Die juristische Presseschau vom 7. August 2014: Freihandel mit Kanada – Massaker in Sant'Anna – Überwachung durch SMS

07.08.2014

Das Freihandelsabkommen Ceta zwischen EU und Kanada ist fertiggestellt, aber immer noch geheim. Außerdem in der Presseschau: Polizisten dürfen aus einer Versammlung geschickt werden, hinreichender Tatverdacht des Mordes beim Sant'Anna-Massaker, Immendorf-Bilder müssen nicht zerstört werden und ein Tierarzt, der auf eigene Kosten Ferrari fahren muss.

Thema des Tages

Freihandelsabkommen Ceta: Der Text des Freihandelsabkommens "Comprehensive Economic and Trade Agreement" (Ceta) zwischen EU und Kanada ist fertiggestellt. Es soll zu etwa 98 Prozent zollfreiem Warenaustausch führen, Normen- und Standardabgleich bringen und eine Steigerung des Handelsvolumens um bis zu 20 Prozent. Das Abkommen wird nun im Wirtschaftsministerium geprüft. Im September soll es von Kanada und der EU paraphiert werden. Bis 2016 sollen alle Mitgliedstaaten und die EU es ratifizieren. Kanada wäre damit der einzige unter den sieben größten Industriestaaten mit Freihandelsabkommen zur EU und den USA, meldet die FAZ (pwe).

Kritisiert werden auch bei dieser 1.500 Seiten dicken "kleinen Schwester" des Freihandelsabkommens mit den USA (TTIP) insbesondere die Investitionsschutzklauseln, so die SZ (M. Bauchmüller/J. Cáceres). Laut kanadischer Regierung seien die Probleme beim Investitionsschutz vor Monaten ausgeräumt worden, berichtet die taz (Jörg Michel/Tobias Schulze). Dies könnte durch Öffnungsklauseln geschehen sein. Aber auch andere Lösungen sind denkbar. Nach Angaben des Handelsblatts (Thomas Ludwig) soll der jeweilige Gaststaat über Reichweite und Regelungsspielraum hinsichtlich des Investitionsschutzes bestimmen.

Die Welt (Martin Greive) vermeldet eine Anfrage der Linksfraktion, aus deren Beantwortung hervorgehe, dass zum Wohle des europäischen Gesamtinteresses "ausgehandelte Investitionsschutzabkommen hingenommen" werden können. Der Vertragstext selbst ist jedoch noch nicht bekannt und die Bundesregierung wollte zur konkreten Regelung nichts äußern. Das Wirtschaftsministerium gab an, Investitionsschutz durch Schiedsgerichte sei bei Staaten mit belastbaren Rechtsordnungen nicht erforderlich.

Heribert Prantl (SZ) meint, dass die Heimlichtuerei dieses Abkommen wie auch das TTIP "in toto" diskreditiere. Beide Abkommen griffen massiv in die Souveränität und den demokratischen Handlungsspielraum der Parlamente ein und könnten nicht verkündet werden, "als handele es sich um die Zehn Gebote, in Stein gemeißelt."

Rechtspolitik

Umsetzung der Istanbulkonvention: Die taz (Heide Oestreich) bespricht eine Analyse des Bundesverbands Frauenberatungen und Frauennotrufe (BFF) zu Vergewaltigungsfällen. Die Kritik am deutschen Strafrecht wird bestätigt, die Feststellung von "Gewalt" scheitere häufig daran, dass keine physische Gegenwehr erfolge und die "Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben" daran, dass vielfach mit anderen Übeln gedroht werde. Justizminister Heiko Maaß sieht weiterhin keinen Veränderungsbedarf, im Gegensatz zu den rechtspolitischen Sprechern und Sprecherinnen aller Fraktionen.

Infrastruktur als Staatsziel: Die FDP-Politiker Stefan Ruppert und Dieter Posch sprechen sich in der FAZ dafür aus, Infrastruktur als Staatsziel ins Grundgesetz aufzunehmen. Ein wirtschaftsstarkes Land könne ohne sie seinen Wohlstand nicht halten und bisher werde ihr nicht der erforderliche Rang eingeräumt. Die seinerzeitige Diskussion um das Staatsziel Umweltschutz habe gezeigt, welche positive Wirkung eine solche Auseinandersetzung haben könne.

Umsetzung des Rechts auf Vergessen: Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger äußert sich im Interview mit der SZ (Claudia Tieschky) zum "Löschbeirat", dessen Mitglied sie ist. Das Expertengremium soll  Empfehlungen für die Umsetzung des Urteils zum Recht auf Vergessen ausarbeiten. Sie hält unter anderem die Entscheidung einer Schiedsstelle für denkbar, begrüßt die Stärkung der Privatsphäre durch das Urteil, meint aber auch, dass das Informationsinteresse nicht aus den Augen verloren werden dürfe. Leutheusser-Schnarrenberger weist insofern darauf hin, dass die Löschung von Links eben keine Löschung der Information als solche sei.

Recht auf Vergessen(werden): Auch Sascha Lobo (spiegel.de) kommentiert zur Diskussion um Informationsinteresse und Persönlichkeitsrechte in Bezug auf Daten im Internet. Das "Recht auf Vergessen" würde besser als "Recht auf Vergessen(werden)" bezeichnet, meint er, und sei eine "untaugliche, juristische Hilfskonstruktion für ein wichtiges Ziel". Es bedürfe vielmehr eines "Rechts auf Datensouveränität", welches zu neuen Instrumenten und Prozessen in "Zeiten der Vollverdatung der Welt" führen werde.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 7. August 2014: Freihandel mit Kanada – Massaker in Sant'Anna – Überwachung durch SMS . In: Legal Tribune Online, 07.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12822/ (abgerufen am: 22.07.2024 )

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