Das Bundesjustizministerium hat Eckpunkte für eine gesetzliche Regelung der Beschneidung von Jungen vorgelegt. Außerdem in der Presseschau: Betriebspflicht für Betreiber "systemrelevanter" Kraftwerke, Forderung nach V-Leute-Gesetz, BGH zur Sicherungsverwahrung, Strafrechtler zur Bankenjustiz, "Scheiß RTL"-Shirts – und zu welchen Auswüchsen der Vampir-Hype führen kann.
Gesetzentwurf zur Beschneidung: Das Bundesjustizministeriums hat Eckpunkte für einen Gesetzentwurf zur "Beschneidung des männlichen Kindes" zur Stellungnahme an Bundesländer und Verbände verschickt. Danach soll die mit Einwilligung der Eltern und nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommene Beschneidung von Jungen nicht rechtswidrig und damit auch nicht strafbar sein. Geregelt werden soll der Sachverhalt im Kindschaftsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Innerhalb der ersten sechs Monate nach der Geburt soll auch die Beschneidung durch einen Mohel möglich sein. Eine religiöse Motivation der Beschneidung ist hingegen kein Tatbestandsmerkmal der Norm, wie die SZ (Heribert Prantl) in ihrem Bericht hervorhebt. Auch die FAZ (Reinhard Müller) und zeit.de berichten.
Matthias Drobinski (SZ) begrüßt die Norm – und sieht in ihr den Rahmen für "die wahre Beschneidungsdebatte", die nun den genauen Regelungsgehalt klären müsse. Reinhard Müller (FAZ) kritisiert hingegen, dass die Beschneidung nicht nur bei "zwingenden religiösen Gründen" erlaubt werde.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Kraftwerksbetriebspflicht: Für lto.de bespricht der Staats- und Verfassungsrechtler Volker Boehme-Neßler einen Gesetzentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums, der im Einzelfall die Anordnung des Weiterbetriebs "systemrelevanter" Kraftwerke ermöglichen soll. Hintergrund seien Abschaltpläne der großen Energieversorger im Zuge der Energiewende. Der Autor befürwortet eine gesetzliche Regelung; parallel liefen aber auch Gespräche der Bundesregierung über eine freiwillige Selbstverpflichtung der Energiewirtschaft.
Informationsfreiheit: Bei der Sachverständigenanhörung zur Aufnahme der Informationsfreiheit ins Grundgesetz im Innenausschuss des Bundestages äußerten sich die befragten Juristen mehrheitlich skeptisch und zurückhaltend zu dem Gesetzesvorhaben der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Es berichtet knapp lto.de.
Digital zu Gericht: Die FAZ (Joachim Jahn) berichtet auf ihrer "Recht und Steuern"-Seite knapp über eine Gesetzesinitiative des Bundesrats zur verstärkten Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs. Dieser solle spätestens in zehn Jahren verbindlich vorgeschrieben sein, Papier-Dokumente mit einer "Dokumentenpauschale" belegt werden.
V-Leute-Gesetz: Immer mehr Bundestagsabgeordnete sprechen sich angesichts der Ermittlungen des NSU-Untersuchungsausschusses für eine gesetzliche Grundlage für den Einsatz von V-Leuten aus, berichtet die FTD (Maike Rademacher). Allein von den Unionsparteien seien solche Forderungen noch nicht zu hören; auch das Innenministerium setze nur auf strengere Berichtspflichten.
Weitere Themen – Justiz
BGH zu nachträglicher Sicherungsverwahrung: Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil des Landgerichts München aufgehoben, in dem dieses die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung des "Westparkmörders" abgelehnt hatte. Das Landgericht habe sich maßgeblich auf die Aussage eines Kriminologen gestützt, der aber zum entscheidungserheblichen psychischen Zustand des Täters nichts habe aussagen können. Außerdem habe sich das Gericht zu sehr auf Sexualdelikte konzentriert, fassen SZ und lto.de das Urteil zusammen.
StA München – Claassen-Ernennung: Nach einem Bericht der SZ (Markus Balser/Klaus Ott/Uwe Ritzer) ermittelt die Münchner Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf illegalen Insiderhandel gegen mehrere Geschäftsleute, die 2009 vorab von der Ernennung des Ex-EnBW-Vorstandschefs Utz Claassen zum Chef des Sonnenenergie-Unternehmens Solar Millenium gewusst haben sollen. Allerdings müssten zwei Verdächtige wegen einer Verfahrensabsprache in einem anderen Strafverfahren wohl nicht mit Strafverfolgung rechnen.
Ecclestone: Heute beschäftigt sich auch die SZ (Klaus Ott) mit einem möglichen Strafverfahren gegen den Formel-1-Chef Bernie Ecclestone wegen Bestechung und erläutert, warum diesem die spöttische Bezeichnung des Ex-BayernLB-Vorstands Gerhard Gribkowsky als "civil servant" nun zum Verhängnis werden könnte.
Bankenjustiz: Die FAZ (Joachim Jahn) berichtet auf ihrer "Recht und Steuern"-Seite ausführlich über einen strafrechtlichen Kongress an der Hamburger Bucerius Law School zum Umgang der Justiz mit den Verfehlungen von Bankmanagern. Dieser werde selbst von den sonst eher liberalen Strafrechtswissenschaftlern mehrheitlich als zu zurückhaltend kritisiert.
BGH – elektronische Leseplätze: Der Bundesgerichtshof hat dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob elektronische Leseplätze in Bibliotheken mit der Möglichkeit, die Dokumente auszudrucken oder auf USB-Speichermedien zu sichern, mit europäischem Recht in Einklang stehen. Mit dem Verfahren und den zugrundeliegenden grundsätzlichen Fragen des Urheberrechts in der digitalen Welt befasst sich die FAZ (Thomas Hartmann) im Feuilleton.
LG Köln zu "Scheiß RTL": T-Shirts mit dem Aufdruck "Scheiß RTL" dürfen nach einem Urteil des Landgerichts Köln nicht mehr vertrieben werden. In dem Aufdruck liege laut der Pressestelle des Gerichts eine "pauschale und ehrverletzende Herabwürdigung", meldet blog.beck.de (Fabian Reinholz).
OLG Karlsruhe zu iPad-Prämie: Ein Hersteller von Brillengläsern darf Augenoptikern für die Steigerung des Umsatzes seiner Brillengläser kein iPad als Prämie versprechen. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe verstößt diese Praxis gegen das Heilmittelwerbegesetz, meldet lto.de.
AG Nürnberg zu Sportschuhen: Der Sportschuhhersteller Nike hat gegen seinen Konkurrenten Adidas vor dem Nürnberger Amtsgericht eine einstweilige Verfügung gegen den Vertrieb eines neuen Laufschuhs erwirkt. Gegenstand des Patentstreits ist ein neues Verfahren zur Schuhherstellung, so FTD (Gerhard Hegmann) und Handelsblatt (Joachim Hofer).
Bundespatentgericht – Farbenstreit: Über den "bizarren Farbstreit" zwischen der spanischen Santander-Bank und den deutschen Sparkassen berichtet die FTD (Meike Schreiber). Santander zieht nach einer gerichtlichen Niederlage nun vor das Bundespatentgericht, um gegen die von den Sparkassen erwirkte Eintragung eines bestimmten Rottons als Farbmarke vorzugehen.
AG Königs Wusterhausen zu Ehrschutz vor Gericht: "Starke Worte" seien vor Gericht erlaubt, fasst lawblog.de (Udo Vetter) ein Urteil des Amtsgerichts Königs Wusterhausen zusammen. Dieses hatte die Klage gegen einen Anwalt wegen ehrverletzender Äußerungen in einem Schriftsatz abgewiesen. Zwar seien dessen Äußerungen über die Arbeitsscheue der betroffenen Person klar ehrverletzend – vor Gericht sei der Ehrschutz aber zugunsten der freien Rede besonders eingeschränkt.
Urteile im Arbeitsrecht: spiegel.de (Jochen Leffers) gibt im Karriere Spiegel einen Überblick über neue Urteile im Arbeitsrecht, unter anderem zur Offenlegungspflicht von Bewerbern zu Vorstrafen und Ermittlungsverfahren, der Verweigerung von "Notfall-Urlaub" und zur Entlassung wegen Alkoholkonsums.
VG Koblenz zu Bachelor-Architekten: Absolventen eines nur dreijährigen Bachelorstudiums der Architektur haben nach dem rheinland-pfälzischen Architektengesetz keinen Anspruch auf Eintragung in die Architektenliste. Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz ist die Eintragung den Absolventen von Studiengängen mit vierjähriger Regelstudienzeit vorbehalten; eine für Diplomstudiengänge geltende Übergangsvorschrift ist nicht entsprechend anwendbar. Über das Urteil berichtet lto.de.
Entschädigungspflicht für Bombenräumung: Die von der Bombenentschärfung in München und Viersen betroffenen Eigentümer können vom Land Entschädigung fordern, meint der Rechtswissenschaftler Alexander Thiele (lto.de). In der Bombensprengung liege zwar ein rechtmäßiger, aber enteignender Eingriff des Staates in ihr Grundeigentum; sie hätten insoweit ein Sonderopfer erbringen müssen.
Deep Packet Inspection rechtswidrig: In den Augen von Thomas Stadler (internet-law.de) verstößt die Überwachungstechnik "Deep Packet Inspection" gegen das im Telekommunikationsgesetz (TKG) geschützte Fernmeldegeheimnis und ist damit in Deutschland rechtswidrig. Es gebe gleichwohl Hinweise, dass die Technik von einigen Mobilfunkanbietern zum "Traffic-Management" eingesetzt werde.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Frankreich – "Erika"-Havarie: Der französische Kassationsgerichtshof hat die Revision des Ölkonzerns Total gegen seine Verurteilung wegen der Havarie des Öltankers "Erika" im Jahr 1999 zurückgewiesen. In dem Fall war die Zuständigkeit der französischen Justiz und der Umfang der zu ersetzenden Umweltschäden umstritten gewesen. Umweltschützer feierten das Urteil als "historischen Durchbruch", berichtet die SZ (Stefan Ulrich). Auch die taz (Rudolf Balmer) sieht in der Entscheidung die Bestätigung einer neuen Rechtsprechung bei Umweltkatastrophen.
USA – Badewannen-Mord: Die 73-jährige Deutsche Marianne B. wurde in Florida zu 22 Jahren Haft verurteilt, weil sie ihren amerikanischen Enkel in der Badewanne ertränkt hatte. Der Todesstrafe sei sie durch eine Absprache mit der Staatsanwaltschaft entgangen, berichtet die FAZ (Christiane Heil). Auch die FR berichtet.
USA – Kritik an Drohnen: Berichten der FAZ (Matthias Rüb) und der FR (Bettina Vestring) zufolge haben die rechtswissenschaftlichen Fakultäten der kalifornischen Stanford University und der New York University einen Bericht vorgelegt, in dem der Drohneneinsatz des US-Militärs im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet kritisiert wird. Die unbemannten Kampfflieger verbreiteten Angst und Schrecken unter der Zivilbevölkerung und forderten viele zivile Opfer.
Sonstiges
Jura-Lernsoftware: Im Interview mit lto.de stellt der Informatiker Philipp Naumann seine preisgekrönte juristische Lernsoftware "Cerebro" vor, die durch Veranschaulichung das Verstehen von Rechtsnormen unterstützen soll.
Das Letzte zum Schluss
Vampirwahn: Er hatte gemeint, menschliches Blut zu sich nehmen zu müssen, um einem Vampirorden beitreten zu können – deshalb verletzte er seinen Vater mit einem Messer an der Hand und leckte ein wenig Blut auf. Das Landgericht München hat im Verfahren gegen den Möchtegern-Vampir wegen gefährlicher Körperverletzung laut spiegel.de nun die Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt angeordnet, die Vollstreckung aber zur Bewährung ausgesetzt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/thd
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 26. September 2012: Straffreie Beschneidung – Betriebspflicht für Kraftwerke – BGH zu Sicherungsverwahrung . In: Legal Tribune Online, 26.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7176/ (abgerufen am: 19.07.2024 )
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