Jurastudium nicht abgeschlossen

Diese Optionen haben Stu­di­en­ab­b­re­cher

von Sabine OlschnerLesedauer: 4 Minuten

Manche können nicht mehr, andere wollen nicht mehr: Viele brechen ihr Jurastudium vor dem Abschluss ab. Welche beruflichen Alternativen haben sie?

Die Gründe, aus denen sich jemand dazu entscheidet, das Jurastudium nicht fortzusetzen, sind vielfältig und individuell: fehlendes Interesse an der Materie "Recht", eine falsche Vorstellung vom Studium, zu schlechte Ergebnisse bei den Klausuren, ein hoher Leistungsdruck, die Angst, zu versagen. Je nach Dauer des bisherigen Jurastudiums haben Studierende die Zeit an der Uni aber vielleicht nicht umsonst verbracht: Auch mit "ein bisschen Jura-Wissen" sind Studienabbrecher:innen für so manchen Arbeitgeber interessant. Zumindest wenn sie bereit sind, sich in andere Richtungen weiterzuentwickeln.

Klar ist: Allein ein oder zwei Semester Jura reichen nicht aus. "Man sollte schon ein Grundverständnis vom Rechtssystem haben und den Grundregelkatalog von Zivilrecht, Strafrecht und Öffentlichem Recht verstanden haben – das ist im Regelfall frühestens nach vier Semestern der Fall", sagt Dr. Andreas Stadler, Geschäftsführer von clients&candidates, einer Personalberatung, die sich auf die Vermittlung von Juristen spezialisiert hat. Dr. Katrin Bayerle, Akademische Oberrätin im Bereich Examenstraining an der Ludwig-Maximilians-Universität München, rät, mindestens den großen Schein im fünften Semester zu absolvieren oder sogar den Schwerpunkt vor dem Examen abzuschließen. "Damit hat man mehr Möglichkeiten, sich anderweitig zu orientieren."

Wer sich erst nach Bestehen des ersten juristischen Examens entschließt, sich umzuorientieren, kann den Titel "Diplomjurist" beantragen. Typische Arbeitgeber für Diplomjurist:innen sind Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Versicherungen oder Unternehmensberatungen. Aber auch ohne zweites Staatsexamen kann man in Kanzleien arbeiten, etwa als Legal Consultant.

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Auf einen Bachelorstudiengang umsteigen

Auch andere akademische Abschlüsse sind Optionen: Ist das Interesse an juristischen Themen weiterhin vorhanden, besteht die Möglichkeit, vom Jurastudium mit Abschluss Staatsexamen in ein Bachelorstudium mit Jurabezug, zum Beispiel Wirtschaftsrecht, zu wechseln. Im Bachelorstudium ist der Leistungsdruck niedriger als im Examensstudium. "Das Gute ist, dass man sich für den Bachelor in der Regel Leistungen aus dem bisherigen Studium als ECTS-Punkte anrechnen lassen kann", erklärt Bayerle.

Das Gleiche gilt übrigens auch für Studiengänge, die Bestandteile aus den Rechtswissenschaften enthalten, zum Beispiel Volks- oder Betriebswirtschaftslehre, Politik oder Journalismus. Selbst wenn man nicht allzu viele ECTS-Punkte herausholen kann, hilft oft das Grundverständnis von Jura, in einem anderen Studiengang notwendige Jura-Scheine leichter zu erwerben. "Wenn man den praktischen Aspekt schätzt, kann man den Bachelor sogar als duales Studium absolvieren", weiß Franca Sübai, die bei Legalhead, einer Job-Matching-Plattform für den juristischen Bereich, für den Bereich Talentmarketing und Unternehmenskooperationen mitverantwortlich ist.

"Bachelor-Absolventen und -Absolventinnen in Recht sind mittlerweile selbst für Top-Kanzleien interessant, wo sie als ,Support Lawyer’ oder ,Projekt-Lawyer'" eingesetzt werden", berichtet Personalberater Stadler. "Es gibt gar Sozietäten, die Wirtschaftsjuristen als "normale" Associates nach außen führen und eine Karriere bis zur Counselposition anbieten. Nur eine Partnerschaft ist in der Regel ausgeschlossen", ergänzt er. Syndikusanwält:innen in Unternehmen haben im Regelfall beide Examina absolviert. "Aber ohne Staatsexamen kann man sich auch auf Rechtsbereiche wie Datenschutz oder Compliance spezialisieren", sagt Stadler. Auch darf man beraten, nur der Auftritt vor Gericht ist Volljurist:innen vorbehalten.

Ausbildung mit Rechtsbezug

Wer nicht mehr studieren möchte, kann eine Ausbildung mit rechtlichem Bezug absolvieren. Rechtsanwalts-, Patentanwalts-, Notar-, Steuer- oder Verwaltungsfachangestellte sind gefragte Fachkräfte in Kanzleien, Unternehmen und Behörden. "Vielerorts sind sie stärker gesucht als Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte", sagt Bayerle. Das im Studium erlernte Wissen kann während der Ausbildung einen großen Vorteil bieten.

Auch Rechtspfleger:innen bei Gericht benötigen kein Juraexamen, um ihren Beruf auszuüben. "Für Studienabbrecher:innen, die sich gegen ein Jurastudium entscheiden, weil sie eine stärkere Affinität zu technischen Themen haben, bietet zudem die Legal-Tech-Branche viele Möglichkeiten", fügt Sübai hinzu. Hier können ehemalige Jurastudierende ihre Arbeitgeber beispielsweise bei der Entwicklung rechtlicher Softwarelösungen oder beim Einsatz von künstlicher Intelligenz im Bereich Legal-Operations unterstützen.

Zwei weitere beliebte Arbeitsbereiche sind die Strafverfolgung und der Justizvollzug. "Die Anforderungen des Auswahlprozesses variieren von Bundesland zu Bundesland, in den meisten Fällen ist jedoch eine zusätzliche spezielle polizeiliche Ausbildung erforderlich", erklärt Sübai. "Dennoch stellen juristische Vorkenntnisse oder möglicherweise ein bestandenes erstes Staatsexamen eine ausgezeichnete Grundlage für eine Karriere bei der Polizei oder im Justizvollzug dar, da die Beschäftigten rechtliches Wissen und Verhandlungsgeschick mitbringen."

Softskills aus dem Jurastudium nutzen

Verhandlungsgeschick ist nur eine der "weichen" Qualifikationen, die Jurastudierende aus dem Studium mitnehmen. Bayerle nennt weitere Softskills, die für viele Arbeitgeber interessant sind: "Im Jurastudium lernt man, strukturiert und organisiert zu denken, und entwickelt ein hohes Problembewusstsein – man ist also für potenzielle Risiken sensibilisiert. Außerdem eignet man sich durch die Beschäftigung mit den verschiedensten rechtlichen Fragestellungen ein breites Allgemeinwissen an."

Grundsätzlich stellt sich für viele im Laufe des Studiums die Frage: Durchbeißen oder die Reißleine ziehen? Stadler empfiehlt, schon in den ersten beiden Semestern genau hinzuschauen, ob man Freude an der speziellen Materie Recht hat. "Ohne Spaß am Thema kann das Studium und natürlich auch das spätere Arbeitsleben extrem anstrengend werden."

Bayerle plädiert dafür, sich frühzeitig Hilfe zu holen und Beratung in Anspruch zu nehmen, um in Ruhe einen Plan B zu erstellen. "Ist der Leidensdruck schon sehr hoch, ist es wahrscheinlich besser, abzubrechen. Wer hingegen nur mal eine schlechte Note schreibt, kann es weiterversuchen", lautet die Faustformel der Akademischen Oberrätin. Sie weiß auch: "Der Abschied vom geplanten Lebensweg ist für alle eine schwere Entscheidung." Aber neben der Karriere als Volljurist:in gibt es noch viele weitere Optionen.

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