2/2: Kirchensteuer deckt bis zu 85 Prozent des kirchlichen Haushalts
Im 19. Jahrhundert konnte die "von ihrer materiellen und politischen Last befreite Kirche …sich besser und auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden" (Papst Benedikt XVI, Freiburger Predigt 2011), jedoch reichten die nach der Säkularisation verbliebenen materiellen Mittel für den Aufbruch in das Industriezeitalter nicht aus.
Dies führte (1875 in Preußen) gegen anfänglichen Widerstand der Kirche zur Einführung einer staatlichen (Kirchen-)Steuer, mit der letztlich die Gläubigen an einem Schadensausgleich für die Säkularisationsverluste beteiligt wurden. Sie fließt dem Bistum als Körperschaft des öffentlichen Rechts, nicht dem Bischöflichen Stuhl zu, und deckt bis zu 85 Prozent des Haushalts. Die Dotationen erreichen demgegenüber in den einzelnen teilkirchlichen Haushalten kaum mehr als zwei bis drei Prozent.
Schon diese Relation legt es nahe, die Zukunft der Dotationen zu bedenken, zumal hierfür eine verfassungsrechtliche Leitlinie besteht, die vor beinahe 100 Jahren mit der Weimarer Reichsverfassung (1919) begann. Nach Art. 138 Abs. 2 WRV, 140 GG, 21 NRW.LV können "die den Kirchen oder den Religionsgemeinschaften gemäß Gesetz, Vertrag oder anderen Rechtstiteln zustehenden Leistungen des Staates, der politischen Gemeinden oder Gemeindeverbände nur durch Vereinbarungen abgelöst werden", die der Bestätigung durch Landesgesetz bedürfen. Die vorgenannten Verfassungsnormen verbieten also eine Zahlungseinstellung, verlangen vielmehr eine Ablösung, das heißt eine Aufhebung gegen Entschädigung, auf vertraglicher Grundlage.
Jede "ewige Rente" verliert an Akzeptanz
Das Motiv ist nicht nur auf religionspolitischem Feld, etwa dem Interesse an einer "schiedlich-friedlichen Trennung" von Kirchen und Staat, zu suchen. Jede "ewige Rente" verliert im Laufe der Zeit an Akzeptanz, mag der angerichtete Schaden auch noch so groß gewesen sein. Die historischen und aktuellen Rechtsgrundlagen dieser Ansprüche sind heute im Wesentlichen unstreitig. Gleichwohl ist die Erschließung des Verhandlungsobjekts ungewöhnlich schwierig. Außer Betracht bleiben von vornherein Zuschussleistungen, die der Staat in vielfältiger Weise für kirchliches Engagement auf dem Gebiet von Erziehung, Bildung, medizinischer Versorgung und sozialen Diensten erbringt, erst recht die Aufrechterhaltung der Kirchensteuer.
Hauptsächlich geht es um die Ablösung von Personalkostenzuschüssen und von Baulasten für Kirchengebäude und Pfarrhäuser. Freilich ist längst bekannt, dass eine Ersetzung des vollen wirtschaftlichen Wertes der Dotationen vermutlich über die Leistungsfähigkeit des Staates hinausginge. Ein vertragliches Einvernehmen wird daher von beiden Seiten ein hohes Maß an Verhandlungsgeschick verlangen.
Am ehesten bieten sich Teilvereinbarungen oder die Einbeziehung in globale Zuschussregelungen der Konkordate und Kirchenverträge an. Im Vertragskirchenrecht von Hessen und der östlichen Bundesländer gibt es hierfür Anregungen. Nach Grund und Höhe losgelöst von historisch begründeten Schadensersatzansprüchen, ist die Förderung von Religionsgemeinschaften Ausdruck einer positiven Neutralität (so Bundesverfassungsgericht, Urt. v. 24.09.2003, Az. 2 BvR 1436/02, BVerfGE 108, 282 [300]), die auch den eigenen ethischen Grundlagen des Staates zugutekommt.
Prof. Dr. Manfred Baldus ist Honorarprofessor für Kirchenrecht und Bildungsrecht am Institut für Kirchenrecht und rheinische Kirchenrechtsgeschichte der Universität zu Köln und Vorsitzender Richter am Landgericht Köln a.D.
Staatsleistungen an die Kirche: . In: Legal Tribune Online, 31.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9931 (abgerufen am: 15.11.2024 )
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