Der Generalbundesanwalt will in der NSA-Affäre wohl nicht ermitteln. Außerdem in der Presseschau: Schlichtungsstelle für Google-Löschungen, anlasslose Überwachung vor dem BVerwG, WhatsApp auf Deutsch, Elektrischer Stuhl reloaded, und warum das Handelsregister manchmal als Wandelregister missbraucht wird.
Thema des Tages
Generalbundesanwalt will in NSA-Affäre nicht ermitteln: Wie die SZ (Hans Leyendecker/Georg Mascolo) berichtet, wird der Generalbundesanwalt keine Ermittlungen wegen der Abhörpraktiken des NSA in Deutschland einleiten. Derartige Ermittlungen hätten lediglich symbolischen Wert, da man nicht in der Lage sei, Beweismittel zu beschaffen. Die formal abschließende Entscheidung des Generalbundesanwalts stehe aber noch aus.
In einem gesonderten Beitrag sucht die SZ (Hans Leyendecker/Georg Mascolo) nach den Gründen für die Unlust der Ermittler gegen die NSA zu ermitteln, obwohl ihnen von der Bundesregierung volle Handlungsfreiheit zugesichert worden sei. Einerseits hätten die früheren NSA-Chefs eine ladungsfähige Adresse, andererseits sei früher auch nicht gegen Stasi-Chef Erich Mielke ermittelt worden, als der die BRD abhören ließ. netzpolitik.org (Andre Meister) hat auf Nachfrage vom Bundesinnenministerium die Auskunft bekommen, dass sich deutsche Beamte strafbar machen, wenn sie Dokumente lesen, die von anderen Staaten als "geheim" eingestuft worden seien. Das gelte auch für die von Snowden präsentierten Unterlagen.
Heribert Prantl (SZ) schreibt zum Verhalten des Generalbundesanwalts von einem "Kotau der Ermittler". Der Generalbundesanwalt habe versucht, sich zwischen kompletter Nichtermittlung und dem echten Ermittlungsverfahren mit einem "Vorermittlungsverfahren" hindurchzumogeln und finde jetzt aus der Mogelei nicht mehr heraus.
Rechtspolitik
Schlichtungsstelle für Google: Die FAZ (Joachim Jahn) berichtet über den Vorschlag der Bundesregierung, gemeinsam mit Google eine Schlichtungsstelle für die große Zahl von auflaufenden Löschungsanträgen einzurichten, um das Verfahren zu vereinheitlichen und Google organisatorisch zu entlassen. Dazu schreibt auch internet-law.de (Thomas Stadler).
Live aus dem Gerichtssaal: Die FAZ (Reinhard Müller) berichtet anlässlich der 115. Tagung des Studienkreises Pressefreiheit und Presserecht über Vorstöße, in bestimmten Prozessen die Übertragung bewegter Bilder aus dem Gerichtssaal zu gestatten. Die Übertragung von Strafprozessen, so eine deutliche Tendenz, sei als Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts jedenfalls nicht möglich.
EU – Einpersonengesellschaft: Das Konzept der einheitlichen "Einpersonengesellschaft", Societeas Unus Personae, das die EU-Kommission vor einigen Wochen vorgelegt hat, erfährt vernichtende Kritik. Das Konzept, eine in der EU einheitliche Rechtsform für kleine und Start-Up-Unternehmen mit Haftungsbeschränkung zu schaffen, steht vor dem Scheitern. Es berichtet die FAZ (Joachim Jahn) auf ihrer Rechtseite.
TTIP und Transparenz: verfassungsblog.de (Markus Krajewski) setzt sich mit der Unwilligkeit der EU-Kommission auseinander, bei den Verhandlungen über TTIP (Transatlantic Trade And Investment Partnership) transparent zu verhandeln. Die Konsultation zum Investitionsschutz habe man nur auf Druck von außen durchgeführt, zu anderen strittigen Punkten wie der Dienstleistungsliberalisierung habe die Kommission den Verhandlungsstand von sich aus nicht öffentlich gemacht.
Managerhaftung: Gregor Bachmann, Juraprofessor an der Freien Universität Berlin, hält die Haftung für Vorstände und Manager in Deutschland für ausgesprochen streng. Der Berichterstatter zu diesem Thema auf dem 70. Juristentag im September spricht von einem erhöhten Risiko der Existenzvernichtung und hofft auf Abhilfe durch die Gerichte. Es berichtet die FAZ (Joachim Jahn) auf ihrer Rechtseite.
Justiz
BVerwG – Anlasslose BND-Überwachung: Am heutigen Mittwoch entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Klage des Berliner Rechtsanwalts Niko Härting. Er sieht in der anlasslosen Überwachung der grenzüberschreitenden Telekommunikation auf der Grundlage von Suchbegriffen einen unzulässigen Eingriff in den Schutzbereich des Fernemeldegeheimnisses. Es berichten SZ (Frederik Obermaier), taz (Christian Rath) und lto.de (Claudia Kornmeier).
In einem eigenen Beitrag untersucht die SZ (Wolfgang Janisch) die gesetzlichen Grundlagen für das Handeln des BND und hält diese tendenziell für veraltet, weil Voraussetzungen und Grenzen nicht genau bestimmt seien.
BAG zu Erholungsbeihilfe für Gewerkschaftsmitglieder: Auf dem Handelsblatt-Rechtsboard kommentiert Rechtsanwalt Paul Melot de Beauregard eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, derzufolge es zulässig ist, wenn Arbeitnehmer, die auch Gewerkschaftsmitglieder sind, eine Erholungsbeihilfe von 200 Euro vom Arbeitgeber erhielten. Dies sei eine Bestätigung des Schwenks hin zur erlaubten Ungleichbehandlung. Es sei unglücklich, dass durch die Erfindung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes "die abwegige Annahme, der Arbeitgeber müsse in sozialistischer Gleichmacherei alle über einen Kamm scheren, falsche Nahrung bekommen" habe. Dieses Urteil trete dieser falschen Erwartungshaltung entgegen.
LG Berlin zu Whats App: Das Handelsblatt (Katharina Schneider online) berichtet über die Entscheidung des Landgerichts Berlin, dass Whats App seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch auf Deutsch veröffentlichen muss. Es gebe zwar viele Deutsche mit sehr guten Englischkenntnissen, der Empfängerkreis dürfe aber trotzdem nicht nachhaltig eingeschränkt werden. Dazu außerdem internet-law.de (Thomas Stadler).
OLG München – Hypo Real Estate: Wie das Handelsblatt meldet, hat der Vorsitzende im Prozess gegen die Hypo Real Estate, Guido Kotschy, die Chancen der Kläger optimistischer beurteilt als noch vor einigen Wochen und sie dazu ermuntert weitere Klagen einzureichen. Der zpoblog.de (Benedikt Meyer) kritisiert die martialische Berichtererstattung der SZ vom Vortag über den "Bankenschreck" Kotschy und bezeichnet den Schriftsatz der Hypo Real Estate Anwälte als "erschreckend substanzlos".
LG Hamburg – HSH Nordbank: Das Handelsblatt (Matthias Lambrecht) bringt einen Vorbericht zum Plädoyer von Staatsanwalt Karsten Wegerich im Prozess gegen sechs ehemalige Vorstände der HSH Nordbank am heutigen Mittwoch. Den Bankern wird Untreue zur Last gelegt. Nach den Plädoyers der Verteidigung könnte ein Urteil im Juli gesprochen werden.
StA München – Krauss-Maffei-Wegmann: Das Handelsblatt (Markus Fasse) berichtet über Ermittlungen, die die Staatsanwaltschaft München gegen das Rüstungsunternehmen Kraus Maffei Wegemann eingeleitet hat. Im Zusammenhang mit Panzerlieferungen nach Griechenland steht der Vorwurf von Korruption und Steuervergehen im Raum.
StA Neuruppin – Korruption beim BER: Der Technikchef des Flughafens BER (Schönefeld), Jochen Großmann, steht unter Korruptionsverdacht. Laut der ermittelnden Staatsanwaltschaft Neuruppin geht es um eine Zahlung von 500.000 Euro. Es berichten SZ (Jens Schneider) und spiegel.de (Michael Kröger/Andreas Wassermann).
StA Landshut – mutmaßlicher Geiselnehmer tot: Wie spiegel.de (Gesa Mayr) berichtet, ist der mutmaßliche Entführer einer Lufthansa-Maschine in der JVA Landshut ums Leben gekommen. Er soll sich erst selbst verletzt haben und dann gewalttätig geworden sein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen acht Beamte wegen Körperverletzung mit Todesfolge.
Recht in der Welt
USA – Elektrischer Stuhl in Tennessee: Der US-Bundesstaat Tennessee führt den Elektrischen Stuhl als Hinrichtungsmethode wieder ein. Einer der Gründe sei die Verknappung von Gift durch den Boykottdruck in den USA und das Ausfuhrverbot der EU von Medikamenten, die zur Tötung von Verurteilten dienten, berichtet die SZ (David Hesse).
Tunesien – Verfassung: Jochen A. Frowein, früher Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht stellt auf der Seite Staat und Recht der FAZ die neue tunesische Verfassung vor. Sie basiere nicht auf der Scharia, sei aber "muslimisch geprägt" und müsse den Anspruch erst einlösen, Offenheit und Toleranz zu garantieren.
Sonstiges
Europas Geschichte: Auf der Seite Staat und Recht der FAZ setzt sich Professor Frank Schorkopf mit der lange vertretenen These auseinander, die Integration der EU sei durch das Recht, vor allem die Rechtsprechung bewirkt worden. "New Legal Historians", aus Dänemark, Frankreich und den USA treten dieser These entgegen, sie sei eine ideologisch motivierte Begründung für die Selbstermächtigung europäischer Institutionen.
Das Letzte zum Schluss
Handelsregister als Wandelregister: lawblog.de (Udo Vetter) stellt eine Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) vor. Eine Frau, die im Körper eines Mannes lebte, war als Geschäftsführer einer GmbH im Handelsregister eingetragen. Nach ihrer Geschlechtsumwandlung beantragte sie die endgültige Streichung der früheren männlichen Vornamen. Das Registergericht weigerte sich und markierte die früheren Namen nur als "gelöscht", das OLG bestätigte die Entscheidung. Die Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Registers gehe dem Recht vor, auch rückwirkend eine neue geschlechtliche Identität annehmen zu können. Die Revision beim Bundesgerichtshof ist zugelassen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Freitag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ro
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 28. Mai 2014: Generalbundesanwalt ermittelt nicht – Korruptionsverdacht beim BER – TV im Gerichtssaal . In: Legal Tribune Online, 28.05.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12112/ (abgerufen am: 21.07.2024 )
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