Die juristische Presseschau vom 6. bis 8. April 2013: Verfassungsbeschwerde wegen Presseplätzen – EuGH und biometrischer Reisepass – Journalisten als Hilfspolizisten

08.04.2013

Weitere Themen – Justiz

Nebenkläger NSU-Prozess: Der Spiegel (Gisela Friedrichsen) setzt sich mit den Nebenkläger im NSU-Prozess auseinander. Nach der Opferrechtsreform nähmen die 71 Nebenkläger mit 49 Rechtsbeiständen im konkreten Fall nicht nur im Gerichtssaal einen prominenten Platz auf dem "Parkett" ein. Sie seien eben richtige Prozessbeteiligte mit eigenen Zielvorstellungen: vor allem Rechtsfrieden durch Aufklärung der Morde. Damit entstehe ein Zielkonflikt mit dem Senat, der nach Aussage des OLG-Präsidenten Karl Huber, "kein weiterer Untersuchungsausschuss" sei und hauptsächlich die "individuellen Strafbarkeiten der Angeklagten" zum Gegenstand habe.

NSU-Prozess/Kritik an OLG: Im Feuilleton der Samstags-SZ kritisiert Heribert Prantl das "eigensinnige Verhalten" des OLG München mit Blick auf die Forderungen nach mehr internationaler Öffentlichkeit im Prozess scharf: "In der Tat" sei die richterliche Unabhängigkeit das höchste Justiz-Gut und "Rückgrat der Dritten Gewalt". Wer unabhängig sein soll, müsse aber Kritik hören und wägen. Indes agierten die Zuständigen so, als sei die "Öffentlichkeit ein Feind oder zumindest ein Störer".

Mit scharfen Unterton wundert sich Volker Rieble (FAS), dass "alles rechtlich Relevante" in der Diskussion derer, die sich "zur Justizaufsicht berufen" fühlten, ausgeblendet würde: etwa die Pressefreiheit. In deren Kern greife indes jede "Bewertung des Berichterstattungsinteresses einer Sonderöffentlichkeit ein". "Welche Schläfrigkeit türkische Medien daran gehindert hat", bei der Platzvergabe schneller zu sein, frage auch niemand.

EuGH - biometrischem Reisepass: bild.de (Rainer Schuldt) berichtet über ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof zur Frage der Rechtmäßigkeit der von der EU vorgeschriebenen Speicherung biometrischer Daten im Reisepass. Ein Mann aus Bochum habe vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen geklagt, vertreten durch Wolfgang Nešković, Bundestagsabgeordneter und ex-Bundesrichter. Es liege ein Verstoß gegen sein "Grundrecht auf den Schutz persönlicher Daten" vor. Auch sei die EU gar nicht für die Regelung zuständig, so der Kläger laut bild.de. Die Fragen habe das Gericht an den EuGH weiter gereicht.

BVerfG – Überführung nach DNA-Test bei Verwandten: Ein vom Landgericht Osnabrück verurteilter Vergewaltiger hat gegen das Urteil Verfassungsbeschwerde eingereicht. Überführt worden war der Mann, weil Verwandte an einem Massengentest teilnahmen und "genetische Ähnlichkeiten" zum Täterprofil auffielen. Danach hatten die "Ermittler per Gerichtsbeschluss einen Gentest bei dem damals Minderjährigen" durchgeführt, wie lto.de informiert. Der Bundesgerichtshof hatte zwar im Dezember 2012 entschieden, dass dieser "Verwandtschaftsabgleich" unzulässig war, die Verurteilung jedoch nicht aufgehoben.

BVerfG – Sächsisches SchulG: Das Bundesverfassungsgericht wird sich wohl mit dem Sächsischen Schulgesetzes befassen müssen, so die Montags-taz (Thomas Gerlach). Hintergrund sei eine Schule, die ohne Erlaubnis des Kultusministeriums eine fünfte Klasse u.a. mit pensionierten Lehrkräften betreibe und dabei von der Bürgermeisterin unterstützt werde. Die Stadt hatte beim Verwaltungsgericht gegen ihre Schließung vorgehen wollen. Das Gericht legte die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des Schulgesetzes dem BVerfG vor. Es könne ein Verstoß gegen die in Art. 28 des Grundgesetzes garantierte kommunale Selbstverwaltung vorliegen, da die Kommunen zwar Schulträger seien, aber "nichts zu melden haben", bei der Entscheidung über Schulschließungen, so die taz.

BPatG zu Apple-Wischerei: Das Bundespatentgericht hat nach Klagen von Motorola und Samsung ein Apple-Patent für nichtig erklärt, berichtet ausführlich die Samstags-FAZ (Corinna Budras) (ähnlich faz.net). Das Patent sollte das Entsperren des Handy-Bildschirms durch eine Wischbewegung schützen. Dies sei jedoch, so das Gericht laut FAZ, keine Maßnahme zur Lösung eines "technischen Problems".

Ermittlungen Wulff/Groenewold: Wie die Samstags-Welt (Ulrich Exner)  berichtet, lehnt der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff das Angebot der Staatsanwaltschaft Hannover ab, das "Korruptionsverfahren" gegen Zahlung von 20.000 Euro einzustellen. Im Schriftsatz seiner Anwälte werde vielmehr die "vorbehaltlose Einstellung" gefordert. Dazu berichten auch spiegel.de (Hubert Gude/Martin U. Müller) und die Montags-FAZ (Robert von Lucius). Den Hintergrund des Verfahrens erläutert noch einmal die Montags-taz (Christian Rath). Es gehe nur noch darum, ob eine Einladung des Filmproduzenten David Groenewold zu Hotelübernachtungen "eine Vorabbelohnung für Wulffs Unterstützung" für ein Film-Projektes Groenewolds gewesen sei.

Die Montags-SZ (Hans Leyendecker/Jens Schneider) widmet dem Fall Wulff das Tagesthema und schildert u.a., wie Ermittler das Leben der Wulffs "vom Cappuccino bis zur Schönheitspflege" durchleuchtet haben. Separat listet die SZ (Hans Leyendecker) die 21 "Spurenakten" der Ermittler mit ihren Gegenständen auf. Groenewold, dessen Erfolgsgeschichte im Zuge der Ermittlungen "erst einmal ein Ende gesetzt" wurde, porträtiert die Samstags-SZ (Hans Leyendecker/Ralf Wiegand) insbesondere mit Blick auf sein Verhältnis zu Wulff.

Aus "notwendigen und richtigen" Ermittlungen sei ein Ermittlungsexzess geworden, kommentiert Heribert Prantl (Samstags-SZ). Die Staatsanwaltschaft habe "mit Zorn und Eifer" ermittelt. Herrin des Verfahrens sei sie nicht gewesen, diese Rolle habe "de facto" das Landeskriminalamt eingenommen.

Ermittlungen KZ-Aufseher: Über die von der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg eingeleiteten Ermittlungen wegen Beihilfe zum Mord gegen 50 frühere KZ-Aufseher im Lager Auschwitz-Birkenau informiert in einem Schwerpunkt die Montags-taz (Klaus Hillenbrand). Möglich seien Verurteilungen auch ohne "konkrete Mord-Beweise" überhaupt erst seit dem Urteil des Landgerichts München gegen den ehemaligen KZ-Aufseher John Demjanjuk. Dieser sei "allein aufgrund seiner Anwesenheit im Lager" wegen Beihilfe verurteilt worden, so die taz. Die Montags-FAZ (Rüdiger Soldt) berichtet ebenfalls: Die Zentralstelle habe die Namen von 50 ehemaligen SS-Angehörigen und prüfe nun, gegen wen schon ermittelt wurde oder wer bereits verurteilt ist.

LG Düsseldorf  zu Henryk Broder: Vor dem Landgericht Düsseldorf hat die 3sat-Moderatorin Tina Mendelsohn ein Unterlassungsurteil gegen den "Chef-Polemiker" Henryk Broder erwirkt, so der Focus (Alexander Wendt). Geklagt habe sie, nachdem Broder sie als unter anderem "das kleine Luder vom Lerchenberg" genannt hatte. Dem sei wiederum ein Beitrag von Mendelsohn über Broder mit einer "vorsichtig gesagt – eigenwilligen und einseitigen Darstellung" der Augstein-Broder-Debatte vorausgegangen, so der Focus.

LG Düsseldorf zu Jobcenter-Mord: Zu lebenslanger Haft verurteilt wurde Ahmed S., der im September 2012 eine Arbeitsvermittlerin in einem Neusser Jobcenter erstach. Wie die Samstags-SZ (Hans Holzhaider) berichtet, will die Verteidigung das Urteil vor dem Bundesgerichtshof anfechten. Sie hatte erfolglos auf Totschlag plädiert.

LG Hamburg – Elvis-Foto: An diesem Mittwoch treffen sich vor dem Landgericht Hamburg der Elvis-Fotograf Ed Bonja und die Agentur Getty Images. Bonja behaupte, so der Spiegel knapp, Getty nutze ein "legendäres" Elvis-Foto aus dem Jahre 1975 unrechtmäßig. Das Foto "gehöre ihm" und er habe der Agentur bislang keine Nutzungsrechte eingeräumt, so Bonja laut Spiegel.

StA Braunschweig – Anklage im Transplantationsskandal: Laut einem Bericht des Focus (Jan Philipp Hein/Kurt-Martin Mayer) steht eine erste Anklage im Organtransplantations-Skandal bevor. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig wolle in dieser Woche Anklage wegen versuchten Totschlags gegen Aiman O. erheben. Der Arzt sitze seit 3 Monaten in Untersuchungshaft und gelte als "Hauptbeschuldigter" für die "Unregelmäßigkeiten" in Regensburg und Göttingen.

Offshore-Leaks: Steuerhinterziehung sei zwar ein gemeingefährliches Übel, aber allzu sehr beeindrucken lassen solle man sich nicht von all den "Zahlen und Namen" zu den "Offshore-Leaks", findet Christian Bommarius (FR-Online.de). Seit Jahren würden Stellen in den Finanzämter abgebaut, gleichzeitig seien hochqualifizierte Experten in Steuerkanzleien "mit nichts anderem beschäftigt als mit der Suche nach Lücken in Steuergesetzen und der Konstruktion von Steuersparmodellen". Das eigentliche Problem sei, dass der Steuerbetrug oft gar nicht illegal sei.

Heribert Prantl (Montags-SZ) kommentiert die "gefährlichen Forderungen", dass das Datenmaterial von den Medien, darunter der SZ, an die Ermittlungsbehörden weitergeleitet werden soll: Medien seien keine Hilfsorgane der Staatsanwaltschaften und sollten sich auch nicht als "V-Leute gerieren".

"Bei allem Respekt vor investigativem Journalismus, in Fällen von Kriminalität gibt es, jedenfalls in Deutschland, keine bessere Adresse als die örtliche Staatsanwaltschaft." So kommentiert Jost Müller-Neuhof (Sonntags-Tagesspiegel) die Weigerung der an den "Offshore-Leaks" beteiligten Medien, die Daten herauszugeben.

Gerkan/BER-Rechtsstreit ruht: In einem Spiegel-Beitrag (Frank Hornig) (Vorabmeldung auf spiegel.de) zur verschobenen Veröffentlichung des Buches "Black Box BER" des im vergangenen Jahr gefeuerten Architekten Meinhard von Gerkan wird berichtet, dass der Rechtsstreit zwischen Gerkan und der Flughafengesellschaft vorerst "ruhe". Hintergrund sei, dass Hartmut Mehdorn, neuer Chef der Flughafengesellschaft, Gerkan ins Projekt zurück holen wolle. Die Gesellschaft hatte Gerkan erst gefeuert und dann seine Planungsgemeinschaft auf 80 Millionen Euro Schadenersatz verklagt, so der Spiegel.

Justizgeschichte Henkersplatz: Im Wissenschafts-Teil des Spiegel (Matthias Schulz) findet sich ein Beitrag zur Erforschung von Henkersplätzen aus dem Mittelalter. Archäologen und Historiker, wie etwa der "Galgenpapst" Jost Auler, befassten sich mit den "aufwendigen Marter-Orgien" und ihren Protagonisten anhand von Ausgrabungen alter Exekutionsplätze.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 6. bis 8. April 2013: Verfassungsbeschwerde wegen Presseplätzen – EuGH und biometrischer Reisepass – Journalisten als Hilfspolizisten . In: Legal Tribune Online, 08.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8476/ (abgerufen am: 30.06.2024 )

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