Die Bundesregierung hat eine Verschärfung des Anti-Terror-Strafrechts beschlossen. Außerdem in der Presseschau: Reform des Prostitutionsgesetzes, BGH zu Eigenbedarfskündigung, LG Köln erlaubt Hitlergruß, neue Ermittlungen wegen Oktoberfestattentat, Google-Beirat erarbeitet Löschregeln und wie die Rache eines Mandanten gegen den eigenen Anwalt nach hinten losging.
Thema des Tages
Anti-Terror-Strafrecht: Das Bundeskabinett hat am gestrigen Mittwoch eine Strafrechtsverschärfung auf den Weg gebracht, die der besseren Bekämpfung von Terrorismus dienen soll. Konkret geht es um eine Verschärfung des § 89a des Strafgesetzbuchs; bereits die Ausreise und der Versuch der Ausreise aus Deutschland, mit der Absicht ein terroristisches Ausbildungslager zu besuchen, soll unter Strafe gestellt werden. Zudem soll ein neuer § 89c StGB die Terrorfinanzierung auch mithilfe geringerer Geldbeträge sanktionieren. lto.de (Constantin van Lijnden), die taz (Christian Rath) und zeit.de (Steffi Dobmeier) stellen die Reformpläne und die Reaktionen darauf dar. Kritisiert werde insbesondere die Vorverlagerung der Versuchsstrafbarkeit beim § 89a StGB. Für die Verschärfung spreche die Erweiterung von Ermittlungsmöglichkeiten für die Staatsanwaltschaften.
Für Christian Bommarius (Berliner Zeitung) stellen die Maßnahmen ledigleich ein Placebo dar: "Für die Praxis haben sie keinen Wert, aber für das Strafrecht bedenkliche Konsequenzen". Auch nach Ansicht von Christian Rath (taz) werden die Änderungen in der Praxis kaum Folgen haben: "Deutschland hat jetzt schon äußerst scharfe Anti-Terror-Paragrafen."
Rechtspolitik
Prostitutionsgesetz: Die Fachpolitiker der großen Koalition haben sich auf die Eckpunkte zu einem neuen Prostitutionsgesetz geeinigt, berichten die SZ (Constanze von Bullion/Janina Mütze), spiegel.de (Ann-Katrin Müller) und die taz (Anja Maier). Die umstrittene Kondompflicht für Bordellbesucher werde eingeführt, ebenso wie die Anmeldepflicht für die Prostituierten und eine medizinische Beratungspflicht. Dagegen werde das Alter entgegen den Forderungen der CDU nicht auf 21 Jahre angehoben. Für die Betreiber werde es künftig eine Erlaubnispflicht und eine Zuverlässigkeitsprüfung geben. Heide Oestreich (taz) kommentiert, die Große Koalition habe sich so für Kontrolle und gegen Eigenverantwortung entschieden und die Einwände von Fachleuten – dass etwa freiwillige Gesundheitschecks größeren Anklang finden – ignoriert.
Verbandsklagerecht: Das Bundeskabinett hat am gestrigen Mittwoch den Gesetzentwurf zum Verbandsklagerecht bei Datenschutzverstößen beschlossen. Durch eine gesetzliche Klarstellung der datenschutzrechtlichen Normen als Verbraucherschutzvorschriften sollen datenschutzrechtliche Verstöße von Verbänden gerügt werden können. netzpolitik.org (Andre Meister) weist auf den Beschluss hin und stellt die Kommentierungen der Novelle zusammen.
Einwanderungsgesetz: Am gestrigen Mittwoch haben die Grünen ihr Konzept zu einem Einwanderungsgesetz vorgestellt, das auf einem Punktesystem beruhen soll, stellt die Welt (Claudia Kade) und die taz (Daniel Bax) dar. Eine Kommission soll die Kriterien für die Punktevergabe erarbeiten und der Bundestag und Bundesrat den jährlichen Arbeitskräftebedarf festlegen. Zudem sollen Reformen des Staatsbürgerschafts- und Aufenthaltsrechts Deutschland für Fachkräfte attraktiver machen. Die Zeit (Mariam Lau) führt ein Interview mit dem Präsident des Bundesamtes für Migration Manfred Schmidt, der sich gegen ein neues Einwanderungsgesetz ausspricht, weil die diskutierten Forderungen bereits vom Aufenthaltsgesetz erfüllt würden.
Justiz
BGH zu rückständigem Mietzins: Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom gestrigen Mittwoch darf der Vermieter das Mietverhältnis auch dann kündigen, wenn der Mieter den Mietzins unverschuldet nicht erbracht hat, weil die Sozialleistungen verspätet bewilligt worden sind. Rechtsanwalt Dominik Schüller erläutert das Urteil auf lto.de. Im entschiedenen Fall hatte das Sozialamt die Übernahme der Wohnungskosten unberechtigt abgelehnt und wurde vom Sozialgericht zur Leistung verpflichtet. Die zwischenzeitliche Kündigung des Vermieters wegen nicht erbrachter Mietschuld sei jedoch rechtens gewesen, entschied der BGH. Die unberechtigte Nichtleistung falle in den Verantwortungsbereich des Schuldners und das Behördenverschulden sei ihm zuzurechnen.
BGH zu Eigenbedarfskündigung: Ist eine Kündigung des Mietvertrages wegen Eigenbedarfs rechtsmissbräuchlich, wenn der Vermieter den Eigenbedarf zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses hätte vorhersehen können? Der Bundesgerichtshof hat am gestrigen Mittwoch entschieden, dass den Vermieter keine Pflicht zur "Bedarfsvorschau" trifft. Ist der zukünftige Eigenbedarf zwar erkennbar, beabsichtigt der Vermieter aber keine Kündigung, so handelt er nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er den Eigenbedarf später geltend macht. Die SZ (Wolfgang Janisch) und lto.de erläutern das Urteil.
BGH zu Beschwer: internet-law.de (Thomas Stadler) kritisiert einen Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 13. Januar 2015, der entschieden hatte, dass die Beschwer für die Löschung einer im Internet veröffentlichten und beanstandeten Kritik an einem Unternehmen 500 Euro nicht übersteigt, womit dem Beklagten die Möglichkeit der Berufung gegen das Unterlassungsurteil genommen wurde. Der BGH habe ein wirtschaftliches Interesse des Beklagten abgelehnt und lediglich auf den Löschungsaufwand abgestellt. Damit würden den Parteien aber unterschiedliche Rechtsschutzmöglichkeiten zugestanden, was gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstößt.
BFH zu Fahrkosten: Wie lto.de meldet, hat der Bundesfinanzhof in einem Urteil vom 22. Oktober letzten Jahres an seiner Rechtsprechung zur steuerlichen Geltendmachung von Fahrkosten durch Gewerbetreibende mit nur einem Auftraggeber festgehalten. Solche Fahrtkosten können nur als Entfernungspauschale von der Steuer abgesetzt werden.
AG Köln zu Hitlergruß: Die Teilnehmerin einer Hogesa-Demonstration wurde am Montag vom Amtsgericht Köln wegen Körperverletzung und Beleidigung verurteilt, aber vom Vorwurf der Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen freigesprochen, obwohl sie den Hitlergruß gezeigt hatte. Der Kölner Stadt-Anzeiger (Christian Rath) greift den Fall auf und erläutert die Voraussetzungen des § 86a Strafgesetzbuchs und die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Dessen Vorgaben zu Ausnahmen von der Strafbarkeit habe das AG im Ergebnis korrekt umgesetzt.
LG Essen – Lebedew gegen RWE: Nach Darstellungen der SZ (Markus Balser) hat der russische Oligarch Leonid Lebedew den RWE-Konzern und seinen ehemaligen Chef Jürgen Großmann vor dem Landgericht Essen auf 875 Millionen Euro Schadensersatz verklagt. Großmann soll mit Lebedews Unternehmen Sintez den Kauf eines Stromversorgers verabredet und den verabredeten Weiterverkauf an RWE später abgelehnt haben. Die Aussichten der Klage seien jedoch fraglich, ein Schiedsgerichtsverfahren in London habe Lebedew in dieser Sache bereits verloren.
GBA - Oktoberfestattentat: Die SZ (Annette Ramelsberger) und spiegel.de (Conny Neumann) berichten von neuen Ermittlungen der Bundesanwaltschaft wegen des Oktoberfestattentats mit rechtsextremistischem Hintergrund aus dem Jahr 1980, bei dem 13 Menschen getötet worden waren. Die Aussage einer neuen Zeugin könne auf die Spur weitere Mittäter führen. Bisher sei angenommen worden, dass Gundolf Köhler der alleinige Täter gewesen war.
EuGH – EMRK-Beitritt: Rechtsprofessor Christoph Grabenwarter befasst sich im Staat-und-Recht-Teil der FAZ mit dem Gutachten des Europäischen Gerichtshofs zum Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention, den das Gericht als unvereinbar mit dem Unionsrecht gesehen hat. Der Autor kritisiert die Einwände des Gerichts als wenig nachvollziehbar und zeigt mögliche Folgen des Gutachtens auf. Die wahrscheinlichste Variante sei, dass es weder zu einem Beitritt der EU noch zu einer Änderung der Verträge kommen werde. Dann wären der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und die Verfassungsgerichte der Mitgliedsstaaten für den Grundrechtsschutz berufen.
Professor Martin Nettesheim hält in der FAZ die Bemühungen des EuGH um Autonomiesicherung für nachvollziehbar vor dem Hintergrund der Ausweitung der EU und der Staatsschuldenkrise. Zudem verfüge die EU mit der Charta der Grundrechte mittlerweile über ein ausbaufähiges Instrument.
Spanien – Hells Angels: Wie spiegel.de meldet, erhebt die spanische Justiz schwere Vorwürfe gegen den deutschen Hells-Angels-Chef Frank Hanebuth, der in Spanien in Untersuchungshaft sitzt. Die Rockerbande werde vom Ermittlungsrichter in seinem Abschlussbericht als kriminelle Vereinigung eingestuft, Hanebuth und weiteren 54 Mitgliedern wird unter anderem Schutzgelderpressung, Menschenhandel und Geldwäsche vorgeworfen.
Sonstiges
EZB: Rechtsprofessor Christian Tomuschat erläutert und kritisiert in der FAZ die Zusammensetzung des Rates der Europäischen Zentralbank. Der vom Prinzip der Staatengleichheit geleitete Aufbau müsse als "gravierende Fehlentscheidung" betrachtet werden. Heute herrsche ein Missverhältnis zwischen der Entscheidungsmacht und der Lastentragung; zudem fehle der EZB für die aktuellen Maßnahmen die demokratische Legitimation.
Google - Löschregeln: Der von Google einberufene Experten-Beirat zum Recht auf Vergessenwerden hat einen Entwurf für den Umgang mit Löschanträgen gegenüber Google erstellt. Die SZ (Heribert Prantl) stellt den Leitfaden vor. Die Experten haben die Bereitstellung eines verbesserten Formulars und die großzügigere Beachtung der Löschanträge empfohlen. Zudem solle für strittige Fälle eine unabhängige Schlichtung eingeführt werden. Streit bestehe weiterhin darüber, ob die Löschung nur die Links auf EU-Domains erfassen soll.
Das Letzte zum Schluss
Rache lohnt nicht: Die Rachegelüste eines Mandanten aus Nordrhein-Westfalen sind gehörig nach hinten losgegangen. justillon.de (Sven Ring) stellt einen Fall aus dem Jahr 1993 dar, bei dem ein Mandant die Forderung seines Anwalts mit Überweisungsaufträgen über jeweils eine Mark beglichen und damit eine Buchungsgebühr von 556,50 DM ausgelöst hat. Diese musste der Rachelustige dann aber auch noch zahlen. Das Amtsgericht Brilon entschied, der Beklagte habe durch die Einzelüberweisungen den Tatbestand der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung erfüllt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 5. Februar 2015: Anti-Terror-Strafrecht beschlossen – BGH zu Eigenbedarfskündigung – Google-Beirat liefert Löschregeln . In: Legal Tribune Online, 05.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14589/ (abgerufen am: 03.07.2024 )
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