Der Fall des Limburger Bischofs Tebartz-van Elst hat die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Vermögensverhältnisse der katholischen Kirche in Deutschland gelenkt. Dabei ist auch die Rede von Staatsleistungen, die seit langem von den deutschen Ländern an die Kirche erbracht werden. Die historischen Gründe dieser Zahlungen und die Möglichkeiten ihrer Einstellung erläutert Manfred Baldus.
Die stetig schwelende Debatte um Staatsleistungen (nicht nur) an die katholische Kirche, hat im Zuge der Limburger Affäre erneut an Fahrt gewonnen. Am Beispiel der sogenannten Dotationen zugunsten der katholischen Bistümer sollen die heutige Rechtslage und ihre historischen Wurzeln erläutert werden.
Über Jahrhunderte hinweg wurden Ämter und andere Einrichtungen in den Diözesen vorwiegend aus den Erträgnissen von Liegenschaften finanziert. Dieses Konzept machte die Kirche weitgehend unabhängig von der Gunst weltlicher Herren und der Spendenfreudigkeit der Gläubigen. Die sogenannten Benefizien (bepfründete, das heißt mit einer Vermögensmasse ausgestattete Ämter) waren auch im staatlichen Recht anerkannte, eigenständige juristische Personen.
Die Verwendung ihrer Erträgnisse wurde durch Zweckbindung stiftungsähnlich kanalisiert, so im Bereich der Pfarreien der Fabrikfonds für die Erhaltung des Kirchengebäudes, der Pfründe (Präbende) für den Unterhalt des Pfarrers, der Vikariefonds für den Hilfsgeistlichen, der Armenfonds und der Schulfonds. Auch das Benefizium des Bischofs, der sogenannte Bischöfliche Stuhl, war aufgespalten, etwa für den Bedarf des Bischofs, der Kultus- und Baukosten, des Klerus und der Armen. Für den zu seiner Diözese gehörigen Klerus hatte der Bischof zu sorgen, wenn nicht andere Einkünfte verfügbar waren. Ähnliche Benefizien bestanden unter anderem für das Domkapitel und seine Mitglieder, die Domkirche und das Priesterseminar.
Der Reichsdeputationshauptschluss und die große Enteignung
Dieses (hier nur grob skizzierte) System, das durch weitere Einkünfte zum Beispiel aus dem Zehnten sowie aus Gebühren und Baulasten ergänzt wurde, brach in Deutschland zusammen, als der Ewige Reichstag im Jahre 1803 im sogenannten Reichsdeputationshauptschluss (RDHS) unter anderem die Aufhebung aller geistlichen Fürstentümer, Bistümer, Klöster und Stifte und die Einziehung ihres Vermögens verfügte. Verschont blieb – und auch hier nur in bestimmten Grenzen - das Vermögen der Pfarreien. Allein im rechtsrheinischen Teil des Erzbistums Köln entgingen von 141 Klöstern und Stiften nur sieben der sogenannten Säkularisation.
Dieser "Griff des Staates nach der Kirche", mit dem zunächst nur weltliche Fürsten für Gebietsverluste aus den französischen Revolutionskriegen entschädigt werden sollten, erwies sich bald als willkommenes Geschenk zur Entlastung der Staatsfinanzen, zumal die mit der Erfassung des Kirchengutes beauftragten Staatskommissare die Güter der Bischöfe und der Klöster durchweg in einem wirtschaftlich guten Erhaltungszustand vorfanden.
Nach den Befreiungskriegen und dem Wiener Kongress (1814/15) erfolgte der Wiederaufbau der Bistumsorganisation in Verhandlungen des Heiligen Stuhles mit den Landesherren, die bestrebt waren, die Diözesen auf die jeweiligen Landesgrenzen festzulegen. Das Ergebnis waren päpstliche Erlasse (sogenannte Zirkumskriptionsbullen), die in den staatlichen Gesetzblättern veröffentlicht wurden (so für Preußen die Bulle "De salute animarum" von 1821) und damit auch für den weltlichen Rechtskreis Geltung erlangten.
Staatliche Rente als Kompensation
Die mit der Neuorganisation entstehenden Bistümer waren wegen der vorausgegangenen Einziehung des Kirchenguts mittellos. Da § 35 RDHS den Landesherren die "feste und bleibende Ausstattung der Domkirchen" auferlegt hatte, sehen die erwähnten Bullen vor, dass der Staat den Finanzbedarf unter anderem für bestimmte diözesane Amtsträger (Bischof, Domkapitulare) bis zu einer bestimmten Höhe durch rentenähnliche Zuwendungen (Dotationen) an das jeweilige Benefizium, zum Beispiel den Bischöflichen Stuhl, ausgleicht.
So waren für den Erzbischöflichen Stuhl von Köln 12.000 und für den Dompropst 2.000 Preußische Thaler jährlich vorgesehen. Dieser Versuch eines partiellen Ausgleichs von Säkularisationsverlusten wurde ergänzt durch Verbindlichkeiten, die sich aus Haftungsübergang bei Gesamtrechtsnachfolge (später § 419 Bürgerliches Gesetzbuch alter Fassung), zum Beispiel des Staates in das Vermögen eines aufgehobenen Klosters, ergaben.
In verfassungsrechtlicher Sicht ist der beschriebene Anspruch auf Dotationen Teil des Kirchenvermögens, dessen Erhalt in § 63 RDHS, Art. 140 Grundgesetz (GG), 138 Abs. 2 Weimarer Reichsverfassung (WRV) und auch im Landesrecht (zum Beispiel Art. 22 Landesverfassung Nordrhein-Westfalen (NRW.LV)) gewährleistet ist. Eine entsprechende vertragskirchenrechtliche Absicherung findet sich im Konkordatsrecht (zum Beispiel Art. 4 Preußisches Konkordat 1929).
Dort ist zur Höhe eine Anpassung der Dotationen an die Aufwendungen des Staates "für vergleichbare persönliche und sachliche Zwecke" vereinbart. Dies bedeutete unter anderem eine Orientierung an bestimmten staatlichen Beamtengehältern. Übrigens sind auch Dotationen zugunsten der evangelischen Kirchen (zum Beispiel Art. 5 Preußischer Kirchenvertrag 1931: "Dotation der Kirchen für kirchenregimentliche Zwecke"), des altkatholischen Bischofs und der jüdischen Kultusgemeinden vorgesehen.
Staatsleistungen an die Kirche: . In: Legal Tribune Online, 31.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9931 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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