Die juristische Presseschau vom 6. bis 8. April 2013: Verfassungsbeschwerde wegen Presseplätzen – EuGH und biometrischer Reisepass – Journalisten als Hilfspolizisten

08.04.2013

Die türkische Zeitung Sabah klagt vor dem Bundesverfassungsgericht wegen der Platzvergabe im NSU-Prozess. Außerdem in der Presseschau: Ermittlungsexzesse im Fall Wulff, Streit um Offshore-Leaks, EuGH zu Reisepass, BVerfG zu DNA-Verwandtenabgleich, Merkel im verfassungswidrigen Chat und wer mehr dopt: Juristen oder Sportler?

NSU-Prozess/Klage vor dem BVerfG: Am späten Freitagabend haben die türkische Zeitung Sabah sowie ein Sabah-Journalist Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, berichtet die Montags-taz (Christian Rath). Die Klage richte sich gegen die Sicherheitsverfügung des Vorsitzenden Richter am OLG München Manfred Götzl, die 50 Presse-Plätze für den NSU-Prozess nach Reihenfolge der Anmeldungen zu vergeben. Weiter wende man sich gegen mögliche "Unregelmäßigkeiten bei Bekanntmachung des Vergabeverfahrens". Die Kläger, vertreten durch den "renommierten Medienrechtler" Ralf Höcker, rügten eine Verletzung der Pressefreiheit und des Gleichheitssatzes.

Es berichtet ebenfalls ausführlich zu den Erfolgsaussichten die Samstags-FAZ (Helene Bubrowksi). Nach Aussage des Staatsrechtlers Christian von Coelln könne ein Grundrechtsverstoß nur darin erblickt werden, dass das OLG "bei seiner Entscheidung die Tragweite und Bedeutung des Umfangs der Pressefreiheit verkannt" hätte. Die "formalistische Argumentation des Gerichts" lege dies nahe. Ein Anspruch auf Zugang für bestimmte Medien bestehe nicht, so Coelln laut FAZ weiter.

Die Chancen einer Beschwerde hält Dietmar Hipp (spiegel.de) für "keineswegs aussichtslos". "Zwei Dinge" könnten türkische Journalisten in Karlsruhe geltend machen: Die Benachteiligung ausländischer Medien durch das Akkreditierungsverfahren sowie die unterbliebene Sicherstellung des OLG München, dass türkische Medien bei der Platzvergabe nicht "völlig leer" ausgingen.

Christian Bommarius (FR) kommentiert: Der Prozess sei bereits mit dem "Makel evidenter Verfassungswidrigkeit" behaftet. Rügen wird das BVerfG wohl unter anderem das Akkreditierungsverfahren oder jedenfalls die Akkreditierung selbst. Auch könnte gerügt werden, dass der für die Akkreditierung maßgebliche Anmeldezeitpunkt nicht korrekt vom OLG festgehalten wurde.

Zschäpe-Verteidigung zu Presse-Akkreditierung: "Detailliert prüfen" wollen die Platzvergabe auch die Verteidiger von Beate Zschäpe, wie der Focus (Göran Schattauer) meldet. Sie hätten beim OLG München umfassende Akteneinsicht zum Akkreditierungsvorgang beantragt. Verlangt hätten sie auch Auskünfte über Gespräche von "OLG-Juristen" mit der Bundesregierung und "auswärtigen Regierungen" mit Blick auf die Teilnahme türkischer Politiker und Journalisten am Prozess.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Bekämpfung Abgeordnetenkorruption: Mit dem Sinneswandel des Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden des Rechtsausschusses Siegfried Kauder (CDU) zum Thema Abgeordnetenbestechung setzt sich der Spiegel (Ralf Beste/Peter Müller) (Vorabmeldung auf spiegel.de) auseinander: Wollte Kauder früher noch das "freie Mandat nicht durch das Strafrecht" eingeschränkt sehen, habe er nun den Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes zur Bekämpfung der Korruption von Mandatsträgern erarbeitet. Danach soll das Annehmen oder Einfordern von Vorteilen für die Mandatsausübung strafrechtlich geahndet werden. Der Entwurf soll die UN-Konvention zur Korruptionsbekämpfung umsetzen, die Deutschland bereits im Jahr 2003 unterzeichnet habe, so der Spiegel.

Berliner Verfassungsrichter zu Bestandsdatenauskunft: Beim netzpolitischen Abend des Vereins Digitale Gesellschaft sprach der Berliner Verfassungsrichter Meinhard Starostik über (verfassungs)rechtliche Probleme der neu geregelten Bestandsdatenauskunft. netzpolitik.org (Markus Beckedahl) stellt ein Video von der Veranstaltung bereit.

Gesetze Menschenhandel/ BGH zu "Pussy-Club": In einem breit angelegten Beitrag zu Menschenhandel und Zwangsprostitution von Simone Meyer und Marc Neller (Welt am Sonntag) (Kurzmeldung auf welt.de) ist zu erfahren, dass es keine fristgemäße Umsetzung einer EU-Richtline zur Bekämpfung von Menschenhandel geben wird. Auch geplante Änderungen am Prostitutionsgesetz gebe es in dieser Legislaturperiode nicht mehr. Weiter wird an den sogenannten "Pussy-Club"-Prozess erinnert, einem der größten deutschen Verfahren gegen Menschenhändler. Das Landgericht Stuttgart habe die zwei Hintermänner des Clubs 2012 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Der Bundesgerichtshof entscheide in den kommenden Wochen über einen Revisionsantrag der Verteidigung.

Googles Privatsphäre-Bestimmungen: Mit Johannes Caspar, dem Hamburgischen Datenschutzbeauftragten, spricht lto.de (Claudia Kornmeier) über die Kritik an Googles Datenschutzerklärung. Nutzern werde bei der Registrierung für Google-Dienste nicht hinreichend klar gemacht, wie der Konzern ihre Daten verknüpfe, so Caspar. Eine "Task Force" bestehend aus Deutschland und fünf weiteren EU-Mitgliedstaaten überprüfe nun die Zulässigkeit der Datenverarbeitung nach dem jeweiligen nationalen Recht.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 6. bis 8. April 2013: Verfassungsbeschwerde wegen Presseplätzen – EuGH und biometrischer Reisepass – Journalisten als Hilfspolizisten . In: Legal Tribune Online, 08.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8476/ (abgerufen am: 30.06.2024 )

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