Die Haltung von Justizminister Maas zu Kinderehen ist nicht nur umstritten, sondern auch in Bewegung. Außerdem in der Presseschau: Gesundheitsminister will Samenspender speichern und Populist Wilders ist wegen Volksverhetzung angeklagt.
Thema des Tages
Kinderehen: Justizminister Heiko Maas (SPD) will die Möglichkeit von Ehen mit minderjährigen Gatten einschränken, berichtet der Spiegel (Ann-Katrin Müller/Melanie Amann). Künftig soll das Familiengericht die Befreiung nur erteilen, "wenn die beabsichtigte Ehe das Wohl des Antragstellers nicht beeinträchtigt". Die CDU/CSU will Ehen unter 18 Jahren dagegen generell untersagen.
Die Montags-Bild (Florian Kain/Peter Tiede) reagiert empört auf die vorgesehenen "Einzelfallprüfungen". Maas habe schließlich "ein generelles Verbot solcher Ehen" angekündigt. Inzwischen habe das Ministerium sich aber von seinem Gesetzentwurf distanziert, dieser sei angeblich "veraltet". Als neue Linie des Ministeriums zitiert Bild: "Wenn Menschen zu uns kommen, die unter 16 Jahren geheiratet haben, soll ihre Ehe ausnahmslos unzulässig sein. Und: Ehen, die zwischen 16 und 18 Jahren geschlossen wurden, sollten nur noch in absoluten Ausnahmefällen genehmigt werden können, wenn das unter besonderer Berücksichtigung eines konkreten Einzelfalls geboten ist." Einen "endgültigen Entwurf" des Ministeriums werde es in wenigen Wochen geben.
Die Montags-SZ (Constanze von Boullion) kritisiert die "wohlfeile Empörung", vielmehr sollten die Interessen der Mädchen im Mittelpunkt stehen. "Was wird aus der zwangsverheirateten Syrerin, die in Deutschland keinen kennt außer ihrem Mann? Wird sie zwangsgetrennt – was bedeutet das für ihre Kinder?"
Rechtspolitik
Ceta: Am Sonntag haben EU-Ratspräsident Donald Tusk und der kanadische Ministerpräsident Justin Trudeau das Freihandelsabkommen Ceta unterzeichnet. Die Montags-Faz (Henrik Kafsack) stellt noch einmal dessen wesentliche Inhalte dar sowie die zuletzt von Wallonien durchgesetzten "Präzisierungen". So sollen die Richter am geplanten Investitionsgericht "fallunabhängig" bezahlt werden.
Lohngleichheitsgesetz: Manuela Schwesig (SPD) hat den überarbeiteten Gesetzentwurf zum Lohngleichheitsgesetz zur Ressortabstimmung an die anderen Ministerien geleitet, meldet die Samstags-FAZ (Dietrich Creutzburg). Der neue Entwurf enthalte einige Präzisierungen und nehme etwa Tarifverträge aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes heraus. Er soll im Dezember vom Kabinett beschlossen werden.
Autobahn: Die Samstags-SZ (Cerstin Gammelin) schildert die geplante Neuorganisation der Verwaltung von Bundesautobahnen; künftig sollen sie vom Bund selbst verwaltet werden. Hierfür ist die Gründung einer Infrastrukturgesellschaft des Bundes geplant, der sowohl das Eigentum als auch die Verwaltung übertragen werden sollen. Deshalb soll noch in dieser Legislaturperiode Art. 90 Grundgesetz geändert werden, der das Eigentum des Bundes festschreibt. Dies mache auch eine künftige Privatisierung der Straßen möglich.
Ausreisegewahrsam: Um abgelehnte Asyl-Antragsteller besser abschieben zu können, plant Innenminister Thomas de Maizière (CDU) die Einführung eines 14-tägigen Ausreisegewahrsams. So soll sichergestellt werden, dass Flüchtlinge, die keine Papiere haben, greifbar sind, wenn an der jeweiligen Botschaft die Experten für Herkunftsfeststellungen angereist sind. Über einen entsprechenden Gesetzentwurf berichtet die Montags-FAZ (Eckart Lohse). Die SPD lehne das Vorhaben ab.
Samenspenderregister: Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) plant ein Register über Samenspender, die via Samenbanken an der Zeugung von Kindern beteiligt waren. Dies soll den so entstandenen Kindern später die Kontaktaufnahme ermöglichen. Zugleich soll gesetzlich ausgeschlossen werden, dass Samenspender rechtlich Vater werden – und damit zum Beispiel unterhaltspflichtig werden. Über den Gesetzentwurf berichtet die Montags-taz (Christian Rath). In einem Kommentar begrüßt Simone Schmollack (Montags-taz) den Plan. Bisher sei die Bedeutung der Abstammung für Spenderkinder unterschätzt worden.
Medikamente: Der Versandhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten soll verboten werden. Ein entsprechendes Gesetz plant Gesundheitsminister Hermann Gröhe, der damit auf ein EuGH-Urteil von Mitte Oktober reagiert, so die Samstags-FAZ (Andreas Mihm, faz-net-Zusammenfassung) und spiegel.de. Der EuGH hatte die Preisbindung für Medikamente, die von ausländischen Versandapotheken verkauft werden, als Verstoß gegen den freien Warenverkehr beanstandet. Gröhe greift mit seinem Verbotsplan nun eine Forderung deutscher Apotheker auf.
Drohnen: Wie der Spiegel (Ludwig Krause) schildert, setzt die Polizei immer häufiger Drohnen zur Tatortaufklärung und Observation ein. Datenschützer fordern wegen einer möglichen Verletzung des Persönlichkeitsrechts eine gesetzliche Regelung für den Einsatz der Drohnen.
Rechtspolitik 1966–1969: lto.de (Martin Rath) gibt einen "anekdotischen" Überblick über die Rechtspolitik der ersten großen Koalition. Im kollektiven Gedächtnis sei dabei nur die Diskussion und Verabschiedung der so genannten Notstandsgesetze haften geblieben.
Justiz
BVerfG – Ceta: Mit zwei Eilanträgen beim Bundesverfassungsgericht wollen Linke-Abgeordnete und Vertreter der Organisationen Foodwatch, Mehr Demokratie und Campact erreichen, dass der Handelsvertrag Ceta nicht vorläufig angewandt wird, so faz.net. Deutschland habe die Auflagen des Verfassungsgerichts nicht vollständig erfüllt, so die Antragsteller.
BVerwG zu Bafög: Das Bundesverwaltungsgericht hat am Donnerstag vergangener Woche entschieden, dass die Rückerstattung bei unrichtigen Angaben zur Berechnung von BAföG-Leistungen nach zivilrechtlichen Maßstäben über den Schadensersatz zu berechnen ist und damit berücksichtigt werden muss, was das Amt für Ausbildungsförderung auch bei richtigen Angaben hätte zahlen müssen, so lto.de.
LG München I zu gefährlicher Hebamme: Das Landgericht München I hat eine Hebamme wegen siebenfachen Mordversuchs an gebärenden Frauen zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Die Hebamme hatte den Frauen jeweils vor einem Kaiserschnitt Blutverdünner verabreicht – aus Ärger über fehlende Wertschätzung, berichtete die Samstags-FAZ (Karin Truscheit).
StA Oldenburg – tödlicher Krankenpfleger: Der Spiegel (Hubert Gude u.a.) berichtet über neue Ermittlungen rund um den Serienmörder Niels Högel, der als ehemaliger Krankenpfleger Patienten durch Injektionen tötete. Der bereits wegen zweifachen Mordes verteilte Högel soll für bis zu 41 weitere Todesfälle verantwortlich sein; der zweite Prozess werde voraussichtlich im nächsten Jahr beginnen. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg will auch einen Stationsleiter und dessen Stellvertreterin wegen Totschlags durch Unterlassen anklagen.
OLG München – NSU: Nun berichtet auch die Samstags-Welt (Gisela Friedrichsen) über das vorläufige psychiatrische Gutachten zur Angeklagten Beate Zschäpe, das ihr die volle Schuldfähigkeit und eine fortbestehende Gefährlichkeit attestiert. Dies mache den Weg frei für die Verhängung von Sicherungsverwahrung.
AG Berlin-Tiergarten – Spähaffäre bei der taz: Wie die Samstags-taz (Sebastian Erb/Martin Kaul) berichtet, hat die Staatsanwaltschaft Berlin Anklage wegen Ausspähens und Abfangen von Daten gegen den ehemaligen Redakteur Sebastian Heiser erhoben. Dieser hatte mithilfe eines Keyloggers Daten anderer Mitarbeiter abgefangen und Zugangsdaten ausgespäht.
LKW-Kartell: Die LKW-Hersteller, die sich an einem von der EU-Kommission aufgedeckten Kartell beteiligt hatten, müssen mit einer Klagewelle von Spediteuren rechnen, die erhöhte Preise für ihre LKW bezahlt haben. Die Kanzlei Hauschild vertritt laut Hbl (Volker Votsmeier u.a.) bereits rund 1.000 Unternehmen mit insgesamt 75.000 Fahrzeugen.
AfD und Juristen/Polizisten: Die Wams (Matthias Kamann) stellt einen bemerkenswerten Zusammenhang zwischen juristischen Berufen und der Tätigkeit in der AfD fest. Erstaunlich viele AfD-Funktionäre seien Richter, Staatsanwälte und Polizeibeamte. Zu vermuten sei sogar, dass "die Tätigkeit in den Justizbehörden zum AfD-Engagement motiviert". Die AfD biete schließlich einfache Lösungen für die Probleme, denen man in der Justiz täglich begegne.
Recht in der Welt
Polen – Verfassungsgericht: Wie die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) meldet, hat der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle schriftlich auf den Vorwurf der Einmischung in die polnische Politik seitens des polnischen Botschafter Andrzej Przyłębski erwidert: Das Zusammenwirken der einzelnen Verfassungsorgane sei keine innere Angelegenheit, sondern betreffe die Grundfeste der europäischen Rechtsgemeinschaft.
Niederlande – Wilders: Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders muss sich ab diesem Dienstag vor dem Strafgericht Shiphol wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhass verantworten, berichtet die Wams (Sarah Maria Brech). Er hatte 2014 vor Anhängern die Frage gestellt : "Wollt ihr in dieser Stadt, in diesem Land mehr oder weniger Marokkaner?" Die Anhänger grölten: "Weniger, weniger" und Wilders, versprach: "Dann werden wir das regeln." Das Urteil soll am 15. November fallen. Der Prozess habe Wilders Wahlchancen bei den für März geplanten Parlamentswahlen verschlechtert.
Internationaler Sportgerichtshof – Kosovo: Diesen Montag findet eine Anhörung vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne statt, die die Aufnahme Kosovos in den europäischen Fußball-Verband Uefa betrifft. Die Aufnahme erfolgte in Widerspruch zu den eigenen Statuten und wurde von Serbien moniert. Die FAS (Michael Martens) stellt den Fall ausführlich vor.
Island – Verfassung: Max Steinbeis (verfassungsblog.de) nimmt die isländische Parlamentswahl zum Anlass für eine Neubewertung des isländischen Verfassungsprozesses. Da das Parlament das volksgesteuerte Verfahren einst angestoßen habe, habe es auch die Freiheit, die Ergebnisse zu ignorieren. Anders als vor fünf Jahren sehe er es im Lichte von Trump, le Pen und Petry nicht mehr als so wohlklingend an, das Volk gegen die Mächtigen zu mobilisieren. Der isländische Verfassungsprozess sei als Prozess wichtiger gewesen als seine Ergebnisse.
Sonstiges
Kriminalität: Die Samstags-SZ (Ronen Steinke) befasst sich mit der aktuellen Kriminalitäts-Entwicklung. Die gestiegenen Einbruchsdiebstähle haben bereits Gesetzesverschärfungen und neue Ermittlungsmaßnahmen zur Folge gehabt. Dagegen sinken die Gewaltdelikte seit Jahren stetig, insbesondere ist die Aufklärung im häuslichen Bereich erfolgreich.
Clowns-Masken: Rechtsprofessor Ralf Poscher erläutert im Interview mit dem Spiegel (Dietmar Hipp) ein mögliches Verbot von Gruselmasken. Bei Häufungen außerhalb der Karnevalszeit könnten Ordnungs- bzw. Polizeibehörden das Tragen von Horror-Masten durch eine Verordnung untersagen. Auch ein Gesetz sei grundsätzlich denkbar.
Vertragstheorie: Aus Anlass der Verleihung des Nobelpreises für Ökonomie an zwei Wissenschaftler für ihre Beiträge auf dem Gebiet der Vertragstheorie, erläutert Rechtsanwalt Peter Scherer auf lto.de deren Grundlagen.
Das Letzte zum Schluss
Klauender Polizist: Ein US-Polizist, der einem Verdächtigen durchsuchte und dabei 100 Dollar in die eigene Tasche steckte, hat sich selbst überführt. Aufnahmen seiner Bodycam zeigten den 100-Dollar-Schein, der später fehlte. spiegel.de berichtet, dass der Polizist wegen Diebstahls angeklagt wurde.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 29. bis 31. Oktober 2016: Prüfung von Kinderehen / Register für Samenspender / Geert Wilders vor Gericht . In: Legal Tribune Online, 31.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21022/ (abgerufen am: 04.07.2024 )
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