Nach der Messer-Attacke am Hannoveraner Hauptbahnhof erhebt die BAW nun Anklage wegen versuchten Mordes. Außerdem in der Presseschau: neues Unterhaltsrecht bei Kuckuckskindern, Kim Dotcom gegen Auslieferung und Pech für Autoknacker.
Thema des Tages
OLG Celle – Messer-Attacke: Wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung hat die Bundesanwaltschaft Anklage gegen die 16-jährige Safia S. beim Oberlandesgericht Celle erhoben. Die Jugendliche soll im Februar im Hannoveraner Hauptbahnhof einen Bundespolizisten in den Hals gestochen haben. Die Tat soll im Auftrag des sogenannten Islamischen Staats verübt worden sein. Nach einem Bericht der SZ (Ronen Steinke) wurde auch eine Anklage gegen einen 19-Jährigen, der von Plänen gewusst haben soll, sie aber nicht anzeigte, erhoben werden. Gegen diesen Angeschuldigten werde zudem auch immer noch im Zusammenhang des im vergangenen November in Hannover wegen Sicherheitsbedenken abgesagten Fußball-Länderspiels ermittelt. Reinhard Müller (FAZ) plädiert in einem Kommentar wegen der durch den Fall sichtbar gewordenen Gefahren dafür, dem Verfassungsschutz zu ermöglichen, auch Jugendliche zu beobachten. Natürlich müssten hierbei bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, aber schließlich fälle der Verfassungsschutz "auch über Erwachsene kein Unwerturteil auf Lebenszeit", sondern sammle schlicht Informationen. "Gefahren kennen" aber "keine Altersgrenzen".
Rechtspolitik
Kuckuckskinder/Unterhaltsrecht: Auch SZ (Sophie Burfeind) und Tsp (Jost Müller-Neuhof) berichten nun zu Plänen des Bundesjustizministeriums, das Unterhaltsrecht bei sogenannten Kuckuckskindern zu reformieren. Der Kern der Neuregelung, eine sogenannte Sex-Auskunftspflicht für Mütter, gehe auf ein Urteil des Bundesverfassungsgericht aus dem letzten Jahr zurück. Dort wurde entschieden, dass die begehrte Auskunft in Ermangelung einer gesetzlichen Grundlage nicht erteilt werden müsse. In einem separaten Kommentar bezeichnet es Jost Müller-Neuhof (Tsp) als "Ding der Unmöglichkeit", die zugrundeliegenden "Konflikte zur Zufriedenheit aller regeln zu wollen". Der anzustrebende Ausgleich widerstreitender Interessen könne aber durch die im Entwurf vorgesehene Möglichkeit der Mutter, Auskünfte bei Unzumutbarkeit verweigern zu können sowie die Befristung von Rückforderungsansprüchen auf zwei Jahre erreicht werden.
Städtebaurecht: Ein aktueller Referentenentwurf zur Anpassung des Städtebaurechts sieht als wichtigste Neuerung einen neuen Gebietstypus "Urbane Gebiete" vor. Rechtsanwalt Daniel Pflüger stellt auf lto.de Inhalt und Leitbilds dieses Gebietstypus mit Beispielen vor und geht außerdem auch auf die geplante Anpassung der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm ein.
Facebook: Bundesinnenminister Thomas de Maiziére (CDU) hat den Facebook-Konzern aufgefordert, "aktiver gegen Terrorismus und Hass" vorzugehen, berichtet die FAZ (Hendrik Wieduwilt). Nach Ansicht des Ministers könne es nicht sein, dass das Unternehmen "immer erst auf Aufforderung seiner Nutzer tätig" werde. Geltendes EU-Recht dagegen befreie Anbieter derzeit von der Pflicht, Inhalte vorab zu prüfen und untersuchen. Zur Pressekonferenz des Ministers und technischen Aspekten sogenannter automatisierter Uploadfilter berichtet auch netzpolitik.org (Markus Reuter).
Netzneutralität: Mögliche Inhalte der am heutigen Dienstag vom Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation vorgestellten Leitlinien zur Netzneutralität nennt netzpolitik.org (Thomas Rudl).
TTIP: In einem Gastkommentar für das Hbl warnt Oliver Wieck, Generalsekretär der Internationalen Handelskammer ICC in Deutschland, vor "einem radikalen Wechsel" im Procedere zur Beilegung internationaler Investitionstreitigkeiten. Der bei den Verhandlungen zum TTIP-Abkommen angedachte Gerichtshof mit einer Berufungsinstanz stelle ohne Not ein bewährtes und "für beide Seiten neutrales und faires Verfahren" in Frage.
Erbschaftsteuer: Über die am morgigen Mittwoch beginnenden Verhandlungen des Vermittlungsausschusses zur vom Bundesverfassungsgericht angemahnten Reform der Erbschaftsteuer berichtet nun auch die taz (Christian Rath). Das Gericht habe angekündigt, ab Ende September eine eigene Neuregelung zu treffen, wenn bis dahin keine Einigung zwischen Bundestag und Bundesrat absehbar sei.
Vorinsolvenz: Früher als geplant, bereits am 25. Oktober, will die EU-Kommission über die Richtlinie zum vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren entscheiden. Dies bestätigte die Kommission dem Hbl (Heike Anger) auf Anfrage. Derartig außergerichtliche Verfahren seien bislang in Großbritannien oder Frankreich üblich, in Deutschland dagegen nicht existent. Die Richtlinie dürfte daher die hiesige Insolvenzkultur verändern.
Immobilienkredite: Nach Bericht des Hbl (Frank M. Drost) prüft die bayerische Staatsregierung derzeit, ob Änderungen am deutschen Umsetzungsgesetz zur seit März geltenden EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie notwendig seien. Die Kreditwirtschaft kritisiere härtere Vorgaben durch die Richtlinie, durch die etwa Rentnern oder jungen Familien mit geringen Einnahmen Kredite unmöglich gemacht würden. Das Bundesjustizministerium teile die Kritik zwar nicht, habe aber für den 6. September eine Sitzung mit Verbänden der Kreditwirtschaft und Verbraucherschützern anberaumt, um sich einen Überblick zu aktuellen Entwicklungen zu verschaffen.
Justiz
OVG NRW – Gorch Fock: lto.de bringt einen Vorbericht zu der am 14. September am Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen anstehenden mündlichen Verhandlung in der Entschädigungsklage der Eltern der 2008 auf dem Segelschiff Gorch Fock verunglückten Jenny Böken.
LG Hamburg zu Silvesterübergriff: Wegen sexueller Nötigung und Körperverletzung hat das Landgericht Hamburg einen 19-jährigen Afghanen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Der Übergriff fand am Neujahrsmorgen statt, war nach den Worten der Kammervorsitzenden aber nicht "der Silvesterfall", schreibt zeit.de.
LG Bochum zu Betrug mit Elterngeld: Die wegen gewerbsmäßigen Betrugs durch gefälschte Elterngeldanträge angeklagten zwei Polizeibeamten hat das Landgericht Bochum nun zu Haftstrafen von jeweils zweieinhalb Jahren verurteilt. bild.de berichtet.
AGH NRW zu Anwaltswerbung: Detlef Burhoff (blog.burhoff.de) berichtet zu einem Beschluss des Anwaltsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen vom Anfang Juni, in dem mehrere von einem Rechtsanwalt eingesetzte Werbemotive als mit dem berufsrechtlichen Sachlichkeitsgebot unvereinbar erklärt wurden.
LKW-Kartell: Auch die FAZ (ols) berichtet nun in ihrem Unternehmens-Teil zu bevorstehenden Schadensersatzklagen von Spediteuren gegen Mitglieder eines illegalen LKW-Kartells. Die EU-Kommission hatte im vergangenen Juli gegen die betroffenen Hersteller eine Rekordstrafe von fast drei Milliarden Euro verhängt.
Recht in der Welt
Neuseeland/USA – Kim Dotcom: Mittlerweile in der Berufungsinstanz wehrt sich der deutschstämmige Internetunternehmer Kim Dotcom in seiner neuen Heimat Neuseeland gegen eine Auslieferung in die USA, wo ihm eine jahrzehntelange Haft wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen drohen. Zu Beginn der Verhandlung lehnte das Gericht einen beantragten Livestream ab. Es berichten SZ und Hbl (Urs Wälterlin).
USA – Lennon-Mörder: Der Mörder John Lennons ist nach Meldung von spiegel.de zum neunten Mal mit dem Versuch gescheitert, auf Bewährung aus der Haft entlassen zu werden. Nach der Tat im Dezember 1980 wurde Mark David Chapman zu mindestens 20 Jahren Haft verurteilt.
Sonstiges
Verklage-Start-up: Über eine neue Geschäftsaktivität des Silicon-Valley-Investors Peter Thiel berichtet die FAZ (Jonas Jansen) in ihrem Unternehmens-Teil. Thiel soll 100.000 Dollar in das Unternehmen Legalist, das mittels eines Algorithmus erkennen will, "wo sich der Einstieg zum Mitverklagen lohnt", investiert haben.
Testament: In Fortsetzung ihrer Reihe zum "Tabuthema Erbe" legt die SZ (Lea Hampel/Pia Ratzesberger) dar, warum es wichtig ist, beizeiten ein Testament aufzusetzen.
JVA-Leiterin: Die Welt (Sophie Lübbert) porträtiert Maria Look. Die Juristin leitet mit der JVA Werl eine der größten Haftanstalten der Republik.
Das Letzte zum Schluss
Autoknacker: Doppeltes Pech hatte ein Autoknacker aus Aachen. Wie justillon.de (Andreas Stephan) schreibt, wurde der Mann am vergangenen Freitagabend nicht nur auf frischer Tat beobachtet. Sein Zielobjekt war zudem auch ein Zivilwagen der örtlichen Polizei. Die Beamten stellten den Mann nach kurzer Verfolgung zu Fuß.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 30. August 2016: Mordanklage wegen Messer-Attacke / Unterhalt für Kuckuckskinder / Kein Livestream für Dotcom . In: Legal Tribune Online, 30.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20418/ (abgerufen am: 04.07.2024 )
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