nicht zu unterschätzen: Die Abwerbung durch (ehemalige) Mitarbeiter
Die Gefahr der Abwerbung droht jedoch nicht nur von außen durch den Headhunter. Häufig versuchen auch eigene Mitarbeiter, ihre Kollegen abzuwerben. Diese Gefahr besteht vor allem dann, wenn ein Arbeitnehmer bereits einen Kündigungsentschluss gefasst hat und gerne seine Lieblingskollegen mit zum neuen Arbeitgeber nehmen möchte. Solange das Arbeitsverhältnis aber noch läuft, also bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, ist die Abwerbung von Kollegen ausnahmslos unzulässig. Dies gilt auch für Zeiten der Freistellung bis zum Ende der Kündigungsfrist und auch dann, wenn die Verpflichtung nicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag geregelt ist. Diese Verpflichtung folgt vielmehr bereits aus der arbeitsvertraglichen Treuepflicht. Missachtet ein Arbeitnehmer diese Pflicht, kann dies eine Kündigung rechtfertigen. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gelten die bereits dargestellten allgemeinen Grundsätze zur Abwerbung.
Wenn man als Arbeitgeber mit unzulässigen Abwerbeversuchen konfrontiert ist, gibt es verschiedene Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Zunächst kann ein Anspruch auf Unterlassung geltend gemacht werden. Denkbar sind auch Schadenersatzansprüche oder der Erlass eines zeitweisen Beschäftigungsverbotes des abgeworbenen Mitarbeiters beim neuen Arbeitgeber.
Meist ist es jedoch bereits zu spät, wenn man zu den genannten Mitteln greift, weil der Mitarbeiter schon zur Konkurrenz gewechselt ist. Insbesondere bei Leistungsträgern und wichtigen Arbeitnehmern sollte man sich daher bereits im Vorfeld durch eine entsprechende Vertragsgestaltung absichern. Dies kann zum Beispiel durch die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes oder durch die beiderseitige Bindung an lange Kündigungsfristen, die über die gesetzlichen Mindestfristen hinausgehen, erreicht werden. Im finanziellen Bereich sollte man als Arbeitgeber auch an steuerfreie Sachzuwendungen oder Zusatzleistungen zur Kinderbetreuung oder zu Sportangeboten denken, durch die man sich häufig ohne nennenswerten Verwaltungsaufwand als attraktiver Arbeitgeber positionieren kann. Insgesamt gilt: Zufriedene Mitarbeiter sind treue Mitarbeiter und weniger anfällig für Abwerbeversuche.
Martin Biebl ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Beiten Burkhardt in München. Er berät unter anderem in den Branchen Medien, Gesundheit und Produktion. Zu seinen Beratungsschwerpunkten gehören neben der Begleitung von Betriebsänderungen und Restrukturierungen auch die Beratung von Arbeitgebern bei Vertragsverhandlungen sowie die Einführung von Instrumenten zur Bindung von Mitarbeitern beispielsweise durch Aktienoptionsprogramme.
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2018 M12 6
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