Die juristische Presseschau vom 1. bis 4. Januar 2016: Pres­se­kon­trolle in Polen / Neue EU-Ver­fas­sung? / Gefälschte Erin­ne­rung

04.01.2016

Recht in der Welt

IStGH: Die Montags-taz (François Misser) gibt einen Ausblick auf die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs im Jahr 2016. In kommenden Verfahren und Urteilen könne er zeigen, dass er nicht nur ein "Tribunal für afrikanische Warlords" ist. Weltpolitisch bedürfe es einer Strategie im Umgang mit boykottierenden Staaten wie jüngst Südafrika.

Schweiz – Unberechtigte Bankprovisionen: Über Jahre sollen schweizerische Banken u.a. überhöhte Provisionszahlungen von ihren Kunden eingenommen haben. Weil es sich um Konten mit unversteuertem Geld handelte, wehrten sich die Kunden nicht. Diese Hürde entfällt mit einer Selbstanzeige und Rückforderungsprozesse mehren sich. Nun hat das Züricher Obergericht außerdem entschieden, dass nicht nur Zivil-, sondern auch Strafprozesse wegen Privatbestechung möglich seien, berichtet die WamS (Martin Greive/Karsten Seibel).

Sonstiges

Falsche Erinnerung: Erinnerung ist unzuverlässig, aber sie kann auch mehr als nur im Detail falsch sein. Der Einfluss, den eine Befragung haben kann, ist nicht zu unterschätzen. Der Spiegel (Manfred Dworschak) befasst sich mit dem Thema und der Forschung der Psychologin Julia Shaw, der 70 Prozent ihrer Probanden eine in Wirklichkeit nie begangene Straftat gestanden.

Predictive Policing: In Stuttgart und Karlsruhe läuft derzeit ein halbjähriger Test zum Einsatz der Software "Precobs", mit der Einbruchsdiebstähle vorhergesagt und bestenfalls verhindert werden sollen. Die Montags-SZ (Josef Kelnberger) hat sich den wissenschaftlich begleiteten Testlauf näher angesehen. Im Sommer soll es erste Auswertungsergebnisse geben.

Steuerschlupfloch: Die FAS (Dyrk Scherff) macht darauf aufmerksam, dass das letzte Steuerschlupfloch schließt und Steuersünder nun schleunigst zur Selbstanzeige greifen sollten. Ab Jahresanfang tritt der automatische Informationsaustausch für Steuerdaten in Kraft und auch Banken in bisherigen Steueroasen melden Kundendaten an den heimischen Fiskus. Erfasst werden nun auch alle Arten von Geldanlagen, sodass ein Ausweichen nicht mehr möglich ist. Einige Nachzügler beginnen ab Oktober 2016 (Österreich) bzw. Januar 2017 (Singapur, Hongkong, Macau).

Vertragsverletzungsverfahren: In Brüssel laufen derzeit 41 Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen fehlender oder fehlerhafter Umsetzung von EU-Richtlinien. Das erfuhr der Spiegel (gt) durch eine kleine Anfrage aus den Reihen der Grünen. Besonders viele Verfahren stünden im Zusammenhang mit dem Aufgabenbereich des Verkehrsministeriums.

Vom Rechtsstaat in Pension: Der Spiegel (Martin Knobbe) schreibt über die Arbeit dreier Pensionäre, die früher im Dienst des Rechtsstaats standen und sich nun um seine Schwächen kümmern: Ein ehemaliger Polizist und ein ehemaliger Gefängnisdirektor, die bisher ungelöste Fälle ermitteln und ein ehemaliger Bundesanwalt, der sich als Anwalt unter anderem für die Einführung der Wiederaufnahme aufgrund neuer technischer Beweismöglichkeiten einsetzt.

Berater Haftung: Nachdem in den USA eine Investmentbank Schadensersatz an Aktionäre eines Unternehmens zahlen musste, weil sie als M&A-Beraterin einen Interessenkonflikt nicht offengelegt und der Geschäftsleitung Beihilfe zu Pflichtverletzungen geleistet habe, sieht Rechtsanwalt Niklas Rahlmeyer im Hbl die Gefahr einer solchen Haftung auch in Deutschland. Die Hürden seien zwar etwas höher, aber Berater täten gut daran, transparent mit möglichen Interessenkonflikten umzugehen.

Ausnahmezustand: Vor dem Hintergrund der Silvesternacht in München warnt Heribert Prantl (Samstags-SZ), die deutsche Gesellschaft dürfe sich nicht in einen dauerhaften Ausnahmezustand treiben lassen. "Es gibt besondere Gefahren der Gefahrenabwehr: Wenn sie Rechtsstaatlichkeit dezimiert, wird sie selbst zur Gefahr".

Tagebuch der Anne Frank: Ein Blogger und eine Politikerin aus Frankreich haben das Tagebuch der Anne Frank in Originalsprache im Internet veröffentlicht, die Schutzfrist sei 70 Jahre nach dem Tod Anne Franks abgelaufen. Der Rechteinhaber, der Anne Frank Fonds, droht mit gerichtlichen Schritten. Er geht von einem Ablauf frühestens 2037 aus, weil es sich um ein posthum veröffentlichtes Werk handele, bei dem die Urheberrechtsfreiheit erst 50 Jahre nach Erstveröffentlichung (das Tagebuch erschien 1986 erstmals im Volltext) eintritt. Von dem Streit berichten die Montags-Welt (Marc Reichwein) und spiegel.de.

Krankschreibung ist kein Hausarrest: Dass ein krankgeschriebener Arbeitnehmer nicht unbedingt zu Hausarrest verdonnert ist, erklärt Rechtsanwalt Norbert Pflüger in der Samstags-FAZ. Es sei lediglich Verhalten untersagt, was den Heilungsprozess verzögere, welches Verhalten das ist, sei eine Frage des Einzelfalls.

Das Letzte zum Schluss

Genussverzicht gegen Feinstaub: Eine ordentliche Pizza kommt aus dem Holzofen, jedenfalls in Italien. Dort hat nun aber ein Bürgermeister den Betrieb von Holzöfen untersagt, weil er zu viel Feinstaub verursache, die Luftqualität in dem 6500-Einwohner-Städtchen sei schlechter als in Peking. Das meldet justillon.de (Stephan Weinberger).

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/krü

(Hinweis für Journalisten) 

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 1. bis 4. Januar 2016: Pressekontrolle in Polen / Neue EU-Verfassung? / Gefälschte Erinnerung . In: Legal Tribune Online, 04.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18015/ (abgerufen am: 03.07.2024 )

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