Die Koalition legt einen Gesetzentwurf zur Karenzzeit vor. Außerdem in der heutigen Presseschau: Nicht ohne Überraschung wird die Legitimation der "Homo-Ehe" in den USA zur Kenntnis genommen, Sonderermittler widmet sich etwaigem Versagen des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Twitter verklagt die US-Regierung - und was man als Crystal-Koch beachten sollte.
Thema des Tages
Karenzzeit für Bundesregierung: Die Führungen der Koalition haben sich auf einen Gesetzentwurf für die Karenzzeit geeinigt. Der Zeitraum zwischen dem Ablegen des politischen Amtes in der Bundesregierung und der Aufnahme einer neuen Stelle in der Wirtschaft soll zukünftig zwischen 12 und 18 Monaten betragen. Ausgeschiedene Bundesminister und Parlamentarische Staatssekretäre müssen nach der Gesetzesnovelle anzeigen, wenn sie eine Erwerbstätigkeit außerhalb des Parlaments oder des öffentlichen Diensts annehmen wollen. Ein Gremium wird dann feststellen, ob eine Interessenkollision vorliegt. Bei Bejahung eines solchen Konfliktes wird anschließend eine Wartefrist festgelegt. Im Bundestag wird die geplante Regelung unterschiedlich bewertet. Es berichten die FAZ (Günter Bannas), SZ, FR (Karl Doemens) und zeit.de.
Robert Rossmann (SZ) wirft dem Bundestag vor, den Gesetzgebungsprozess beschämend spät initiiert zu haben. Dieses Säumnis werde aber durch die seines Erachtens notwendige starke Regulierung kompensiert. Als Verachtung demokratischer Grundsätze empfindet Jasper von Altenbockum (FAZ) den Entwurf. Man würde Politikern einen Interessenkonflikt unterstellen, der gegebenenfalls gar nicht vorhanden ist. Wegen eines Generalverdachts Restriktionen zu verhängen sei nicht mit der Demokratie vereinbar.
Die Debatte über die Karenzzeiten wurde unter anderem durch den Einstieg des Staatsministers im Bundeskanzleramt, Eckart von Klaeden (CDU), in der Daimler AG neu entfacht, so die FAZ (Günter Bannas) in einem separaten Beitrag. Auch die taz (Anja Müller) berichtet von verschiedenen ähnlichen Übergängen in die Wirtschaft, die zu erheblicher Kritik in der Bevölkerung und nun anscheinend zu der Gesetzesänderung führten.
Rechtspolitik
Neue Verfassung für Schleswig-Holstein: Der Landtag von Schleswig-Holstein kam größtenteils zu einer Einigung hinsichtlich der neuen Landesverfassung. Frank Pergande beschreibt in der FAZ den allerdings noch ungeklärten Streitpunkt. Unklar sei, ob die Verfassung einen Gottesbezug enthalten soll.
Suizidhilfe: Karl Lauterbach (SPD) stellte am gestrigen Dienstag einen Gesetzentwurf zur Suizidhilfe vor. Er und weitere Abgeordnete vertreten die Meinung, dass Ärzten die Suizidhilfe unter streng geregelten Bedingungen erlaubt sein sollte. Dies meldet die taz.
Matthias Kamann (Die Welt) schildert Renate Künasts (Bündnis 90/Die Grünen) Forderung nach einer Zulassung von "Sterbehilfe durch Vereine". Künast stelle sich damit auch gegen den Reformvorschlag der Koalitionsabgeordneten.
Treibstoffqualitätsrichtlinie: Die Europäische Kommission legt dem EU-Parlament und dem Rat der Europäischen Union einen Vorschlag für eine Treibstoffqualitätsrichtlinie zur Entscheidung vor. Bernhard Pötter (taz) führt aus, dass die EU-Kommission mit diesem Vorschlag auf Kritik stößt. Unter anderem wird das Fehlen der Unternehmenshaftung für besonders hohe Emissionen bemängelt. Die EU-Klimakommissarin, Connie Hedegaard, rechtfertigt den Vorschlag indes.
Justiz
BVerfG zu "Optionskommunen": Das Bundesverfassungsgericht hat über die Kommunalverfassungsbeschwerde von Leverkusen und 14 Landkreisen entschieden: Ihre kommunalen Rechte beinhalteten nicht die von der Bundesagentur für Arbeit unabhängige Betreuung von Hartz-IV-Beziehern. Als "Optionskommune" hätten sie selbstständig über die Hartz-IV-Verwaltung entscheiden dürfen. Im Zuge des Urteils erklärte das BVerfG auch die für die Beantragung als "Optionskommune" notwendige Zweidrittelmehrheit für verfassungswidrig. taz (Christian Rath) schildert die die verfassungsrechtlichen Hintergründe der Entscheidung und deren Folgen.
Wolfgang Janisch (SZ) befasst sich mit der Entwicklung der Regelungen zur Hartz-IV-Verwaltung, die mit einer Grundgesetzänderung einher ging. Reinhard Müller (FAZ) sieht die Sonderregelung zu "Optionskommunen" grundsätzlich als verfassungsmäßig an, kritisiert dennoch vorhandene unmittelbare Beziehungen zwischen Bund und besagten Gemeinden. Gerade heutzutage sei die kommunale Selbstverwaltung aber zu schützen.
"Kohl-Tonbänder": Christian Rath (taz) kommentiert, ob Heribert Schwan die Gespräche mit Helmut Kohl (CDU) trotz Herausgabe der Tonbänder an den ehemaligen Bundeskanzler noch verwerten darf. Es sei entscheidend, ob die Verträge zwischen Schwan und Kohl die Verwertung der Informationen durch Schwan ausschließen. Laut Rath stehen die Verträge einer eigenständigen Publikation durch Schwan entgegen. Auch eine Berufung auf das öffentliche Interesse sei aussichtslos. Heribert Prantl (SZ) geht ebenfalls davon aus, dass die Persönlichkeitsrechte Kohls das öffentliche Interesse überwiegen. Auch läge ein Verstoß gegen die Verträge zwischen Schwan und Kohl vor.
NSU-Prozess: Der am gestrigen Dienstag im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München vernommene Zeuge, Thomas R., gab bei den meisten Fragen an, sich nicht mehr erinnern zu können. Das NSU-Trio könnte in seiner Wohnung zeitweise untergetaucht sein. Gisela Friedrichsen (spiegel.de) teilt mit, dass in diesem Zusammenhang am gestrigen Dienstag eine Diskussion über den Umfang der für die Anklage zu klärenden Tatsachen entstand.
Richter und Strafverteidiger: Rechtsanwalt Carsten R. Hoenig befasst sich auf seinem Kanzleiblog (kanzlei-hoenig.de) mit den guten und schlechten Seiten einer Freundschaft zwischen Strafverteidigern und Richtern.
Recht in der Welt
USA – Supreme Court und "Homo-Ehe": Der Supreme Court der USA hat indirekt die "Homo-Ehe" in mehreren Bundesstaaten der USA legalisiert. Das Gericht hatte es abgelehnt, die Urteile von Bundesberufungsgerichten, welche das Verbot der "Homo-Ehe" aufgehoben hatten, zu revidieren. Es berichten spiegel.de (Benjamin Schulz) und FAZ (Andreas Ross).
USA – Klage von Twitter: Twitter legt Klage gegen die US-Regierung ein. Das Unternehmen hält ein Gesetz für rechtswidrig, welches untersagt über den genauen Umfang von Geheimdienstmaßnahmen zu berichten. Twitter beschwert sich über eine mangelnde Transparenz für die Nutzer hinsichtlich der Datenabfragen durch Polizeibehörden und Geheimdienste. Dies berichtet zeit.de.
EuGH zu Dienstleistungsfreiheit: Der Europäische Gerichtshof hat am gestrigen Dienstag entschieden, dass die Dienstleistungsfreiheit beeinträchtigt werden kann, wenn der "Nachunternehmer" in einem anderen Mitgliedsstaat, im vorliegende Fall Polen, zur Zahlung eines Mindestlohns verpflichtet wird. Thomas Mösinger (FAZ) erläutert die Hintergründe des Urteils und mögliche Auswirkungen auf die Rechtsanwendung und den flächendeckenden Mindestlohn in Deutschland.
Brüssel – EU-Kommission will Reaktor billigen: Am heutigen Mittwoch wird die Europäische Kommission darüber entscheiden, ob Großbritannien zwei neue Atomreaktoren bauen darf. C. Gammelin/C.Kahlweit (SZ) schildern, dass nach der bisherigen Vorlage des Beschlusses eine Zustimmung wahrscheinlich ist. Kritik gibt es von Umweltschützern und österreichischen Abgeordneten. Der österreichische Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) halte das Vorhaben wegen eines Verstoßes gegen das Beihilferecht für rechtswidrig und plane dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof zu klagen.
Luxemburg - Ermittlung: Die Europäische Kommission ermittelt gegen Luxemburg wegen des Verdachts der Gewährung unerlaubter Beihilfe an Amazon. Das Großunternehmen müsse wegen der Vereinbarung mit dem Staat seine Gewinne lediglich mit rund einem Prozent besteuern. Es berichten SZ (Bastian Brinkmann) und handelsblatt.de (Anis Micijevic).
Frankreich – Ermittlungen gegen Sarkozy: Spiegel.de (Veit Medick) berichtet, dass gegen den ehemaligen Präsidenten Frankreichs Nicolas Sarkozy wegen des Verdachts der Bestechung ausländischer Beamter und der Geldwäsche ermittelt wird. Grundlage für diese Vermutungen ist ein Hubschrauber-Deal mit Kasachstan bei dem Kommissionen wieder nach Frankreich zurückgeflossen sein sollen. In diesem Zusammenhang stehe auch eine rechtswidrige Beeinflussung belgischer Parlamentarier im Raum.
Sonstiges
Sonderermittler gegen BfV: Jerzy Montag (Bündnis 90/Die Grünen) wird als Sonderermittler in Sachen NSU eingesetzt. Er soll aufklären, wie das Bundesamt für Verfassungsschutz mit einer Daten-CD umging, die wohl seit 2005 unter dem Kürzel "NSU" vorlag. Dies berichtet spiegel.de (Annette Langer). Die SZ (Wolfang Janisch) skizziert die weitreichenden Kompetenzen Montags und beschreibt was ihn zu einem besonders motivierten und nüchternen Ermittler macht.
Schadensersatz für rechtswidrige U-Haft: Personen, die zu Unrecht in Untersuchungshaft saßen haben gemäß Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention einen Anspruch auf Schadensersatz. Reinhard Müller (FAZ) erläutert die Grundlagen des völkerrechtlichen Staatshaftungsrechts nach der EMRK und die potenziellen Gründe für eine mangelnde Rechtsanwendung in Deutschland.
Klagewege der Umweltverbände: Johannes Schulte gibt in juwiss.de einen Überblick über die Klagemöglichkeit von Umweltverbänden im Rahmen des Umweltschutzes. Er geht insbesondere auf die umfassenden Klagebefugnisse ein und kontert gegen die mit ihnen einhergehende Kritik.
Verständlichere Gesetzestexte: Das Justizministerium befasst sich am heutigen Mittwoch mit dem Thema der Verständlichkeit von Gesetzen. Robert Rossmann (SZ) erläutert anhand von Beispielen das Problem. Er stellt des Weiteren die "Redaktion" der Bundesregierung vor und deren Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Herausforderung durch wenig eingängige Gesetze.
Pitches für Kanzleisuche: Unternehmen nutzen vermehrt "Pitches", um eine passende Kanzlei für bestimmte Sachverhalte zu finden. Henning Zander (lto.de) gibt Tipps für die richtige Vorbereitung und Verhandlungsführung.
Das Letzte zum Schluss
Fahrlässige Beihilfe bei Ermittlungen: Ein Crystal-Meth-Labor in den USA konnte am vergangenen Wochenende von der Polizei hoch genommen werden. Dummerweise kam der entscheidende Hinweis von den Betreibern des Labors selbst. Einer der Komplizen hatte versehentlich den Notruf gewählt und es somit einer Polizistin ermöglicht, eine halbe Stunde den Diskussionen über Drogen und einem verdächtigen Blubbern im Hintergrund zu lauschen. Dies meldet spiegel.de (Benjamin Schulz).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 8. Oktober 2014: Karenzzeit für Bundesregierung – EuGH stärkt Dienstleistungsfreiheit – Schadensersatz für rechtswidrige U-Haft . In: Legal Tribune Online, 08.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13424/ (abgerufen am: 03.07.2024 )
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