Das LG München einigt sich im BayernLB-Verfahren mit den Verfahrensbeteiligten auf eine Strafe. Außerdem in der Presseschau: die Arbeitsministerin zur Tarifeinheit, Stefan Mappus gegen seine Anwälte, LG Stade zu Grenzen der Notwehr, Bremerhaven gegen Bremen wegen Einwohnerzahl, rechtliche Konsequenzen für Kinox.to-Nutzer und Geheimniskrämerei in Bayern.
Thema des Tages
LG München zu BayernLB: Das Verfahren wegen Unregelmäßigkeiten bei der Übernahme der österreichischen Hypo Alpe Adria-Bank durch die BayernLB ist vor dem Landgericht München mit einem Schuldspruch gegen den früheren Bankchef beendet worden. Wegen Bestechung des damaligen Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider wurde Werner Schmidt zu einer auf Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Zuvor hatte der Banker entsprechend einer erzielten Übereinkunft gestanden, dass der verstorbene Politiker ihn in Vorbereitung des Kaufs aufgefordert hatte, mehrere Millionen Euro zur Unterstützung eines lokalen Fußballvereins zur Verfügung zu stellen. Den Verurteilten treffe dabei nach Ansicht des Gerichts der ethisch-moralische Vorwurf, sich bei diesem Geschäft "über den Tisch" gezogen haben zu lassen, weil die Wertlosigkeit des Sponsorings offensichtlich war, so die SZ (Stephan Radomsky) in ihrem Bericht. Im Gegenzug für das Geständnis wurde der Vorwurf der Untreue fallengelassen. Die Verfahren gegen andere Mitglieder der damaligen Führungsriege der BayernLB waren bereits vorher eingestellt worden. Schmidt und andere Manager sähen sich aber aktuell noch einer Schadensersatz-Forderung ihrer ehemaligen Arbeitgeberin in Höhe von 200 Millionen Euro ausgesetzt. FAZ (Henning Peitsmeier) und Handelsblatt (Axel Höpner) berichten ebenfalls.
Nach Ulrich Schäfer (SZ) beweist das Verfahren erneut, "dass sich die Vergehen der Banker im Vorfeld der Finanzkrise mit den deutschen Gesetzen nicht wirklich aufbereiten lassen." Denn "Größenwahnsinn und Maßlosigkeit", wie sie nicht nur von Verantwortlichen bei der BayernLB an den Tag gelegt wurden, sei eben nicht strafbar. Der Versuch von Anklagebehörden, Untreue nachzuweisen, scheitere dagegen regelmäßig.
Rechtspolitik
Hooligans: Als Konsequenz aus den gewalttätigen Ausschreitungen bei einer Demonstration von rechtsextremen Fußball-Hooligans in Köln hat der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) nach einer Meldung von zeit.de angekündigt, vergleichbare Aufzüge künftig gerichtlich verbieten zu lassen. Verwaltungsgerichte müssten davon überzeugt werden, dass mit der Demonstrations-Anmeldung nicht eine politische Zielsetzung verfolgt, sondern eine "Plattform für Gewalt" gesucht werde.
In einem Leitartikel zum Thema erinnert Reinhard Müller (FAZ) daran, dass sich der Lebenszweck von Hooligans in Gewalt erschöpft. Weil diese sich damit letztlich immer gegen "die Gemeinschaft aller friedliebenden Bürger" richte, sei der Staat zu konsequentem Vorgehen verpflichtet.
PKW-Maut: Nach Bericht der SZ (Daniela Kuhr) hat der scheidende EU-Verkehrskommissar Siim Kallas seine Zustimmung zu den Plänen des von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) forcierten Plänen einer PKW-Maut angedeutet. Deutschland habe bei den Arbeiten zum in dieser Woche vorgestellten Entwurf den von der Kommission geäußerten Bedenken Rechnung getragen.
Dagegen meint Rechtsanwalt Fritz von Hammerstein in einem Gastkommentar für das Handelsblatt, dass es noch nicht zu spät für "gesichtswahrenden Ausstieg" aus dem Maut-Projekt wäre. Auch wenn es rechtstechnisch vielleicht noch möglich wäre, ein an den Differenzierungen des Kfz-Steuerrechts orientiertes Mautsystem zu installieren, stünde der "immense Vollzugsaufwand" in keinem Verhältnis zum Ertrag.
Tarifeinheit: Die FAZ (Dietrich Creutzburg) berichtet zu Einzelheiten des Gesetzentwurfs zur Tarifeinheit, der in dieser Woche von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) vorgelegt werden wird. Die Ministerin wird in einem weiteren Beitrag der FAZ (Dietrich Creutzburg, Zusammenfassung) zu den Intentionen des Entwurfs befragt.
In einem separaten Kommentar begrüßt Dietrich Creutzburg (FAZ) das Vorhaben als Versuch, "die Vervielfachung der Verteilungskämpfe" zwischen Gewerkschaften zu unterbinden. Weil diese Kämpfe "weder für das Tarifvertragssystem noch für die Marktwirtschaft" gut seien, wäre es legitim, wenn der Staat hier "den Ordnungsrahmen für Tarifkonflikte" stabilisiere.
Steuern: Über den Deutschen Steuerberaterkongress in München berichtet die FAZ (Joachim Jahn). So habe Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in einem Vortrag den geplanten Abbau der kalten Progression an eine Fortsetzung des Solidarpaktes geknüpft. Rudolf Mellinghoff, Vorsitzender des Bundesfinanzhofs habe sich für eine Beibehaltung des Amtsermittlungsgrundsatzes bei den Steuerbehörden ausgespochen.
Urheberrecht: Der designierte EU-Kommissar für digitale Wirtschaft, Günther Oettinger, hat Pläne zu einer Reform des Urheberrechts in der EU vorgestellt. Wie das Handelsblatt (Ruth Berschens) schreibt, solle hierfür geistiges Eigentum im Internet zunächst definiert und in weiteren Schritt die Rechte der Urheber geregelt werden. Diese sollten letztlich von einer europäischen Urheberrechtsabgabe, die von allen in der EU tätigen Unternehmen, also auch Google, geleistet werden müsse, profitieren. Ein Entwurf werde wohl erst 2016 fertiggestellt.
Einsatzkosten: Rechtsanwalt Markus Schütz erläutert im Gespräch mit spiegel.de (Hendrik Buchheister) rechtliche Bedenken gegen den Bremer Plan, der Deutschen Fußball-Liga künftig die Kosten für Polizeieinsätze bei sogenannten Risikospielen in Rechnung stellen zu wollen.
Justiz
LG Stuttgart – Stefan Mappus: Vor dem Landgericht Stuttgart verklagt der ehemalige Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) die Kanzlei Gleiss Lutz wegen mangelhafter Beratung im Zusammenhang des mit Landesmitteln bewirkten Rückkaufs des Energieversorgers EnBW auf 500.000 Euro Schadensersatz. Die Summe soll Mappus für erlittene berufliche Nachteile entschädigen, schreibt die SZ (Max Hägler/Josef Kelnberger). Die Kanzlei habe den damaligen Ministerpräsidenten dazu gedrängt, den Ankauf über eine nach der Landesverfassung mögliche Notbewilligung und damit ohne Zustimmung des Parlaments abzuwickeln. Die Staatsanwaltschaft ermittelt derweil in der Sache wegen des Verdachts der Untreue.
LG Köln – Madeleine Schickedanz: Vor dem Landgericht Köln wird der Schadensersatzprozess der Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz gegen ihre frühere Hausbank Sal. Oppenheim und den vormaligen Vermögensverwalter Josef Esch mit der Beweisaufnahme fortgesetzt, berichtet die SZ (Kirsten Bialdiga/Uwe Ritzer). Schickedanz fordert 1,9 Milliarden Euro, weil sie von den Beklagten zum Kauf von Arcandor-Aktien ohne Risiko-Aufklärung überredet worden sei. Die vormals prominente Privatbank sehe sich derzeit etwa 20 Zivilklagen wegen angeblicher Falschberatung ausgesetzt.
LG Stade zu Notwehr: Wegen tödlicher Schüsse auf einen flüchtenden Einbrecher hat das Landgericht Stade einen Rentner wegen Totschlags in einem minderschweren Fall zu einer auf Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Laut spiegel.de (Benjamin Schulz) taugt der Fall "zum Stoff für juristische Lehrbücher." Denn der Verurteilte hatte angegeben, bei dem Einbruch vor vier Jahren einen nachweislich nicht gefallenen Schuss vernommen und Todesangst verspürt zu haben. Nach Ansicht des Gerichts und im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft, die für einen Freispruch plädiert hatte, hätten dem Rentner jedoch auch bei Zugrundelegung dieser Einlassung mildere Maßnahmen als sofortige, unangekündigte Schüsse zur Verfügung gestanden. Die SZ (Hans Holzhaider) widmet Fall und Urteil eine Seite Drei-Reportage, in der ausführlich auf Notwehrbestimmungen und Erlaubnistatbestandsirrtum eingegangen wird.
VG Bremen – Einwohnerzahl: Vor dem Verwaltungsgericht Bremen streitet die Stadt Bremerhaven mit der Freien Hansestadt Bremen, also dem Bundesland, über die nach dem Ergebnis des Zensus festgelegte Einwohnerzahl der Gemeinde. Dabei könne sich die klagende Gemeinde nicht auf eigene Erkenntnisse aus Adressenlisten stützen, schreibt die taz-Nord (jpb) in ihrem Bericht. Nach Ansicht des Gerichts stünden diesem Vorgehen datenschutzrechtliche Gründe im Weg. Nun müssten verfassungsrechtliche Legitimität und statistische Methodik des Zensus geprüft werden.
AG Cottbus zu BER-Korruption: Der ehemalige Technikchef des zukünftigen Hauptstadtflughafen BER hat einen vom Amtsgericht Cottbus erlassenen Strafbefehl wegen Bestechlichkeit und Betrug akzeptiert. Die Bewährungsstrafe von einem Jahr und eine Geldauflage von 200.000 Euro wegen Unregelmäßigkeiten bei der Auftragsvergabe sind damit rechtskräftig, schreibt spiegel.de (Michael Kröger).
Schöffe: Der Student Peter Maxwill schreibt für spiegel.de über seine Erlebnisse als Schöffe am Landgericht Hamburg.
Recht in der Welt
Italien – Staatenimmunität: Eine umfangreiche Analyse der Entscheidung des italienischen Verfassungsgerichts zu Ausnahmen von der Staatenimmunität bei Kriegsverbrechen aus der vergangenen Woche liefert Filippo Fontanelli (verfassungsblog.de) in einem englischsprachigen Beitrag.
Sonstiges
Suizidhilfe: Einen "Faktencheck" zum Thema Suizidhilfe bringt die Welt (Matthias Kamann). Unter anderem wird daran erinnert, dass auch nach bisheriger Rechtslage die Beihilfe zu einem freiverantwortlichen Suizid straffrei sei.
Attac: Das Finanzamt Frankfurt hat dem Attac Trägerverein e.V. den Status der Gemeinnützigkeit rückwirkend und zukünftig aberkannt. Der Experte Dirk-Ulrich Otto erklärt für lto.de die steuererklärungsrelevanten Auswirkungen der Entscheidung und mutmaßt, dass sich die Finanzgerichtsbarkeit noch eingehend mit der von der Behörde angeführten Begründung, Attac sei zu politisch, beschäftigen wird.
Kinox.to: Aus Anlass der in der vergangenen Woche erfolgten Razzia gegen Betreiber der Filmplattform kinox.to untersucht Thomas Stadler (internet-law.de), inwiefern Nutzer der Seite Urheberrechtsverletzungen begangen haben. Der Autor vertritt die Auffassung, dass die rezeptive Nutzung von Streaming-Angeboten als rechtmäßige Vervielfältigung nach den einschlägigen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes anzusehen ist. Würde dagegen darauf abgestellt, ob das Angebot rechtswidrig zur Verfügung gestellt worden ist – wie etwa bei der Privilegierung einer Privatkopie –, dann dürfte auch die Herleitung eines für eine Strafverfolgung notwendigen Vorsatzes keine großen Schwierigkeiten bereiten.
Bundeskartellamt: Die SZ (Caspar Dohmen) befasst sich mit der Arbeit des Bundeskartellamtes. Dieses verhängte im laufenden Jahr Bußgelder von mehr als einer Milliarde Euro. Während diese Rekordsumme vor allem auf drei große abgeschlossene Verfahren gegen Wurst-, Zucker- und Bierhersteller zurückzuführen sei, habe generell die 2000 eingeführte Kronzeugenregelung zu einem deutlichen Anstieg der von der Behörde betriebenen Verfahren geführt.
Vollzugskrankenhaus: Die FAZ (Helene Bubrowski) begleitet in einer größeren Reportage die Visite einer Ärztin im Berliner Vollzugskrankenhaus Plötzensee und beschreibt dabei die Schwierigkeiten, Empathie für Gewaltverbrecher zu empfinden.
Das Letzte zum Schluss
Geheime Verschlusssache: Die Veröffentlichung von Urteilen gehört zu den Gepflogenheiten eines demokratisch verfassten Rechtsstaates. Anscheinend nicht im Freistaat Bayern: Wie die FAZ (Jochen Zenthöfer) im Medien-Teil der Zeitung schreibt, beantwortet die zuständige Pressestelle des Landgerichts München auch ein gutes halbes Jahr nach der Verurteilung von Uli Hoeneß wegen Steuerhinterziehung entsprechende Anfragen von Journalisten noch immer routinemäßig mit dem Hinweis auf eine noch nicht abgeschlossene Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Veröffentlichung.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 28. Oktober 2014: Bewährung für Bestechung – Grenzen der Notwehr – Konsequenzen für Kinox.to-Nutzer . In: Legal Tribune Online, 28.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13611/ (abgerufen am: 03.07.2024 )
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