Vor dem OLG München hat mit dem BayernLB-Prozess eines der zentralen Strafverfahren im Zusammenhang mit der Bankenkrise begonnen. Außerdem in der Presseschau: Gesetzentwurf zu Oppositionsrechten, Schufa-Scoring vor dem BGH, LG Köln rudert bei RedTube zurück, in Texas darf eine hirntote Schwangere sterben und der Diebstahl einer nicht ganz alltäglichen Papst-Reliquie.
Thema des Tages
OLG München – BayernLB: Vor dem Oberlandesgericht München hat der Untreue- und Bestechungsprozess gegen die Ex-Vorstände der BayernLB wegen des Kaufs der Hypo Group Alpe Adria begonnen. Die SZ (Katja Riedel) berichtet im Rahmen einer ausführlichen Reportage über den ersten Prozesstag; insgesamt habe das Gericht 70 Prozesstage veranschlagt. Auch die FAZ (Joachim Jahn) berichtet und schildert ausführlich die Stellungnahme des Ex-Vorstandsvorsitzenden Werner Schmidt, der "alle Vorwürfe zurückgewiesen" habe. Eine Gerichtssaal-Reportage unter dem Titel "Bloß kein Victory-Zeichen" steuert Henning Peitsmeier bei. Auch spiegel.de (Björn Hengst) berichtet.
Die SZ gibt in diesem Zusammenhang außerdem einen Überblick über weitere anhängige Verfahren gegen Bänker im Zusammenhang mit der Finanzkrise – betroffen seien Hypo Real Estate, HSH Nordbank, LBBW und SachsenLB. Das Handelsblatt widmet dem Thema Banken-Prozesse eine Doppelseite und ergänzt die Verfahren gegen Mitarbeiter von Sal. Oppenheim und der IKB.
Joachim Jahn (FAZ) meint, im BayernLB-Verfahren sehe man, "wie wenig der Allzwecktatbestand der Untreue hier passt" und rechnet damit, dass der Vorwurf wegen Vertretbarkeit der unternehmerischen Entscheidungen fallengelassen werde. Anders könne es aber bei den ebenfalls im Raum stehenden Bestechungsvorwürfen im Zusammenhang mit dem Sponsoring des Fußballclubs des ehemaligen österreichischen Landeshauptmanns Jörg Haider aussehen – bei "Bestechung eines Amtsträgers in Millionenhöhe" verstehe "die Justiz keinen Spaß mehr".
Rechtspolitik
Oppositionsrechte: Die Bundestagsfraktionen der Grünen und der Linken haben sich auf einen Gesetzentwurf zur Stärkung der Minderheitenrechte im Bundestag geeinigt. Laut SZ (Robert Rossmann) gesteht dieser "zwei Fraktionen, die nicht die Regierung tragen" sämtliche parlamentarische Minderheitenrechte inklusive der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen und der Erhebung von Normenkontrollklagen zum Bundesverfassungsgericht zu. Die Fraktionen wendeten sich mit dem Entwurf gegen einen Kompromissvorschlag von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU).
Die taz (Christian Rath) fragt nach der Relevanz insbesondere der Normenkontrolle als Oppositionsrecht – und kommt nach eigener Auswertung zu dem Ergebnis, dass das Instrument "in der Praxis" nur eine "minimale Rolle" spiele, weil Streitfragen in der Regel auf anderem Weg zum Bundesverfassungsgericht kämen.
Psychiatrie-Unterbringung: Die SZ (Heribert Prantl, Zusammenfassung) führt ein Interview mit dem neuen bayerischen Justizminister Winfried Bausback zur Reform der strafrechtlichen Regeln zur Unterbringung von Tätern in der Psychiatrie. Der Minister betont, er lasse einen eigenen Gesetzesvorschlag entwerfen; aktuell laufe schon eine Befragung der bayerischen Richter und Staatsanwälte. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz solle künftig stärker im Gesetz verankert werden; zum Beispiel über strengere Bestimmtheitsvorschriften, die Festsetzung einer Unterbringungs-Höchstdauer und häufigere externe Begutachtung. Außerdem spricht er sich für bislang fehlende klare Vollzugsregeln aus.
Extremismus-Klausel: Offenbar will sich das Bundesinnenministerium gegen die Pläne von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) stellen, die umstrittene "Extremismusklausel" wieder abzuschaffen. Das meldet die taz.
Justiz
AG Hoyerswerda zu Nazi-Bedrohung: Das Amtsgericht Hoyerswerda hat acht Angehörige der Neonazi-Szene wegen Bedrohung schuldig gesprochen. spiegel.de (Rainer Leurs) berichtet von dem Prozess, der sich um die Terrorisierung eines Antifa-Pärchens drehte.
AG Koblenz zu Sitzblockade: Anlässlich eines vom Amtsgericht Koblenz erlassenen Strafbefehls setzt sich Wolfgang Janisch auf dem Titel der SZ mit der Sitzblockaden-Rechtsprechung der deutschen Gerichte auseinander. Diese gleiche einer "Springprozession" zwischen ordentlicher und Verfassungsgerichtsbarkeit. Nach jüngster Verfassungsrechtsprechung sei die "Verwerflichkeit" der Blockade entscheidend. Das Amtsgericht Koblenz werde das jedenfalls noch einmal überdenken dürfen – der Betroffene habe gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt.
BGH prüft Schufa-Scoring: Wie die SZ meldet, wird der Bundesgerichtshof auf die Klage einer verhinderten Autokäuferin hin prüfen, ob die Schufa die Formeln offenlegen muss, mit denen sie das Zahlungsverhalten von Verbrauchern einschätzt ("Scoring"). Diese gälten bislang als Betriebsgeheimnis.
OLG Düsseldorf – Kraftwerksabschaltung: In einem Beitrag auf lto.de räumt der Rechtsprofessor Volker Boehme-Neßler der vom Energiekonzern EnBW beim Oberlandesgericht Düsseldorf gegen die von der Bundesnetzagentur versagte Abschaltung einiger Kraftwerksblöcke eingelegte Klage "eher geringe Erfolgschancen" ein. Die Blöcke seien für die Versorgungssicherheit erforderlich; die einschlägige Reservekraftwerksverordnung sehe eine faire Kostenverteilung vor.
LG Köln zu RedTube-Abmahnungen: Das Landgericht Köln hat sich laut taz.de (Christian Rath) "selbst korrigiert" und seine Rechtsprechung zur Identifizierung der IP-Adressen von Nutzern des Pornoportals Redtube revidiert. Das Gericht habe nun in vier Präzedenzfällen im Beschwerdeverfahren entschieden, dass die Daten der Nutzer mangels offensichtlichen Urheberrechtsverstoßes nicht hätten herausgegeben werden dürfen. Es spreche zudem vieles dafür, "dass die Zuordnung der IP-Adressen [gerichtlich] nicht verwertbar" sei. Thomas Stadler (internet-law.de) weist darauf hin, dass die Entscheidung den Betroffenen wohl nicht wirklich viel bringe – denn auf ihren Kosten blieben sie angesichts des Untertauchens der Hintermänner des Abmahnunternehmens wohl sitzen.
KG zu Facebook-Datenschutz: Das Kammergericht hat laut internet-law.de (Thomas Stadler) eine Entscheidung des Berliner Landgerichts betätigt, das festgestellt hatte, dass die Anwendung FriendFinder sowie bestimmte Teile der Nutzungs- und Datenschutzbestimmungen des sozialen Netzwerks Facebook gegen deutsches Recht verstoßen. Eine Urteilsbegründung liege noch nicht vor.
Beweis der Nichtehe: Auf lawblog.de berichtet Udo Vetter, dass er in einem Strafprozess wegen Doppelehe von der Richterin aufgefordert worden sei, das Nichtbestehen der angeblich in Afrika von einem Stammesältesten geschlossenen ersten Ehe seines Mandanten nachzuweisen. Nachdem er kurz spekuliert, wie das wohl gehen solle, zieht er sich dann auf die strafrechtliche Beweislastverteilung zurück – immerhin müsse sein Mandant nicht seine Unschuld, sondern die Staatsanwaltschaft seine Schuld beweisen.
Recht in der Welt
Tunesien – Neue Verfassung: In Tunesien ist die neue Verfassung unterzeichnet worden, die in der Nacht zum Sonntag von der Nationalversammlung "mit überwältigender Mehrheit" gebilligt worden war, berichtet die FAZ (Christoph Ehrhardt) und stellt die wesentlichen Regelungen vor. In einem weiteren Artikel schildert Ehrhardt das zähe Ringen um das Dokument. Auch die taz (Reiner Wandler) berichtet.
In den Augen von Sonja Zekri (SZ) ist die Verfassung "zugleich religiös und liberal" und stellt einen "Lichtblick in Arabien" dar. Zekri geht zudem der Frage nach, warum "das kleine Tunesien" schafft, "woran das große Ägypten scheitert". Auch Christoph Ehrhardt (FAZ) sieht "allen Grund, die neue Verfassung zu feiern" und hebt den Kompromisscharakter der gefundenen Lösung positiv hervor. Gleichzeitig mahnt er, dass der Text "nun mit Leben gefüllt werden" müsse. Reiner Wandler (taz) sieht Tunesien als "Vorbild für die ganze Region".
IGH zu Seegrenze Chile-Peru: Der Internationale Gerichtshof hat ein Urteil über die Seegrenze zwischen Chile und Peru gefällt. Wie die FAZ (Josef Oehrlein) berichtet, habe der Gerichtshof versucht, eine für beide Seiten akzeptable Entscheidung zu finden und das Seegebiet Perus leicht vergrößert, sei in anderen Punkten aber den Anträgen Chiles gefolgt. Auch die FR berichtet über das Urteil.
UN-Jugoslawien-Tribunal kürzt Strafe: In seinem letzten Prozess zu Kriegsverbrechen im Kosovo hat das UN-Tribunal für das frühere Jugoslawien den serbischen Ex-Polizeichef Vlastimir Djordjevic endgültig schuldig gesprochen, seine Strafe jedoch von 27 auf 18 Jahre Gefängnis reduziert, berichtet die FR.
Spanien – Einschränkung der universalen Justiz: Nachdem spanische Ermittlungsrichter auf Grundlage der universalen Zuständigkeit in verschiedenen Fällen Ermittlungen zu internationalen Menschenrechtsverletzungen angestellt und zuletzt sogar Haftbefehle gegen führende chinesische Politiker erlassen hatten, will die Regierung die Zuständigkeit der Ermittlungsrichter nun einschränken. Der Gesetzentwurf sieht laut FAZ (Leo Wieland) vor, dass die Justiz künftig nur noch für Fälle zuständig ist, "in denen Spanier oder Ausländer mit Wohnsitz in Spanien direkt betroffen sind."
USA – Hirntote Schwangere: Ein Gericht in Texas hat angeordnet, dass die Behandlung einer seit November künstlich am Leben erhaltenen hirntoten Schwangeren auf Wunsch ihrer Angehörigen abgebrochen werden muss. Das Krankenhaus hatte sich bislang geweigert, die Geräte abzuschalten, weil texanisches Recht es verbiete bei Schwangeren lebenserhaltende Maßnahmen abzubrechen. Das Gericht habe nun den Tod der Frau festgestellt und sei in seiner Entscheidung auf den Fötus nicht weiter eingegangen, berichten FAZ (Christiane Heil) und Welt (Uwe Schmitt).
Sonstiges
Bankschließfächer: Vor dem Hintergrund des Streits um die Entschädigung der Schließfach-Kunden der im Januar letzten Jahres ausgeraubten Berliner Volksbank befragt lto.de (Claudia Kornmeier) den Rechtsanwalt der beraubte Kunden, Michael Plassmann, zur Erforderlichkeit von Schließfach-Versicherungen, der damit verbundenen Aufklärungspflicht von Banken und der eigentumsrechtlichen Zulässigkeit der Veräußerung der nicht zuordenbaren Gegenstände, die von den Räubern zurückgelassen wurden.
Braune Notare: Heribert Prantl rezensiert im Feuilleton der SZ das Buch "Auf den Spuren des Bösen. Vorstudien zur vorsorgenden Rechtspflege im Dritten Reich". In dieser "schmalen, exzellenten Schrift" gehe der Münchner Notar Oliver Vossius erstmals der Rolle von Notaren im NS-Staat nach.
BVG vs. JPMorgan – Parteiverrat: Carsten R. Hoenig (kanzlei-hoenig.de) erwägt, inwieweit sich Rechtsanwälte der JPMorgan-Kanzlei Clifford Chance bei der Beratung der Berliner Verkehrsbetriebe im Zusammenhang mit der Millionen-Finanzwette wegen Parteiverrats strafbar gemacht haben könnten.
Das Letzte zum Schluss
Gestohlenes Papstblut: Ein Diebstahl der nicht ganz alltäglichen Sorte hält derzeit Italien in Atem: Aus einer Kirche ist eine Ampulle mit Blut des verstorbenen Papstes Johannes Paul II. entwendet worden. spiegel.de berichtet.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie in der Printausgabe oder im jeweiligen E-Paper.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/thd
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 28. Januar 2014: BayernLB-Prozess beginnt – LG Köln revidiert RedTube-Entscheidungen – Hirntote Schwangere darf sterben . In: Legal Tribune Online, 28.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10796/ (abgerufen am: 21.07.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag