Thomas Fischer kritisiert Strafnormen von Diebstahl und Erpressung. Außerdem in der Presseschau: Gesetzentwurf zur Stellung von Syndikusanwälten erarbeitet, EuGH zu Insiderinformationen bei Aktiendeals, BGH zu Besitzdiener, BGH untersagt Testamentvollstreckervermerk auf Gesellschafterlisten und wie einem Häftling die Gefängnisflucht per Mail gelang.
Thema des Tages
Thomas Fischer zu Diebstahl und Raub: In seiner wöchentlichen Kolumne auf zeit.de stellt der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Thomas Fischer diese Woche die Strafnormen zum Diebstahl und Raub vor und erläutert die dazugehörige Rechtsprechung. Seiner Ansicht nach ist die Gesetzgebung verfehlt und die entsprechende Rechtsprechung ein untauglicher Reparaturversuch: "Wir haben im Bereich von Diebstahl und Raub (und räuberischer Erpressung), also einem Kernbereich unseres Strafgesetzes, ein Wirrwarr von Unklarheiten geschaffen, das einem die Tränen in die Augen treibt. Es gibt Regeln, Sonderregeln, Ausnahmeregeln, Ausnahmen von den Ausnahmen und Sonderausnahmen von Sonderausnahmen."
Rechtspolitik
Syndikusanwälte: Der FAZ (Joachim Jahn) liegt der Gesetzentwurf des Justizministers Heiko Maas (SPD) zur rechtliche Stellung von Syndikusanwälten vor. Wie von den Unternehmensjuristen gefordert, sollen diese künftig von der Rentenversicherungspflicht befreit sein und in ihre eigenen Versorgungswerke einzahlen können. Allerdings soll das Vertretungsverbot bei Gerichtsverfahren mit Anwaltszwang aufrechterhalten werden und die strafprozessrechtlichen Privilegien des Beschlagnahmeverbots und Zeugnisverweigerungsrechts nicht gelten.
Justiz
EuGH zu Insiderinformation: Rechtsanwalt Martin Ritzer stellt in der FAZ das "Lafonta-Urteil" des Europäischen Gerichtshofs vom 11. März dieses Jahres vor. Das Gericht hat entschieden, dass eine geplante größere Unternehmensbeteiligung als eine Insiderinformation im Sinne des Weltpapierhandelsgesetzes gilt, über die die Öffentlichkeit unverzüglich informiert werden muss. Zur Einordnung des Urteils erläutert der Autor den Begriff der Insiderinformation, die Rechtsfigur des "verständigen Anlegers" und die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
BVerfG - Presseempfang: Die FAZ (Joachim Jahn) fasst in einem kurzen Beitrag die Themen des diesjährigen Presseempfangs beim Bundesverfassungsgericht zusammen. Noch dieses Jahr sei mit der mündlichen Verhandlung zum Atomausstieg zu rechnen. Zudem habe das Gericht bedauert, dass die Politik die Bemühungen des Gerichts um Entlastung bisher nicht aufgegriffen habe; auf Dauer sei die Belastung nicht zu bewältigen.
BVerfG zum Kopftuchverbot: Den Kopftuch-Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts bespricht Jost-B. Schrooten auf juwiss.de und geht dabei insbesondere auf das Neutralitätsgebot und die dogmatischen Fragen der Abwägung von mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen ein. Rechtsprofessor Hans Michael Heinig geht für verfassungsblog.de der Frage nach, ob der Erste Senat eine Plenarentscheidung hätte erwirken müssen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass der Erste Senat von einem tragenden Rechtsgrund für das Kopftuch-Urteil des Zweiten Senats aus dem Jahr 2003 abgewichen ist, sodass das Plenum hätte befasst werden müssen.
BGH zu Testamentvollstreckervermerk: Der Bundesgerichtshof hat in einem am gestrigen Dienstag veröffentlichten Beschluss vom 24. Februar 2015 entschieden, dass ein Testamentsvollstreckervermerk auf der Gesellschafterliste unzulässig ist; die mit einem solchen Vermerk versehene Gesellschafterliste darf vom Registergericht abgelehnt werden. Für Zusatzangaben auf der Liste müsse ein erhebliches praktisches Bedürfnis bestehen, was die Richter im Fall des Testamentsvollstreckervermerks nicht gegeben sahen, erklärt Rechtsprofessor Ulrich Noack auf dem Handelsblatt-Rechtsboard.
BGH zu Besitz: Ein ehemaliger Geschäftsführer einer Bezirkszahnärztekammer wollte die Herausgabe von vormals unterschlagenem Altzahngoldes an sich selbst erreichen und musste hierfür seinen Besitz an dem Gold vor der Beschlagnahme nachweisen. Da das Gold aber in den Räumlichkeiten der Ärztekammer gelagert worden war, ist er vor dem Bundesgerichtshof mit seinem Vorbringen gescheitert. Wie die FAZ (Joachim Jahn) meldet, hat der BGH in dem Fall entschieden, dass er als leitender Angestellter Besitzdiener seines Arbeitgebers war, selbst wenn er die Schlüsselgewalt über den Raum innegehabt habe, in dem das Gold gelagert worden war.
LG Dresden - Kannibalen-Mord: spiegel.de (Gisela Friedrichsen) berichtet von den Plädoyers der Verteidigung und Staatsanwaltschaft in einem Mordfall vor dem Landgericht Dresden. Ein ehemaliger Mitarbeiter des Landeskriminalsamtes soll in seiner Pension einen Mann getötet und zerstückelt haben, den er in einem Kannibalen-Forum kennen gelernt habe. Dieser solle ihn um seine Tötung gebeten haben. Es habe sich nicht aufklären lassen können, ob das Opfer oder der Angeklagte für die Tötung verantwortlich gewesen war.
LG Stuttgart zu Kofferleichenmord: Das Landgericht Stuttgart hat den Angeklagten im Prozess um die Stuttgarter Kofferleichen wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt, meldet spiegel.de. Der Mann soll im Alkoholrausch seine beiden Begleiter getötet und in zwei Koffern im Stuttgarter Schlossgarten deponiert haben. Der Verteidiger des Angeklagten habe Revision angekündigt.
Peter Gauweiler: Nachdem Peter Gauweiler (CSU) am gestrigen Dienstag angekündigt hat sein Bundestagsmandat niederzulegen und sich von der CSU-Parteispitze zurückzuziehen, wird er unter anderem von der FAZ (Joachim Jahn), der SZ (Sebastian Beck u.a.) und zeit.de (Katharina Schuler) porträtiert. Unter den Bundestagsabgeordneten habe der Jurist sich durch zahlreiche Abwesenheitstage und die höchsten Nebeneinkünfte zu seinem Bundestagsmandat ausgezeichnet. Seine Kanzlei in München habe zahlreiche aufsehenerregende Prozesse, unter anderem im Fall Leo Kirch, geführt; daneben habe er die Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die EU-Rettungsmaßnahmen angestrengt.
Recht in der Welt
IStGH - Israel/Palästina: Am heutigen Mittwoch wird Palästina dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag beitreten. Wie die FAZ (Hans-Christian Rößler) schildert, stellen palästinensische Juristen Material für ein mögliches Verfahren gegen Israel wegen der Gaza-Operation von 2014 zusammen. Die Chefanklägerin Fatou Bensouda habe bereits im Januar mit den Vorermittlungen begonnen. Falls es zu einem formellen Ermittlungsverfahren und Hauptverfahren kommen sollte, müsse auch völkerrechtlich beantwortet werden, ob Palästina ein Staat ist. Zudem seien ebenfalls Ermittlungen gegen palästinensische Gruppen wegen Kriegsverbrechen möglich.
IStGH - Dominic Ongwen: Die Welt (Christian Putsch) schildert den Fall des vor dem Internationalen Strafgerichtshof wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlickeit angeklagten Dominic Ongwen. Dem Befehlshaber der christilichen Terrorgruppe LRA wird die Beteiligung an mehreren Massentötungen in Uganda vorgeworfen. Ongwen sei selbst im Alter von zehn Jahren durch die Milizen der LRA entführt und als Kindersoldat eingesetzt worden.
Todesstrafe: Amnesty International hat am gestrigen Dienstag den Jahresbericht 2014 über die Todesstrafe veröffentlich, berichtet die FAZ (Stefan Tomik). Die vollzogenen Hinrichtungen seien zurückgegangen, während die Verurteilungen zugenommen haben. Die Todesstrafe werde noch in 22 Ländern verhängt. Christian Bommarius (Berliner Zeitung) kritisiert insbesondere die Ausübung der Todesstrafe in den USA, die sich damit als letzte westliche Demokratie die Barbarei gestatten würden.
Ukraine - Majdanermittlungen: Die vom Generalsekretär des Europarats eingesetzte Beratergruppe zur juristischen Aufarbeitung der Majdan-Todesfälle vom Februar letzten Jahres in der Ukraine hat am gestrigen Dienstag einen Bericht vorgelegt. Die FAZ (Konrad Schuller) stellt die Ergebnisse in einem ausführlichen Beitrag vor. Der Bericht komme zu dem Ergebnis, dass die ukrainischen Behörden die Ermittlungen des Generalstaatsanwalts behindern würden, wofür einige Beispiele genannt werden.
Sonstiges
Mindestlohn und Steuerberater: Nora Schmidt-Kesseler führt im Recht-und-Steuern-Teil der FAZ aus, wie sich das Mindestlohngesetz auf die Steuerberaterpraxis auswirkt. Wegen eines Verweises in das Arbeitnehmerentsendegesetz, der auch die Haftungsregelung erfasst, verlangten manchen Kunden von ihren Steuerberatern den Nachweis über die Einhaltung des Mindestlohngesetzes. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seien von der Durchgriffshaftung aber nur sogenannte Generalunternehmer erfasst, sodass eine solche Bestätigung entbehrlich sei.
Sozialversicherung: Zum 200. Geburtstag von Otto von Bismarck erinnert der ehemalige Arbeitsminister Norbert Blüm in der SZ an die Schaffung der Sozialversicherung durch den ehemaligen Reichskanzler, der damit die Grundsteine für den heutigen Sozialstaat gelegt habe. Das deutsche Modell der beitragsfinanzierten Sozialversicherung enthalte ein emanzipatorischen Element, denn die Leistung sei selbst verdient; zudem schaffe es eine Verbindung zwischen den Generationen.
Das Letzte zum Schluss
Digitale Gefängnisflucht: justillon.de (Stephan Weinberger) schildert einen Fall aus Großbritannien, bei dem es einem Häftling gelungen ist, mittels einer E-Mail seine eigene Entlassung zu bewirken. Hierfür habe er eine der amtlichen Adresse täuschen ähnliche E-Mailadresse angelegt und von dieser aus gefälschte Entlassungspapiere an seine Aufseher verschickt. Der Trick habe funktioniert, doch habe sich der Mann nach drei Tagen auf der Flucht gestellt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 1. April 2015: Thomas Fischer über Diebstahl und Raub – Gesetzentwurf zu Syndikusanwälten – Gefängnisflucht per Mail . In: Legal Tribune Online, 01.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15121/ (abgerufen am: 03.07.2024 )
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