Die juristische Presseschau vom 7. August 2014: Freihandel mit Kanada – Massaker in Sant'Anna – Überwachung durch SMS

07.08.2014

Justiz

BVerfG zu Versammlungsfreiheit: Bei einer Demonstration hatte die Beschwerdeführerin über ein Megafon "Zivil-Bullen" zum Verlassen der Versammlung aufgefordert. Auf Grundlage einer Auflage, welche die Megafonnutzung auf organisatorische und Rufe mit Bezug zum Demonstrationsthema beschränkte, wurde ihr ein Bußgeld auferlegt. Nach einer nun veröffentlichten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Juni verstieß die Auflage gegen die Versammlungsfreiheit, da Demonstrationen in ihrer idealtypischen Ausformung "die körperliche Sichtbarmachung von gemeinsamen Überzeugungen" seien. Die nicht gefahrträchtige Äußerung der Frau sei daher geschützt. Die SZ (Wolfgang Janisch) und die taz (Christian Rath) berichten.

Verfassungsbeschwerde gegen EEG-Umlage: Ein Textilunternehmen, welches im Juli vor dem Bundesgerichtshof (BGH) mit einer Klage gegen die EEG-Umlage gescheitert war, hat nun Verfassungsbeschwerde eingelegt, meldet das Handelsblatt (Klaus Stratmann). Laut BGH lag keine verfassungswidrige Sonderabgabe vor.

BFH zu Strafzahlungen von Steuerpflichtigen: Nach einer nun bekanntgegebenen Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) muss bei Auferlegung von Strafzahlungen an Steuerpflichtige wegen fehlender Mitwirkung die Verhältnismäßigkeit streng gewahrt bleiben. Alle Umstände des Einzelfalles müssten einbezogen werden, meldet lto.de.

OLG Karlsruhe zu Sant'Anna-Massaker: Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in einem Klageerzwingungsverfahren entschieden, dass ein hinreichender Tatverdacht wegen Mordes gegen den heute 93-jährigen damaligen SS-Kompanieführer Sommer vorliege. Er soll in Sant'Anna di Stazzema (Italien) an der Ermordung mehrerer Hundert Zivilisten beteiligt gewesen sein. Die taz (Peter Müller/Andreas Speit) berichtet.

Für Julia Amberger (taz) sind nun endlich die "Rumdruckser" in Politik und Justiz, die sich darauf zurückzogen, es könne eben kein Mord nachgewiesen werden, eines besseren belehrt worden, indem das Geschehen nun auch offiziell in Deutschland als geplantes Massaker an der Zivilbevölkerung wahrgenommen werde.

OLG-Düsseldorf zu Immendorf-Bildern: Entgegen der vorherigen Instanz entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf, dass Käufer von Immendorf-Bildern diese nicht - wie von seiner Witwe gefordert - vernichten müssen, weil sie Fälschungen seien, berichten die FAZ (aro) und lawblog.de (Udo Vetter). Es sei nicht zu widerlegen, dass Immendorf zu Lebzeiten den Verkauf der Bilder als seine geduldet habe, auf den Rechtsschein könne der Käufer vertrauen.

OLG Hamm zur nachträglichen Gesamtstrafenbildung: Richter am Amtsgericht Carsten Krumm weist auf blog.beck.de auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom Mai hin, der zusammenfasse, was bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung in die Urteilsgründe gehöre. Grundsätzlich bedürfe es der Mitteilung von Tatzeit, gegebenenfalls der Tatumstände sowie der wesentlichen Zumessungserwägungen. Letztere entfallen naturgemäß bei einbezogenen Strafbefehlen, die Zumessungserwägungen nicht enthalten.

LAG Hessen zu Zeugnis im Eilrechtsweg: Rechtsprofessor Christian Rolfs weist auf blog.beck.de auf eine Entscheidung des Hessischen Landesarbeitgerichts (LAG) vom Februar hin, nach welcher Arbeitszeugnisse im Eilrechtsweg erstritten werden können, wenn sie gar nicht oder offenkundig lückenhaft – wie im zu entscheidenden Fall – erteilt werden.

LG Düsseldorf zu Abschlagszahlungen: Abschlagszahlungen müssen an den tatsächlichen Verbrauch angepasst werden, entschied das Landgericht (LG) Düsseldorf, wie lawblog.de (Udo Vetter) meldet. Die Berechnung nach den Schätzungen, die bei Vertragsschluss zugrunde gelegt werden, ist später unzulässig. Das Gericht hatte nach der gleichen Meldung bereits entschieden, dass Guthaben sofort auszuzahlen seien und nicht langsam mit Abschlagszahlungen verrechnet werden dürften.

OLG-München – NSU-Prozess: Die Aussagen zweier Kriminalermittler aus Kassel werfen im NSU-Prozess Fragen neu auf. Als der damalige Beamte des Hessischen Verfassungsschutzes Andreas T. im Zusammenhang mit der Tötung Halit Yogats in Verdacht geriet, war die Befragung der von ihm betreuten V-Leute durch den Verfassungsschutz und den damaligen hessischen Innenminister Volker Bouffier (CDU) verhindert worden. Die Tötung wird nun dem NSU angelastet, aber die aussagenden Ermittler bezweifeln weiter, dass Andreas T. nicht einmal etwas beobachtet hat, wie er beteuert. Die SZ (Tanjev Schulz) und die Welt (Per Hinrichs) berichten.

StA München – Deutsche Bank: In einem Schadensersatz-Prozess Leo Kirchs gegen die Deutsche Bank wegen Äußerungen des damaligen Vorstandssprechers Rolf-Ernst Breuer zu seiner mangelnden Kreditwürdigkeit sollen seinerzeitige Manager des Finanzinsitituts gelogen haben. Die Staatsanwaltschaft München hat nun nach Informationen der FAZ (jja) die Anklage wegen Prozessbetrugs und Falschaussage fertiggestellt. Zuständig wird bei Gericht dann die Wirtschaftsstrafkammer sein, die gerade das Verfahren gegen Ecclestone einstellte.

Banker-Prozesse: Die Welt (Anne Kunz) schreibt zu den Strafverfahren gegen Banker, die überwiegend mit Freisprüchen enden. Strafrechtsexperten betonen die Notwendigkeit weiten unternehmerischen Entscheidungsspielraums. Der Vorsatz der Pflichtverletzung sei fast nicht nachzuweisen. Ein Ausweg könne das Zivilrecht sein: Dort müssten die Manager ihr verantwortungsbewusstes Handeln beweisen.

Ecclestone-Prozess - Zivilrechtliche Fortsetzung? Das Kirch-Unternehmen Constantin Media AG will die BayernLB auf Schadensersatz verklagen, wenn diese nicht gegen Bernie Ecclestone vorgeht. Bei der Kirch-Pleite 2002 waren Formel-1-Anteile an die Bank gefallen, die diese zu einem viel zu geringen Preis abgestoßen habe, als bereits Schmiergelder von Ecclestone an den damaligen BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky geflossen waren. Bei einem höheren Preis hätte die Kirch-Firma dank eines "Besserungsscheins" von dem Verkauf profitiert, berichtet die SZ (Klaus Ott).

LG Regensburg – Mollath-Prozess: Kurz vor Ende des wiederaufgenommenen Verfahrens gegen Gustl Mollath rekapituliert die taz (Lisa Schell) den Fall. Der Kampf dieses Mannes sei nicht beendet, auch wenn der Freispruch im gerichtlichen Verfahren so gut wie sicher ist. Das Gericht sei an das freisprechende Urteil im Ausgangsverfahren gebunden und die psychiatrische Einschätzung, die zu seiner Einweisung führte, konnte nicht bestätigt werden.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 7. August 2014: Freihandel mit Kanada – Massaker in Sant'Anna – Überwachung durch SMS . In: Legal Tribune Online, 07.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12822/ (abgerufen am: 22.07.2024 )

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