Die NSA hört wirklich überall mit – sogar in der Zentrale der Vereinten Nationen. Außerdem in der Presseschau: Der Innenminister verteidigt die Sicherheitsgesetze, die Justizministerin die Freiheitsrechte, das BSG rollt Lösungsmittel-Fall neu auf, Bo Xilai weist Korruptionsvorwürfe zurück und die niedersächsische Oberfinanzdirektion kommt unverhofft zu einem Pferd.
NSA hörte UN ab: Nach Informationen des Spiegel (Laura Poitras/Marcel Rosenbach/Holger Stark, Zusammenfassung auf spiegel.de) hat der US-Geheimdienst NSA auch die Zentrale der Vereinten Nationen abgehört. Im Sommer 2012 sei es der NSA gelungen in die interne Videokonferenzanlage einzudringen. Das gehe aus Dokumenten des Whistleblowers Edward Snowden hervor. Die Spionage verstoße gegen ein Abkommen der USA mit der UNO, wonach sich die USA verpflichtet hätten, keine verdeckten Aktionen zu unternehmen. Die Papiere zeigten zudem, wie die USA Institutionen der EU, die internationale Atomenergiebehörde und verschiedene Staaten ausspionierten.
NSA und Völkerrecht: Die Montags-taz (Christian Rath) befasst sich mit den Plänen der Bundesregierung die "digitale Privatsphäre" völkerrechtlich zu schützen. Demnach hätten Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger und Außenminister Guido Westerwelle (beide FDP) ein Zusatzprotokoll zu Artikel 17 des UN-Zivilpakts vorgeschlagen. Der Völkerrechtler Markus Krajewski halte das für "kontraproduktiv": Der UN-Zivilpakt schütze bereits vor Eingriffen in den Schriftverkehr - das umfasse auch E-Mails. In einem gesonderten Kommentar kritisiert Christian Rath (Montags-taz) die "zweigleisige" Politik der Bundesregierung. Sie erkläre einerseits den NSA-Skandal für beendet und mache andererseits mit wirkungslosen Vorschlägen Wahlkampf.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Sicherheitsgesetze: Die Empfehlungen der Regierungskommission zu den Anti-Terror-Gesetzen werden in der Koalition offenbar unterschiedlich aufgenommen. Wie die Samstags-SZ (Susanne Höll/Wolfgang Janisch) berichtet, sprach sich Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) für eine umfassende Reform der Sicherheitsgesetze aus, während sich Bundesinnenminister Friedrich (CSU) nicht äußern wollte, bevor die Empfehlungen am Mittwoch offiziell vorgestellt werden. Thomas Stadler (Internet-law.de) meint, Vorschläge wie eine parlamentarische Kontrolle des Bundeskriminalamtes würden nicht zu mehr Rechtsstaatlichkeit führen. Das Problem sei vielmehr die "massive Ausweitung" der BKA-Befugnisse in den letzten Jahren.
Friedrich im Interview: Der Spiegel (Jörg Schindler/Martin Doerry/Hubert Gude, Zusammenfassung auf spiegel.de) spricht mit Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) über Sicherheitspolitik. Friedrich versichert, die amerikanischen Geheimdienste würden sich grundsätzlich an deutsche Gesetze halten, verteidigt die Anti-Terror-Gesetze und spricht sich für europäische Datenschutzregeln aus, um Unternehmen wie Google und Facebook in die Schranken zu weisen.
Leutheusser-Schnarrenberger Freiheitsrechten: Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger schreibt in einem Gastbeitrag für die FR über das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit. In einem liberalen Rechtsstaat dürfe dieses Verhältnis nicht einseitig zu Gunsten der Sicherheit und damit zu Lasten der Freiheit aufgelöst werden.
Korruption im Gesundheitswesen: Wie die Samstags-FAZ (Andreas Mihm) berichtet, wollen die SPD-geführten Länder im Bundesrat das Präventionsförderungsgesetz kurz vor der Bundestagswahl in den Vermittlungsausschuss überweisen und damit scheitern lassen. Das Gesetz soll Präventionsmaßnahmen im Gesundheitsbereich fördern und Korruption schärfer bekämpfen. Die Länder fordern mehr Mitsprache bei der Finanzierung der geplanten Präventionsprogramme, der Bund hält die Vorschläge der Länder jedoch für verfassungswidrig.
Wahlrecht für Betreute: Behinderte und psychisch kranke Menschen, die in allen Angelegenheiten rechtlich betreut werden, dürfen nicht wählen. Verbände und Experten fordern seit langem diese Ausschlussregel zu streichen. Bis zur kommenden Bundestagswahl ist aber wohl keine entsprechende Änderung des Bundeswahlgesetzes in Sicht, kritisiert Oliver Tolmein im Feuilleton der Montags-FAZ. "Verweigerungsspielenden Kollegen" empfiehlt er, statt das Nichtwählen zu verteidigen, lieber ihre Stimme an Betroffene zu verschenken.
Weitere Themen - Justiz
BVerfG – Länderfinanzausgleich: Im Streit um den Länderfinanzausgleich kritisieren Bayern und Hessen vor allem nicht nachvollziehbare Maßstäbe im Maßstäbegesetz, die Einbeziehung der Kommunen und die "Einwohnerveredelung", mit der die Einwohnerzahl der Stadtstaaten erhöht wird. Das berichtet die Samstags-FAZ (Jasper von Altenbockum). Das Bundesverfassungsgericht hat den Antrag der beiden Landesregierungen auf abstrakte Normenkontrolle an den Bund und die übrigen Länder übermittelt, die Parlamente und Regierungen können nun bis zum 15. November Stellung nehmen.
BGH/EuGH – Abschiebehäftlinge: Der Bundesgerichtshof hat dem Europäischen Gerichtshof zwei Fragen zur Unterbringung von Abschiebehäftlingen vorgelegt. Wie die Samstags-FAZ (Reinhard Müller) berichtet, wollen die Richter wissen, ob Abschiebehäftlinge in bestimmten Fällen gemeinsam mit Strafgefangenen untergebracht werden dürfen - die europäische Rückführungsrichtlinie sieht eine getrennte Unterbringung vor.
BSG zu Berufskrankheit: Die Samstags-taz (Reiner Metzger) berichtet über einen Beschluss des Bundessozialgerichts vom Juli, wonach der Fall eines Holzleimbauers neu aufgerollt werden muss, der eine Nervenkrankheit als Berufskrankheit anerkennen lassen wollte, in den Vorinstanzen jedoch gescheitert war. Nun muss der aktuelle medizinische Stand beachtet werden – insbesondere ein von der Bundesregierung herausgegebenes ärztliches Merkblatt, das zunächst verfälschte Angaben zu Nervenkrankheiten durch Lösungsmittel enthielt und 2005 korrigiert wurde. Die Samstags-taz bringt zudem einen Gastbeitrag von Peter Röder von der "Initiative kritischer Umweltgeschädigter", die die verfälschte Darstellung aufgedeckt hatte. Röder schildert die Hintergründe des Falles und fordert strenger gegen Richter, Gutachter und Professoren vorzugehen, um verfälschende Darstellungen zu bekämpfen.
AG Kassel zu Meese: Im Streit um den Hitlergruß des Künstlers Jonathan Meese hat die Staatsanwaltschaft Kassel Rechtsmittel eingelegt, meldet welt.de. Das Amtsgericht hatte Meese freigesprochen.
LAG Rheinland-Pfalz zu Beweisfotos: Ein Arbeitgeber darf einen Beschäftigten fotografieren, um zu beweisen, dass der eine Erkrankung vortäuscht – etwa, wenn der Abteilungsleiter einen krankgeschriebenen Arbeiter in einer Autowaschanlage trifft. Wie das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz im Juli bestätigte, können die Fotos im Prozess verwendet werden. Das meldet die Samstags-taz.
OLG München – NSU-Prozess: Wie der Spiegel knapp berichtet, belasten neue Indizien Beate Zschäpe als Mitwisserin der NSU-Terrorgruppe. Nach Informationen des Bundeskriminalamtes und der Bundesanwaltschaft sei Zschäpe über einzelne Taten ihrer Komplizen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos besser informiert gewesen als bisher angenommen. Das zeige eine Computerauswertung und ein Hinweis auf ein Treffen Zschäpes mit dem Mitangeklagten Holger G.
LG Göttingen – Organtransplantationen: Von dem Prozess gegen den Arzt Aiman O. um Manipulationen bei Organspenden in der Universitätsklinik Göttingen, berichten die Samstags-SZ (Annette Ramelsberger), die Samstags-FAZ (Andreas Nefzger) und spiegel.de (Antje Widmann). O. ist vor dem Landgericht Göttingen wegen versuchten Totschlags in elf Fällen und Körperverletzung mit Todesfolge in drei Fällen angeklagt. Er erklärte am Freitag, es gebe genügend Spenderlebern für kranke Patienten.
LG München – HGAA vs. BayernLB: Die österreichische Hypo Group Alpe Adria hat beim Landgericht München eine Klage gegen die Bayerische Landesbank eingereicht und verlangt die Rückzahlung von zunächst 710 Millionen Dollar. Hintergrund ist ein Streit um die Frage, ob die BayernLB der HGAA eine Summe von insgesamt 2,3 Milliarden Euro als Eigenkapital oder als Kredit zur Verfügung gestellt hatte und ob diese Summe von der HGAA entsprechend getilgt werden muss oder nicht. Das meldet spiegel.de.
VG Minden – Öffentliche Bekenntnisschulen: Dürfen öffentliche Bekenntnisschulen Kinder anderer Konfessionen ablehnen, wenn diese nicht am Konfessionsunterricht und an Schulgottesdiensten teilnehmen wollen? Das muss das Verwaltungsgericht Minden klären, nachdem eine öffentliche katholische Schule in Paderborn einen muslimischen Jungen abgelehnt hat. Der Rechtsanwalt und Bildungsforscher Thomas Langer erklärt auf lto.de die Besonderheiten öffentlicher Bekenntnisschulen und hält die Ablehnung für rechtswidrig.
LG Arnsberg – Gladbecker Geiselnehmer: Der als "Gladbecker Geiselnehmer" bekannte Dieter Degowski soll auf eine Haftentlassung in etwa drei Jahren vorbereitet werden. Das ist das Ergebnis einer Haftprüfung des Landgerichts Arnsberg, so spiegel.de. Degowski war 1991 zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
LG Hannover – Wulff-Anklage: Nach Informationen der Bild am Sonntag (Bericht auf bild.de von Kayhan Özgenc) will das Landgericht Hannover die Anklage gegen den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff zulassen – dabei den Vorwurf der Bestechlichkeit jedoch auf Vorteilsnahme herabstufen. Wulff und der mitangeschuldigte Filmproduzent Frank Groenewold könnten aber noch die Einstellung des Verfahrens erwirken, wenn sie eine Geldauflage zahlen.
Weitere Themen – Recht in der Welt
EU/Kroatien – "Lex Perkovic": Kroatien hat im Streit um die umstrittene "Lex Perkovic" bisher offenbar nicht auf die Sanktionsandrohungen der EU-Kommission reagiert. Mit dem Gesetz, das zwei Tage vor dem EU-Beitritt des Landes am 1. Juli verabschiedet wurde, will die kroatische Regierung verhindern, dass sie ehemalige Geheimdienstler, darunter Josip Perkovic, an Deutschland ausliefern muss. Zwischen 1970 und 1989 soll der kroatische Geheimdienst 22 Exil-Kroaten in Deutschland ermordet haben. Die Samstags-SZ (Florian Hassel/Frederik Obermaier) berichtet.
USA – Fort Hood: Die Jury eines Militärgerichts hat den Attentäter von Fort Hood in allen Anklagepunkten für schuldig befunden, so spiegel.de. Der ehemalige Major Nidal Hasan hatte sich bereits zu dem Amoklauf auf dem Militärstützpunkt im November 2009 bekannt. Ihm droht wegen Mordes in 13 Fällen und versuchten Mordes in 32 Fällen die Todesstrafe. Das Strafmaß wurde noch nicht verkündet.
China – Bo Xilai: Die Samstags-FAZ (Petra Kolonko) und die Montags-FAZ (Petra Kolonko) berichten von dem Prozess gegen den ehemaligen KP-Führer Bo Xilai im chinesischen Jinan. Bo ist wegen Korruption angeklagt, weist die Vorwürfe jedoch zurück und distanziert sich von seiner Frau Gu Kailai, seinem Sohn und Geschäftsleuten, die ihn belastet hatten. Die Samstags-SZ (Kai Strittmaier) schildert, wie der Prozess im chinesischen Internet diskutiert wird, die Montags-SZ (Kai Strittmaier) geht insbesondere auf die Rolle des Sohnes Bo Guagua ein. Daniel-Dylan Böhmer (Samstags-Welt) lobt das Auftreten Bos, der die Belastungszeugen "zerpflückt" habe und damit die Dikatur bloß stelle. Kai Strittmaier (Montags-SZ) ist dagegen der Ansicht, Bo schlage zwar "über die Stränge", stelle das Verfahren selbst jedoch nicht infrage. Dabei werde Bo von der Partei weiterhin geschützt, seine "eigentlichen Verbrechen", etwa illegale Gefängnisse und Folter, würden von der Anklage nicht erwähnt.
Ägypten – Prozess gegen Muslimbrüder: In Kairo hat am Sonntag der Prozess gegen den Chef der Muslimbrüder, Mohammed Badie begonnen, wurde jedoch wegen Sicherheitsbedenken sogleich vertagt. Die nächste Verhandlung soll am 29. Oktober stattfinden. Zugleich wurde der Prozess gegen den ehemaligen Staatschef Hosni Mubarak fortgestzt. Die Montags-SZ bringt eine knappe Meldung, die Montags-taz (Karim El-Gawhary) berichtet aus Kairo.
Indien – Freispruch für deutsche Seeleute: Ein indisches Gericht in Chennai hat zwei deutsche Seeleute freigesprochen. Ihnen war fahrlässige Tötung vorgeworfen worden, nachdem bei einem Unfall auf See ein indischer Fischer gestorben war. spiegel.de (Hasnain Kazim) berichtet.
Sonstiges
Gewalt gegen Polizisten: "Polizei und Gewalt" lautet das Tagesthema der Samstags-SZ. Wie Joachim Küppner berichtet, beklagen die Polizeigewerkschaften zunehmende Gewalt gegen Polizisten und fordern schärfere Maßnahmen. Oliver Hollenstein führt ein kurzes Interview mit dem Polizeipsycholgen Hans Peter Schmalzl, der erklärt wie Gewalt eskaliert und wie die Beamten damit umgehen können.
Forensik: Der Spiegel (Beate Lakotta/Cordula Meyer) führt ein Interview mit dem Forensiker Norbert Nedopil. Er leitet die forensische Psychiatrie der Universität München und begutachtet Straftäter für Gerichte. Es geht um den Fall Mollath, Fehldiagnosen in psychiatrischen Gutachten und einen "Gezeitenwechsel" im Maßregelvollzug: Nach der "Lust am Wegsperren" seit den neunziger Jahren gebe es nun einen Trend zu einem liberaleren Umgang mit psychisch kranken Straftätern.
Psychisch kranke Täter: Anlässlich des Falls Mollath erinnert Hartmut Wewetzer auf zeit.de daran, dass psychisch Kranke "auch Täter sein können". Bis zu zehn Prozent der Tötungsdelikte würden von psychisch Kranken begangen. Wichtig sei hier Prävention – insbesondere die Behandlung von Psychosen und Maßnahmen gegen Drogenmissbrauch.
Compliance: Corinna Budras (Samstags-FAZ) kritisiert, überzogene Vorgaben zum Kündigungsschutz würden die effektive Korruptionsbekämpfung in Unternehmen gefährden. "Selbst gestandene Konzernjustiziare" würden die Auseinandersetzung vor dem Arbeitsgericht scheuen und sich mit überführten Arbeitnehmern lieber auf eine Abfindung einigen.
Richter-Show: lto.de (Constantin Baron von Lijnden) spricht mit Michel Friedman über dessen Sendung "Der Richter in dir", mit der Friedman beim TVlab-Wettbewerb auf ZDFneo antritt.
Das Letzte zum Schluss
Das kriegt der Fiskus: Wenn keiner das Erbe haben will, bekommt es der Fiskus: Die Montags-SZ (Charlotte Frank) beschreibt anschaulich, was die niedersächische Oberfinanzdirektion mit Schmuck und Nippes, Bruchbuden und Yachten oder auch mal einem Pferd anfängt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 24. bis 26. August 2013: NSA hörte UN-Zentrale ab – BSG zu Berufskrankheit – Bo Xilai vor Gericht . In: Legal Tribune Online, 26.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9430/ (abgerufen am: 21.07.2024 )
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