Bis zum Jahr 2004 können Bankkunden rechtswidrige Kreditgebühren von ihrem Institut zurückverlangen, entschied der BGH. Außerdem in der Presseschau: Thomas Fischer zu Strafbarkeitslücken im Sexualstrafrecht, das BVerfG zum Eilrechtsschutz für Journalisten, EuGH muss über IP-Adressen entscheiden, Rechtsanwalt Prinz im Koma, EGMR lehnte Beschwerde von Nacktwanderer ab - und warum ein Rentner aus Westfalen sich eine Killer-Forke bauen ließ.
Thema des Tages
BGH zu Kreditgebühren: Schon im Mai 2014 hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass Banken für die Bearbeitung von Verbraucherkrediten keine Bearbeitungsgebühren verlangen durften. Jetzt entschied der BGH, dass die Betroffenen die Gebühren bis zum Jahr 2004 zurückverlangen können. Die dreijährige Verjährungsfrist bei unrechtmäßiger Bereicherung fing erst 2011 zu laufen an, als sich die Rechtsprechung zu wandeln begann. Die Rückforderung von Bearbeitungsgebühren ist damit nur durch die absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren begrenzt. Es berichten unter anderem die FAZ (Joachim Jahn), der Tagesspiegel (Ursula Knapp) und die Welt (Kathrin Gotthold).
Rechtspolitik
Vergewaltigung: BGH-Richter Thomas Fischer antwortet seiner Kritikerin Tatjana Hörnle in den Kommentaren des Verfassungsblogs sowie (leichter zu finden und mit fast identischem Text) als Kommentar zur lto-Presseschau von Montag. Auch Hörnle sei bei anderen Sachverhalten gegen eine Bestrafung der nicht konsentierten Konfrontation mit unerwünschtem Verhalten. Bestimmte Handlungen, die Hörnle als derzeit nicht strafbar bezeichnet habe, seien als Nötigung durchaus strafbar. Neben der Schutzlücke bei der Vergewaltigung zählt Fischer ironisch weitere Schutzlücken auf, zum Beispiel fehlten Gesetze "gegen schlecht schmeckendes Essen". Er sehe keine Notwendigkeit die Schutzlücke gegen aufgedrängte Zungenküsse zu schließen. Strafverfolgung dürfe nicht zur "Karikatur von Freiheit" werden.
Tarifeinheit: Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat am gestrigen Dienstag mit einem kurzen Statement ihren Gesetzentwurf zur Tarifeinheit vorgestellt. Unter anderem Die Welt (Stefan von Borstel/Flora Wisdorff) schildert die bisher bekannten Inhalte und die ausgelösten Diskussionen.
Gläserne Steuerzahler: An diesem Mittwoch werden mindestens 50 Staaten das internationale Abkommen über den automatischen Informationsaustausch in Steuersachen unterzeichnen. Bastian Brinkmann (SZ) hält dies im Wirtschafts-Leitartikel für einen "enormen Fortschritt im Kampf gegen die Steuerhinterziehung – und einen begrüßenswerter Eingriff in die Privatsphäre." Es sei "kein Widerspruch, sich über die NSA-Überwachung aufzuregen, aber die Kontodaten-Kontrolle zu loben." Die Steuerfahnder könnten auf tatsächliche Schäden verweisen, die NSA nur auf ein abstraktes Terrorrisiko.
Nacktbilder: Christian Rath (Badische Zeitung) fasst die Kritik am geplanten Strafgesetz gegen die Anfertigung von Nacktfotos zusammen und stimmt ihr zu.
Justiz
BVerfG zum Eilschutz für Journalisten: Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass Journalisten einen Auskunftsanspruch gegen Behörden schon dann im Eilverfahren durchsetzen können, wenn "ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung" bestehe. Es korrigierte damit das Bundesverwaltungsgericht, das ein "unaufschiebbares Interesse" gefordert hatte, etwa bei Berichten über schwere staatliche Rechtsbrüche. Über den Beschluss informieren der Tagesspiegel (Jost Müller-Neuhof), der geklagt hatte, sowie die taz (Christian Rath) und der Verfassungsblog (Maximilian Steinbeis).
OLG Hamm zu Handy am Steuer: Im stehenden PKW darf nur telefoniert werden, wenn der Motor abgeschaltet ist. Dies gelte auch, wenn der Motor aufgrund einer Start-Stop-Automatik an Ampeln automatisch ab- und wieder angeschalten werde, entschied jetzt laut lto.de das Oberlandesgericht Hamm. Auf ein Umdrehen des Zündschlüssels komme es nicht an.
OLG München zu Ebay-Kommentaren: Das Oberlandesgericht München stellte strenge Anforderungen für die Zulässigkeit von Nutzer-Kommentaren auf der Verkaufsplattform ebay auf. Wer seinen Verkäufer bewertet, müsse eindeutige und beweisbare Aussagen treffen. Ein Kunde, der ein angeblich "schwergängiges" Schraubgewinde an einem Beschlag monierte, musste den Eintrag entfernen und die Verfahrenskosten bezahlen, berichtet die SZ (Ekkehard Müller-Jentsch) im Bayern-Teil.
BGH - IP-Adressen: Der Bundesgerichtshof legte die Frage, ob IP-Adressen personenbezogene Daten sind, dem Europäischen Gerichtshof vor. Es geht um die Frage, ob Webseitenbetreiber, die die IP-Adressen ihrer Nutzer speichern, dafür eine gesetzliche Erlaubnis benötigen. Es berichten die taz (Christian Rath) und zeit.de (Patrick Beuth).
LG Stuttgart - Mappus: Am Landgericht Stuttgart begann am Dienstag die Verhandlung über die Schadensersatzansprüche des Ex-Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg Stefan Mappus (CDU). Er hatte seinen früheren Anwalt Andreas Schockenhoff (Gleiss Lutz) auf Schadensersatz verklagt, weil dieser ihn beim Kauf der EnBW-Anteile bezüglich der notwendigen Parlamentsbeteiligung schlecht beraten habe. Im Prozess warfen sich beide Seiten vor, den Vorgang falsch zu schildern, berichten die Badische Zeitung (Andreas Böhme) und lto.de. Der Prozess wird nicht-öffentlich fortgeführt.
StA Stuttgart - Mappus: Wie die FAZ meldet, will die Stuttgarter Staatsanwaltschaft an diesem Mittwoch ihr Ermittlungsverfahren gegen Mappus einstellen. Mappus war Untreue vorgeworfen worden, weil er für den Kauf der EnBW-Anteile zu viel Geld ausgegeben habe.
LG Stade zu Notwehr: Mit dem Urteil des Landgerichts Stade, das einen Rentner, der auf flüchtende Räuber geschossen hatte, wegen Totschlags verurteilte, befasst sich jetzt auch Henning-Ernst Müller (blog.beck.de). Nach seiner Einschätzung wäre ein Freispruch wegen Notwehrexzess gemäß § 33 des Strafgesetzbuches naheliegend gewesen.
BGH zu Unterbringung: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Martin Heidebach kritisiert auf juwiss.de ein Urteil des Bundesgerichtshofs von 2012. Der BGH hatte dem Verfahrenspfleger eines psychisch Kranken das Recht abgesprochen, in dessen Namen nachträglichen Rechtsschutz gegen eine zwangsweise Unterbringung zu beantragen, wenn der Betroffene schon wieder entlassen worden war. Hier komme es auf die persönliche Erfahrung an, die der Betreuer nicht habe, so der BGH. Der Autor ruft zu Verfassungsbeschwerden auf.
RA Prinz im Koma: Der Medienanwalt Matthias Prinz ist am Dienstag morgen beim Joggen zusammengebrochen. Ärzte stellten einen Herzstillstand fest, aber keinen Herzinfakt, berichtet bild.de. Er liege jetzt im künstlichen Koma.
Recht in der Welt
EGMR - britischer Nacktwanderer: Der Brite Stephen Gough lehnt es ab, seinen Körper zu verhüllen und wanderte ab 2003 nackt durch England. Dabei wurde er mehr als 30 Mal festgenommen und saß von 2003 bis 2012 insgesamt rund sieben Jahre im Gefängnis. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte konnte darin keine Verletzung seines Privatlebens und seiner Meinungsfreiheit erkennen, berichtet spiegel.de.
Chile - Colonia Dignidad: Die SZ (Peter Burghard) gibt einen Überblick über die Strafverfolgung gegen Mitglieder der ehemaligen Sekte Colonia Dignidad in Chile und Deutschland. In Chile habe ein neuer, diesmal engagierter, Staatsanwalt die Ermittlungen übernommen. Der frühere Sektenarzt Hartmut Hopp wurde 2013 in Chile wegen Beihilfe zur Vergewaltigung zu fünf Jahren Haft verurteilt. Hopp lebt heute in Deutschland und wird nicht ausgeliefert. Chile stellte jetzt aber einen Antrag, die Strafe in Deutschland zu vollstrecken.
Sonstiges
Versammlungsrecht: Nach dem es am Sonntag bei der Demonstration "Hooligans gegen Salafismus" zu Straßenschlachten kam, sprach lto.de (Anne-Christine Herr) mit dem Versammlungsrechtler Michael Kniesel. Die Kundgebung vom Wochenende hätte wohl nicht verboten werden können, bei weiteren Veranstaltungen mit dieser Klientel wäre ein Verbot dagegen möglich.
Heribert Prantl (SZ) hält Verschärfungen des Versammlungsrechts für unnötig. Gerichte müssten es auch heute nicht hinnehmen, "dass eine geplante Massenschlägerei sich als Demonstration tarnt."
Das Letzte zum Schluss
AG Detmold zur Killer-Forke: Ein 75-jähriger Rentner hatte sich ein Gerät mit langen Nägeln anfertigen lassen, um damit im eigenen Garten Maulwürfe zu töten. Da Maulwürfe jedoch unter Naturschutz stehen, wurde er jetzt zur Zahlung von 1.500 Euro verurteilt, meldet bild.de. Es konnte ihm aber nicht nachgewiesen werden, dass er mit der Killer-Forke je einen Maulwurf getötet hat.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 29. Oktober 2014: Geld zurück dank BGH – Thomas Fischer antwortet – BVerfG beschleunigt Presseauskünfte . In: Legal Tribune Online, 29.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13630/ (abgerufen am: 03.07.2024 )
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