Die Schufa muss ihre Formel zur Berechnung der Kreditwürdigkeit von Verbrauchern nicht offenlegen. Außerdem in der Presseschau: Filmförderung des Bundes verfassungsgemäß, der vereinsrechtliche Status des ADAC, der Kunstsammler Gurlitt denkt über die freiwillige Herausgabe einiger Bilder nach, und wie gefährlich es im Hamburger Gefahrengebiet wirklich zuging.
Thema des Tages
BGH zu Schufa: Der Bundesgerichtshof hat die Klage einer Frau abgewiesen, die von der Schufa Auskunft haben wollte, wie der sogenannte Scoring-Wert, der die Kreditwürdigkeit von Verbrauchern beschreibt, zustande kommt. Nach Auffassung der Karlsruher Richter dient der Auskunftsanspruch des Verbrauchers aus dem Bundesdatenschutzgesetz dazu, dass der Betroffene den in die Bewertung eingeflossenen Lebenssachverhalt erkennen und darauf reagieren kann. Hierfür seien die Angabe der persönlichen Daten, die der Berechnung zugrunde liegen, ausreichend. Die Gewichtung einzelner Daten in der Score-Formel seien dagegen als Geschäftsgeheimnis geschützt. Ausführlich über das Urteil und den zugrunde liegenden Fall berichten die SZ (Wolfgang Janisch), die taz (Christian Rath), die FAZ (Joachim Jahn) und das Handelsblatt (Susanne Metzger).
Rechtsanwalt Thomas Stadler (internet-law.de) überzeugt das Urteil nicht: Der einzelne Verbraucher könne das Zustandekommen seines Scoring-Wertes erst dann nachvollziehen, wenn er auch die Gewichtung der Einzelaspekte kenne. Svenja Bergt (taz) plädiert dafür, das Scoring-Verfahren offenzulegen. Dadurch würde erkennbar werden, dass, wie Verbraucherschützer immer wieder urteilten, die Aussagekraft des Scores gar nicht so viel wert ist.
Rechtspolitik
Oppositionsrechte: Nach Meldung der FAZ (Günter Bannas) sind die Koalitionsfraktionen nun auch bereit, das Quorum für die Einberufung von Sondersitzungen des Bundestags von bisher ein Drittel der Abgeordneten zugunsten der Oppositionsfraktionen zu senken. Gegen den Vorschlag von Bundestagspräsident Lammert, sämtliche Quoren zu verringern, hatte es in der Führung der Unionsfraktion in Bezug auf Sondersitzungen zunächst Bedenken gegeben.
Verfassungsschutz: Das Handelsblatt (Hans-Jürgen Jakobs/Thomas Sigmund) führt ein Interview mit Hans-Georg Maaßen, seit Sommer 2012 Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz. Maaßen äußert sich zu den Gefahren von Wirtschaftsspionage für deutsche Firmen, zum Schutz vor Cyberkriminalität, zu Spionageaktivitäten des US-Geheimdienstes NSA in Deutschland und zur Zusammenarbeit mit Gesprächspartnern in den USA.
Justiz
BVerfG zu Filmförderung: Die Filmförderungsregelungen des Bundes, nach denen alle Kinos zur Entrichtung eines Teils ihrer Einnahmen an die deutsche Filmförderungsanstalt verpflichtet sind, sind nach einer für die meisten Berichterstatter unerwartet deutlichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verfassungsgemäß. Der Beschwerdeführer, die Kinokette UCI hatte argumentiert, die Abgabe sei nicht "gruppennützig" und damit eine unzulässige Sonderabgabe, da die Mehrheit der Kinobetreiber nicht an der Förderung des deutschen Films, sondern allein am wirtschaftlichen Erfolg interessiert seien. Nach Dafürhalten des Gerichts zeige dagegen insbesondere der Marktanteil der deutschen Filme, dass einheimische Produktionen durchaus von wirtschaftlicher Bedeutung für die Kinos sind. Ausführliche Berichte zu dem Urteil finden sich in der taz (Christian Rath) sowie in den Feuilletons der SZ (Wolfgang Janisch) und der Welt (Hanns-Georg Rodek).
BGH zu Wahlfeststellung: Steht nach der Beweisaufnahme im Strafverfahren fest, dass der Angeklagte jedenfalls einen von zwei Tatbeständen verwirklicht hat, bleibt zugleich aber offen, welchen davon, so kann er nach der Rechtsfigur der "ungleichartigen Wahlfeststellung" verurteilt werden. Wie lto.de meldet, hat der Zweite Strafsenat des Bundesgerichtshofs nun im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Rechtsfigur, und hat daher bei den anderen Strafsenaten angefragt, ob sie diese Rechtsauffassung teilen.
BGH zu Verdachtsberichterstattung: Rechtsanwalt Thomas Stalder macht auf internet-law.de auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs von Ende letzten Jahres aufmerksam, in welcher der Gerichtshof ausführlich die Voraussetzungen der Verdachtsberichterstattung, also der Berichterstattung über nicht nachgewiesene ehrenrührige Tatsachenbehauptungen, erläutert. Im konkreten Fall, in dem "stern.de" sowie ein Journalist zur Zahlung einer Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung verurteilt wurden, seien die Angaben einer einzigen Informantin, die über keine eigenen Erkenntnisse verfügte und auch in tatsächlicher Hinsicht keine konkreten anderweitigen Hinweise liefern konnte, jedenfalls nicht ausreichend gewesen.
OLG Hamm zu Geldanlagen in Dubai: Bei der juristischen Aufarbeitung von Anlegerschädigungen durch die Wirtschaftskrise in Dubai haben deutsche Anleger das erste Mal einen Erfolg erzielen können. Wie die SZ (Angelika Slavik) schildert, erkannte das Oberlandesgericht Hamm in sechs Fällen Fehler im Fondsprospekt der Fondsgesellschaft ACI und sprach den betroffenen Anlegern Schadensersatz zu. Rechtsanwalt Mathias Corzelius, der hunderte Privatanleger vertritt, rechne in den kommenden Wochen mit weiteren Urteilen, die den Anlegern Recht geben.
OLG Frankfurt – Völkermord in Ruanda: Im ersten deutschen Prozess zum Völkermord in Ruanda vor dem Oberlandesgericht Frankfurt hat die Staatsanwaltschaft lebenslange Haft – minus sechs Monate aufgrund überlanger Verfahrensdauer – für den Angeklagten Onesphore Rwabukombe gefordert. Sie sehe es als erwiesen an, dass Rwabukombe, seit 2002 als Flüchtling in Deutschland ansässig, als Mittäter für ein Massaker ruandischer Soldaten und Hutu-Milizionäre verantwortlich sei. Die taz (Dominic Johnson) berichtet.
OLG München – NSU: Im NSU-Prozess haben Nebenklagevertreter beantragt, zu ermitteln, ob die Polizistin Michèle Kiesewetter nicht doch aus Rache für ihre Einsätze als Bereitschaftspolizistin ermordet wurde. Nach Erläuterung der SZ (Annette Ramelsberger) sollen dazu ihre Dienstpläne entsprechend durchforstet und zudem geklärt werden, ob die Polizistin einmal als Zeugin gegen einen Rechtsradikalen vor Gericht aufgetreten war. Wie spiegel.de (Björn Hengst) meldet, soll sich das Gericht auf Antrag von Nebenklägern zudem näher mit dem menschenverachtenden Brettspiel "Pogromly" befassen, das nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft vom NSU-Trio konzipiert worden war.
LG Köln zu RedTube-Abmahnungen: Das Landgericht Köln hat seine Entscheidungen vom Vorjahr revidiert und auf Widerspruch von Betroffenen geurteilt, dass die Daten von Nutzer des Pornoportals RedTube nicht herausgegeben hätten werden dürfen. "Die Vorgänge am Landgericht Köln sind kein Beleg, dass ein Richtervorbehalt eh nichts bringt, sondern dass er wachsame Richter erfordert", meint Christian Rath (taz.de). Interessant sei nun, ob und wie es dem Abmahn-Kartell mit Strafverfolgung und Schadensersatzklagen an den Kragen geht. Die "berüchtigten" Anwälte von Urmann & Collegen, die zigtausende Abmahnungen versandten, "sollten nicht davonkommen".
AG München – ADAC: Auf einen Antrag Dritter prüft das Amtsgericht München derzeit den Vereinsstatus des ADAC. Vereinsrechtsexperte Dirk-Ulrich Otto erläutert auf lto.de, unter welchen Voraussetzung ein Idealverein im Rahmen des sogenannten Nebenzweckprivilegs zusätzlich zu Mitgliedsbeiträgen Einnahmequellen erschließen kann. Im Falle des ADAC dürfe es allerdings angesichts der Vielzahl von ertragreichen Tochter- und Enkelgesellschaften schwer fallen, dieses Nebenzweckprivileg noch zu bejahen.
AG Hoyerswerda zu Nazi-Bedrohung: Das Urteil des Amtsgerichts Hoyerswerda, in dem acht Angehörige der Neonazi-Szene wegen Bedrohung eines Antifa-Pärchens größtenteils zu Freiheitsstrafen auf Bewährung verurteilt wurden, stößt auf Kritik. Wie die SZ (Lara Fritzsche), die taz (Michael Bartsch) und die FAZ (Peter Schilder) berichten, bezeichnete etwa das Internationale Auschwitz-Komitee das Urteil als "skandalös".
"Das Urteil ist nicht das Problem", meint dagegen Konrad Litschko (taz). Vielmehr brauche es Menschen, die sich den selbstsicher auftretenden Neonazis offen entgegenstellen.
Recht in der Welt
EGMR – Irland: Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte muss Irland einer Frau Schmerzensgeld zahlen, die in den siebziger Jahren als Schülerin an einer öffentlichen Schule widerholt vom Schulleiter sexuell missbraucht worden war. Nach Schilderung von spiegel.de urteilte der Gerichtshof, das irische System zur Erkennung und Verhinderung von Missbrauch sei zu dieser Zeit ineffektiv gewesen, wodurch es zu mehr als 400 Missbrauchsfällen gekommen sei. Eine ausführliche Besprechung des Urteils findet sich auf verfassungsblog.de (Hannah Birkenkötter).
IStGHJ – Karadzic und Mladic: Im Prozess gegen den ehemaligen Präsidenten der bosnischen Serben Karadzic vor dem UN-Jugoslawien-Tribunal in Den Haag wegen unter anderem des Völkermords in Srebrenica hat am Dienstag dessen ehemaliger Armeechef Mladic, der sich ebenfalls vor dem Tribunal verantworten muss, als Zeuge ausgesagt. Höhepunkt des "bizarren" (taz (Tobias Müller) bzw. "absurden" (Die Welt (Kerstin Schweighöfer) Auftritts Mladics war laut FAZ (Michael Martens) seine Aufforderung, ihm seine künstlichen Zähne zu bringen, die er in seiner Zelle vergessen hatte. Auch die SZ (Ronen Steinke) berichtet ausführlich.
Irland – Jobbik: Das Budapester Tafelgericht hat entschieden, dass Ungarns rechtsextreme Parlamentspartei Jobbik als neonazistisch bezeichnet werden darf. Wie spiegel.de meldet, sei die Bezeichnung vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.
Ukraine – Demonstrationsverbote: Das Parlament der Ukraine hat mit großer Mehrheit mehrere umstrittene Gesetze, insbesondere die Einschränkung des Demonstrationsrechts, abgeschafft. Dazu spiegel.de.
Sonstiges
Fall Gurlitt: spiegel.de (Michael Sontheimer) und die SZ (Ira Mazzoni/Catrin Lorch) im Feuilleton berichten, dass der Münchener Kunstsammler Cornelius Gurlitt nach Auskunft seines Anwalts Hannes Hartung bereit ist, einzelne Bilder aus seiner Sammlung freiwillig zurückzugeben. Zwischen der Taskforce "Schwabinger Kunstfund" und den Anwälten Gurlitts gab es in der vergangenen Woche Gespräche. Zudem verhandeln die Anwälte Gurlitts mit der Staatsanwaltschaft Augsburg über die Rückgabe der Bilder, die zweifelsfrei Gurlitt gehören.
Genussrechte: Anlässlich der Insolvenz des Windkraftunternehmens Prokon erläutert Rechtsanwalt Tilman Schrecker auf der Recht und Steuern-Seite der FAZ die Einzelheiten des Genussrechts als Anlageinstrument. Als Genussrecht bezeichnet werde eine schuldrechtliche Vereinbarung, die ganz individuell Chancen und Risiken verteilt. Die Ausgestaltung der vermögensrechtlichen Ansprüche, insbesondere die Verzinsung des Genussrechtskapitals sei den Vertragsparteien überlassen und folge dem Prinzip: "Alles kann, nichts muss." Anders als etwa Aktionäre habe ein Genussrechtsinhaber keinerlei Mitbestimmungsrechte.
Investitionsschiedsgerichte: Rechtsanwältin Sabine Konrad stellt auf dem Handelsblatt-Rechtsboard die Verfahrensweise des Investitionsschiedsgerichts der Weltbank vor.
Film zum Fall Harry Wörz: Am heutigen Mittwoch bringt die ARD einen Spielfilm über den Fall von Harry Wörz, der 1998 wegen versuchten Totschlags an seiner Frau verurteilt und im Jahr 2010 rechtskräftig freigesprochen wurde. "Wer die Justiz mit Kafka für ein heilloses Labyrinth hält, in dem es weder Gerechtigkeit noch Rechtssicherheit gibt, sieht sich hier bestätigt", urteilt die FAZ (Heike Hupertz). Weitere Filmkritiken finden sich in der SZ (Bernd Dörries) und der taz (Jens Müller).
Das Letzte zum Schluss
Gefahrengebiet: Die Hamburger Polizei zieht Bilanz aus neun Tagen Gefahrengebiet. Wie zeit.de zusammenfasst, wurden in fast 1.000 Kontrollen unter anderem 19 Böller, ein Schlagstock, zwei Knüppel, Pfefferspray, zwei Tierabwehrsprays und ein Taschenmesser konfisziert. Festgestellt, aber nicht einbehalten wurden außerdem eine unbekannte Anzahl an WC-Bürsten sowie eine "Haushaltsrolle in Alufolie eingewickelt, innen ein Zettel mit der Aufschrift 'Peng'".
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/js
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 29. Januar 2014: Schufa-Formel weiter geheim – Filmförderung verfassungsgemäß – Gurlitt zu Rückgabe bereit . In: Legal Tribune Online, 29.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10812/ (abgerufen am: 21.07.2024 )
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