Ist die Begrenzung der Banker-Boni rechtmäßig? Der EuGH beginnt mit dem Verfahren zur Klärung dieser Frage nach Vorlage von Großbritannien. Außerdem in der Presseschau: Verschärfung der Regelung zur strafbefreienden Selbstanzeige geplant, Streit um den Streitwert an den Arbeitsgerichten, das BVerfG befasst sich mit der Grundrechtskonformität der "Mindestbesteuerung" und wie ein Hobbydetektiv Jack the Ripper identifizierte.
Thema des Tages
Großbritannien legt dem EuGH Boni-Regelung vor: Nach der Finanzkrise beschloss die Europäische Union eine Beschränkung der Boni von Mitarbeitern von Banken und Investmentfirmen. Die EU reagierte darauf, dass durch hohe Boni gesetzte Anreize zu mehr Risikobereitschaft bei Investitionen und somit zur Krise beitrugen. Nach besagter Regelung dürfen diese Sonderzahlungen das Grundgehalt nicht übersteigen. Nur in Ausnahmefällen kann ein Bonus das zweifache des Jahreseinkommens betragen, wenn die Aktionäre dies bewilligen. Großbritannien stellt nun die Verhältnismäßigkeit dieser Regelung und deren Konformität mit EU-Recht in Frage. Am gestrigen Montag begann das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof. Dies berichten die SZ (Markus Zydra) und die Badische Zeitung (Christian Rath).
Auch der EU-Binnenmarkt-Kommissar Michel Barnier befasst sich mit der Boni-Beschränkung. Die Boni-Regelung kann unter anderem durch die Erhöhung des Grundgehalts der Banker umgangen werden – dies möchte Barnier verhindern. In den Fokus gerieten hier insbesondere Investmentbanken in London, so Ruth Berschens (Handelsblatt) und Hendrik Kafsack (FAZ) – mit der Prüfung dieser Vorgänge ist nun die EU-Bankenaufsicht betraut. Markus Zydra (SZ) verweist auch auf einen Alternativplan der britischen Bankenaufsicht zur Boni-Regelung, der eine flexible Ausschüttung von Boni vorsehe: Durch zeitlich verzögerte Zahlungen solle verhindert werden, dass Banker nur auf kurzfristige Erfolge hinarbeiten. Michael Maisch (Handelsblatt) sieht, wie die EU, in hohen Boni das Problem der ebenso erhöhten Risikobereitschaft von Investoren. Er sieht jedoch auch in dem Vorgehen der EU einen Beitrag zu den genannten Umgehungsstrategien der Banken. Auch, wenn er es nicht gut heißt, dass einige Geldhäuser die EU-Regeln untergraben, hält er ihnen doch zugute, dass die Zahlung von erfolgsabhängigen Boni mehr zur Stabilität einer Bank beiträgt, als die Vereinbarung starrer Gehälter. Diese bieten, laut Maisch, in schwachen Phasen kaum Spielraum für flexible Anpassungen der Auszahlungen.
Rechtspolitik
Referentenentwurf – Strafbefreiende Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung: Michael Sell (Handelsblatt) stellt knapp die geplanten Verschärfungen im Rahmen der Steuerhinterziehung vor. Ab dem 1. Januar 2015 soll die Verjährungsfrist für Steuerhinterziehung zehn Jahre betragen. Bei schwerer Steuerhinterziehung sollen die Zuschläge für die Rückzahlung der noch zu entrichtenden Steuern steigen.
Bayern – Gesetzentwurf gegen kalte Steuerprogression: Kalte Steuerprogression bedeutet für viele Arbeitnehmer, dass trotz einer Gehaltserhöhung weniger Nettogehalt übrig bleibt. Aufgrund der Zulage besteht die Gefahr in eine höhere Steuerklasse zu rutschen und dementsprechend mehr Abzüge leisten zu müssen. Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) möchte dem nun entgegen wirken und hat einen entsprechenden Gesetzentwurf angekündigt, berichtet handelsblatt.com.
Asylrechtsänderung: Christian Rath (taz) stellt in seinem Kommentar fest, dass der derzeitige Gesetzentwurf zum Asylrecht aus verschiedenen Gründen kaum etwas an der derzeitigen Behandlung der betroffenen Asylsuchenden ändern würde. Um im Rahmen der Einzelfallbetrachtungen einer Entrechtung der Flüchtlinge, insbesondere der Roma, vorzubeugen, wäre eine gerichtliche Feststellung der politischen Verfolgung hilfreich. Zu einer Stärkung der Rechte könne der Vorschlag der Grünen beitragen, der einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt und zu medizinischer Versorgung vorsieht.
Reformierung der Hochschulorganisation: In einem Gastbeitrag in der SZ bezieht der Professor für Biochemie Werner Müller-Esterl Stellung zum Gesetzentwurf der nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD). Das "Hochschulzukunftsgesetz" soll der Landesregierung in verschiedenen Angelegenheiten der Universitäten – Fächerangebot, Finanzen, Personal – wieder mehr Rechte einräumen. Müller-Esterl zeichnet die historische Entwicklung der Hochschulen seit den Achtzigerjahren nach und kommt zu dem Schluss, dass eine Profilierung der Landesregierung in Hochschulfragen der Wissenschaft bereits früher geschadet hat und wieder schaden wird.
"Streit über die Streitwerte" vor Arbeitsgerichten: Der neue Streitwertkatalog für arbeitsgerichtliche Verfahren wurde eingeführt, um den unterschiedlichen Wertansätzen in verschiedenen Landesarbeitsgerichtsbezirken entgegen zu wirken. Es wird ein Einheit bei Gerichts- und Anwaltskosten angestrebt. Wolfgang Albin (Handelsblatt) erläutert die Kritik von Gewerkschaften, Anwälten und Arbeitgebern an dem neuen Streitwertkatalog. Denn, obwohl eine einheitliche Regelung wohl zu begrüßen ist, sehen sich besagte Gruppen in monetärer Hinsicht nicht ausreichend vertreten. Sie vermuten, dass es daran liegt, dass die Streitwertkommission ausschließlich aus Richtern besteht.
Justiz
BVerfG – "Mindestbesteuerung": Durch die sogenannte Mindestbesteuerung sind die Beträge bei der Verlustübertragung in andere Jahre bei Einkommens-, Körperschafts- und Gewerbesteuer im Rahmen des Verlustrück- und vortrags beschränkt. Der Bundesfinanzhof hat ein Normenkontrollverfahren beim Bundesverfassungsgericht eingeleitet, um klären zu lassen, ob Abzugsbeschränkungen auch dann verfassungskonform sind, wenn der Abzug der Verluste gänzlich ausgeschlossen ist, berichtet das Handelsblatt (Marko Wieczorek). Ebenso liegt dem BVerfG eine diesbezügliche Verfassungsbeschwerde vor.
OLG Düsseldorf – "Salafisten-Prozess": Der Strafprozess gegen Marco G., Enea B., Koray D. und Tayfun S. wegen versuchten Mordes an Markus Beisicht, dem Vorsitzenden von Pro NRW, begann am gestrigen Montag vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf. Im Verfahren soll auch geklärt werden, ob Marco G. tatsächlich einen "Sprengstoffanschlag" verüben wollte oder, ob es sich bei der vermeintlichen Bombe lediglich um eine Attrappe handelte. Der erste Prozesstag verzögerte sich wegen eines zu Beginn eingereichten Befangenheitsantrags der Verteidigung, konnte allerdings mit der Anklageverlesung beendet werden. Es berichten taz (Anja Krüger), SZ (Annette Ramelsberger), FAZ (Reiner Burger), FR-Online.de.
BGH zu ungleichartigen Wahlfeststellung: Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs stellte in einem Beschluss vom 28. Januar 2014 die Verfassungsmäßigkeit der richterrechtlichen Praxis der ungleichartigen Wahlfeststellung in Frage. Rechtsprofessor Georg Freund beschreibt anhand eines Beispiels für lto.de, weshalb er diesen Entschluss des Senats für richtig erachtet. Er geht in diesem Kontext insbesondere auf die ablehnende Antwort des 5. Strafsenats des BGH ein, welcher besagte Wahlfeststellung für verfassungskonform erachtet. Freund konstatiert, dass Gerechtigkeitsüberlegungen niemals Gesetzlichkeitsgrundsätze aushebeln dürfen und bezieht sich insbesondere auf Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes.
Recht in der Welt auf
Schottland in EU: Rechtsprofessorin Sionaidh Douglas-Scott setzt sich in ihrem Beitrag auf verfassungsblog.de unter dem Titel "Why the EU should welcome an independent Scotland" mit der rechtlichen Beurteilung der Mitgliedschaft Schottlands in der Europäischen Union bei positivem Ausgang des Referendums auseinander. Sie geht insbesondere auf die relevanten Artikel des EU-Vertrags und auf das Rechtskonstrukt der EU ein.
Afghanistan – Todesurteil: Sophie Mühlmann (Welt) berichtet über einen Prozess in Afghanistan, in welchem die Angeklagten nach nur zweieinhalb Stunden Prozess zum Tode verurteilt worden seien. Den sieben Angeklagten wurden mehrere Vergewaltigungen sowie ein Raubüberfall gegenüber denselben Opfern zur Last gelegt. Die Kritik verschiedener Menschenrechtsgruppen an dem Urteil und die Konsequenzen eines solchen Verfahrens werden zusammengefasst dargestellt.
Sonstiges
Islambezogener Terrorismus: Reinhard Müller (FAZ) kommentiert die derzeitigen islamistischen Aktivitäten in Deutschland mit Blick auf das Grundgesetz. Als Anlass nimmt er den Prozessbeginn vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf, die Inhaftierung von drei deutschen Terrorverdächtigen der terroristischen Vereinigung al Shabaab sowie die salafistische "Scharia-Polizei" in Wuppertal. Müller stellt fest, dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung auch die Selbstabgrenzung schützt. Allerdings müsse auch die gemeinsame Grundlage geachtet werden. Eine Entfaltung könne nur im Rahmen des Grundgesetzes gewährleistet werden. Ansonsten ist es die Pflicht des Rechtsstaates einzugreifen. Das derzeitige Recht bietet, so Müller, eine ausreichende Grundlage für solche Eingriffe.
Lücken im Honorarberatungsgesetz: Julia Löffelholz (SZ) beantwortet die wichtigsten Fragen nach Inkrafttreten des Honorarberatungsgesetzes am 1. August. Sie stellt zunächst die Möglichkeiten dar, sich hinsichtlich Geldanlagen beraten zu lassen. Neu im Honorarberatungsgesetz sei die klare Benennung der Berater. So dürfe beispielsweise ein "Honorar-Anlageberater" nur auf Honorarbasis arbeiten. Dem Verbraucher solle verständlich sein, ob ein Berater nach Provision oder Gebühr bezahlt wird. Problematisch werde indes gesehen, dass etwa Honorarberater auch als Versicherungsmakler arbeiten können und damit wiederum auf Provision.
Verwechslungsgefahr bei Domainnamen: Im April 2014 entschied ein Schiedsgericht, dass die Domain "fuckcalvinklein.com" keine Verwechslungsgefahr mit der tatsächlichen Marke berge, da ein Markeninhaber keinen schmähenden Zusatz nutzen würde. Rechtsanwältin Kristin Bonhagen skizziert nun auf lto.de die Folgen für Markeninhaber und die verschiedenen Möglichkeiten der Abgrenzung von der Marke in der Domain durch Dritte. Sie setzt sich ferner mit den Rechtsschutzmöglichkeiten der Markeninhaber auseinander, insbesondere mit dem ordentlichen Rechtsweg und deutschen relevanten Anspruchsgrundlagen.
Das Letzte zum Schluss
Hobbydetektiv identifiziert Jack the Ripper: Vor 126 Jahren sorgte einer der berühmtesten Serienmörder, Jack the Ripper, mit Morden an mehreren Prostituierten für Aufsehen im London des 19. Jahrhunderts. Der Fall konnte bis heute nicht geklärt werden, jedoch wurde er trotz der langen Zeit nicht vergessen. Russel Edwards, ein Hobbydetektiv, will jetzt anhand einer DNA-Probe am Schal eines der Opfer die Identität des Mörders heraus gefunden haben, so sueddeutsche.de. Demnach hieß Jack the Ripper Aaron Kosminski. Er war bereits damals einer der Hauptverdächtigen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 9. September 2014: EuGH zu Banker-Boni – Streit um Streitwerte – "Mindestbesteuerung" vor dem BVerfG . In: Legal Tribune Online, 09.09.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13124/ (abgerufen am: 03.07.2024 )
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