Die Abgas-Affäre stellt VW in den USA vor große Probleme. Außerdem in der Presseschau: Flüchtlingsgipfel erreicht Kompromiss, Theorie und Praxis der Sicherungsverwahrung und Batman zum Privateigentum.
Thema des Tages
VW: Neben einem immensen Imageschaden droht dem Autokonzern VW wegen der Abgas-Affäre in den USA nun auch handfester juristischer Ärger. Neben einer Geldstrafe in Milliardenhöhe durch die Umweltbehörde EPA seien es vor allem Sammelklagen, die den VW-Managern Sorgen bereiteten, schreibt die FAZ (Corinna Budras) und erläutert, welche Gruppen hierbei als Kläger in Frage kämen. Neben Autokäufern seien dies geprellte Anleger und "Menschen mit allerlei Gesundheitsschäden". Gerade letztere dürften bei allen Schwierigkeiten konkreter Nachweise das größte Bedrohungsszenario aufweisen. Denn die bloße Anzahl von Klägern erhöhe deren Chancen auf einen außergerichtlichen Vergleich. Im vorprozessualen "Discovery"-Verfahren seien Beteiligte zur absoluten Transparenz und Offenlegung jeglicher Informationen verpflichtet. Dies scheuten klagebedrohte Firmen häufig zugunsten einer kostspieligen Einigung. bild.de berichtet, dass sich der Autokonzern die Dienste der namhaften Kanzlei Kirkland & Ellis gesichert habe. Als Vertreterin des Ölkonzerns BP im Verfahren zur explodierten Plattform Deepwater Horizon sei diese skandalerfahren.
Der Ermittlungseifer US-amerikanischer Behörden ist Thema des Kommentars von Caspar Busse (SZ). Dortige Justizbehörden seien "keineswegs zimperlich" und griffen gern auch zu in Europa unmöglichen "drastischen Maßnahmen". Zu Hilfe käme ihnen dabei die Möglichkeit, Unternehmen als solche zu belangen. Der Verdacht, dass sie ihre Tätigkeit dabei auch im Interesse der heimischen entfalteten, bliebe allerdings bestehen.
Rechtspolitik
Flüchtlinge: Über den beim sogenannten Flüchtlingsgipfel erreichten Kompromiss, nach dem sich der Bund gegenüber den Ländern ab dem kommenden Jahr zu einer bedarfsentsprechenden Kostenübernahme verpflichtet, berichten unter anderem SZ (Stefan Braun/Cerstin Gammelin) und spiegel.de (Florian Gathmann).
Weil hiermit nun auch Verschärfungen im Leistungsbezug für Flüchtlinge verbunden sind, hält Heribert Prantl (SZ) das Ergebnis für "ein schnelles Sammelsurium". Deutschland habe die Chance verpasst, "Standards, die vorbildlich für einen einheitlichen europäischen Asylraum sein könnten", zu setzen.
Asylrecht: lto.de (Marcel Schneider) fasst die Kritik des Deutschen Anwaltvereins am aktuellen Gesetzentwurf zum Asylrecht zusammen.
Zwangsvermietung: Der Berliner Senat hat mehrere Immobilien von privaten Eigentümern beschlagnahmt, um sie für die Unterbringung von Flüchtlingen zu nutzen. Dies schreibt die FAZ (Joachim Jahn u.a.) unter Nennung mehrerer Beispiele. Die Hamburger Regierung plane derweil eine Änderung der entsprechenden polizeirechtlichen Bestimmungen, um die "strengen Vorgaben, die Gerichte sonst beim staatlichen Zugriff auf privaten Wohnraum machen", zu lockern. Zu den Hamburger Plänen stellt spiegel.de (Ansgar Siemens/Jens Witte) in Frage-und-Antwort-Form die Voraussetzungen einer Wohnungsbeschlagnahme dar, einen vergleichbaren Artikel bringt die Welt (Michael Fabricius).
Joachim Jahn (FAZ) bereitet Sorgen, dass die Maßnahmen auf Kosten sozial schwacher Mieter gehen. Deren Lage habe der Großen Koalition "als Argument für eine Zwangsbewirtschaftung durch die sogenannte Mietpreisbremse" gedient. Nunmehr würde Vermietern nicht mehr nur die Höhe des Mietzinses vorgeschrieben, sondern auch, wen sie einziehen zu lassen hätten.
Bauvertragsrecht: Das Bundesjustizministerium arbeitet an einer Reform des Bauvertragsrechts und hat einen Entwurf an Verbände verschickt. Kern des Anliegens sei ein verbesserter Rechtsschutz für bauwillige Verbraucher, schreibt die SZ (Thomas Öchsner). Daneben sollen aber auch Haftungsfragen bei Mängeln neu und in Übereinstimmung mit Grundsatzurteilen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs geregelt werden. Die FAZ (Joachim Jahn) berichtet ebenfalls.
Erbschaftsteuer: Am heutigen Freitag beginnt die parlamentarische Beratung des Regierungsentwurfs zur Reform der Erbschaftsteuer. Ein Bericht der FAZ (Manfred Schäfers) stellt die zugrundeliegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom vergangene Dezember und die Position Christian von Stettens (CDU), von seiner Fraktion zum Berichterstatter bestimmt, dar. Die SZ (Marc Beise) berichtet zu einer Studie des Kronberger Kreises, dem wissenschaftlichen Beirat der Stiftung Marktwirtschaft. Das mit Ökonomen und Juristen besetzte Gremium schlägt als Alternative zum jetzigen Gesetzentwurf einen einheitlichen Steuersatz für alle Erbschaften vor.
Facebook-Hetze: Die Badische Zeitung (Christian Rath) befragt die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zur Strafbarkeit hetzerischer Beiträge auf Facebook und möglichen Lösungsansätzen.
Justiz
EuGH – Facebook: Rechtsanwalt Carlo Piltz setzt sich auf lto.de ausführlich mit der Argumentation des Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofs im Fall "Schrems gegen Facebook" auseinander. Er bezweifelt, dass durch eine Ungültigerklärung der Safe Harbor-Entscheidung der Europäischen Kommission "ein großer Gewinn für den transatlantischen Datenschutz erzielt würde". Vielmehr seien Rechtsunsicherheit und Rechtsbrüche zu erwarten.
BGH zu Vaterschaft bei künstlicher Befruchtung: Die "nicht überraschende" Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Unterhaltspflicht eines Mannes gegenüber einem durch künstliche Befruchtung gezeugten Kindes fasst Rechtsprofessor Herbert Grziwotz für lto.de zusammen. Der Autor erkennt gleichwohl nach wie vor Risiken für unverheiratete und lesbische Mütter von durch Samenspende gezeugten Kindern und appelliert an den Gesetzgeber, "das der Lebenswirklichkeit nicht mehr entsprechende deutsche Abstammungsrecht der Kinderwunscherfüllung im Wege der modernen Fortpflanzungsmedizin anzupassen".
BGH zu Farbmarke Rot: Der Bundesgerichtshof hat das vom deutschen Sparkassen- und Giroverband angestrengte Markenverletzungsverfahren zum Streit über die Verwendung der Farbe Rot an das Oberlandesgericht Hamburg zurückverwiesen. Die Rechtsanwälte Andrea Renvert und Markus Rettig zeichnen auf lto.de das Verfahren und die relevanten Rechtsprobleme nach.
BGH zu Brechreiz: Ob ein durch Anspucken ausgelöster Brechreiz eines Polizisten für eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung ausreicht, muss nach einem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom August erneut ermittelt werden. Die mit der Sache befasste Vorinstanz habe einen diesbezüglichen Vorsatz des Angeklagten nicht festgestellt, schreibt beck.blog.de (Carsten Krumm).
OLG München – NSU: Im Verfahren gegen Beate Zschäpe u.a. vor dem Oberlandesgericht München wurde ein Sachverständiger für DNA-Analytik vernommen. Den Wert dieser Aussage, unter anderem zu DNA-Spuren einer bislang unbekannten Frau stellte Verteidiger Wolfgang Stahl in Frage, schreibt spiegel.de (Wiebke Ramm).
OLG Celle zu Sitzungspolizei: Einer Zuschauerin im sogenannten Gröning-Verfahren vor dem Landgericht Lüneburg war die Mitnahme bestimmter Schreibutensilien unter Berufung auf eine sitzungspolizeiliche Anordnung des Gerichts versagt worden. Zu Recht, wie das Oberlandesgericht Celle in einem Beschluss vom Juni, über den Detlef Burhoff (blog.burhoff.de) nun berichtet, entschied. Die eingelegte Beschwerde wurde als unzulässig verworfen, weil der Maßnahme eine über die Dauer der Hauptverhandlung hinausgehende Wirkung nicht zukomme und Grundrechte auch nicht dauerhaft berührt worden seien. Auch die Begründetheit der Anordnung wäre gegeben gewesen, weil sie einen zulässigen Zweck verfolgt hätte.
OLG Köln zu Meinungsfreiheit vor Gericht: Rechtsanwalt Jens Ferner (ferner-alsdorf.de) schreibt zu einer erfolgreich eingelegten Beschwerde beim Oberlandesgericht Köln gegen ein gerichtlich verhängtes Ordnungsgeld wegen ungebührlichen Verhaltens eines Angeklagten. Dieser war nach Wiedereintritt nach einer Mittagspause sitzengeblieben und erklärte auf Vorhaltungen des Gerichts, dass es sich den geforderten Respekt erst einmal verdienen müsse. Weil er hiermit auch Unmut über seine Haftsituation zum Ausdruck bringen wollte, könne sein Verhalten "nicht ohne weiteres als zielgerichtete und allein bezweckte Diffamierung des Gerichts bewertet werden", so das OLG Köln.
LG Frankfurt – S&K: Über den Prozessauftakt im Strafverfahren gegen Manager des S&K-Unternehmens vor dem Landgericht Frankfurt/M. berichtet die SZ (Markus Zydra). Sechs Angeklagten wird schwerer gewerbs- und bandenmäßiger Betrug vorgeworfen, die Anklageschrift umfasse mehr als 3.000 Seiten. Deren Verlesung wurde durch einen Befangenheitsantrag einer Nebenbeteiligten verzögert, das Verfahren wird am Dienstag fortgesetzt. FAZ (Denise Peikert) und Handelsblatt (M. Brächer/K. Schneider) berichten ebenfalls.
LG Potsdam zu Verzweiflungstat: Wegen Totschlags hat das Landgericht Potsdam einen Landwirt zu sieben Jahren Haft verurteilt. Der Mann hatte einen Mitarbeiter des Veterinäramtes erschossen, weil ihm die Beschlagnahmung seiner Tiere drohte, schreibt spiegel.de.
GStA Frankfurt – Maple Bank: Zu Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/M. gegen die deutsche Niederlassung der kanadischen Maple Bank schreibt die SZ (Klaus Ott). Gegenständlich seien sogenannte Cum-Ex-Deals, mit denen eine mehrfache Erstattung der Kapitalertragsteuer erreicht wurde. Durch diese soll die Bank einen Steuerschaden von 450 Millionen Euro verursacht haben, weit mehr als in bislang bekannt gewordenen vergleichbaren Fällen.
Schönheitsreparaturen: Einen Überblick mehrerer mieterfreundlicher Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu Schönheitsreparaturen bringt die SZ (Andrea Nasemann) in ihrer Mietmarkt-Beilage.
Peter Müller: Die FAZ (Reinhard Müller) gratuliert Peter Müller, Richter am Bundesverfassungsgericht, zum 60. Geburtstag am heutigen Freitag. Der frühere saarländische Ministerpräsident habe sich "unbefangen und nach außen bescheiden in Karlsruhe eingefügt". Sein Wechsel sei "geglückt", auch wenn er hin und wieder von Verfahren ausgeschlossen sei, wie etwa bei der kürzlich ergangenen Entscheidung zur Besetzung der Arbeitsgruppen des Vermittlungsausschusses.
Kurt Schrimm: Die Badische Zeitung (Franz Schmider) porträtiert Staatsanwalt Kurt Schrimm. Als Leiter der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen ermittelte der baldige Pensionär zu Nazi-Verbrechen. Der Artikel geht auch auf die Arbeit der Zentralstelle und ihre unklare Zukunft ein.
Recht in der Welt
Vattenfall vs. Deutschland: Vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionstreitigkeiten (ICSID) in Washington/USA wird gegenwärtig eine milliardenschwere Forderung des Energieunternehmens Vattenfall gegen die Bundesrepublik verhandelt. Das Unternehmen fordert Entschädigung wegen der Abschaltung der AKW Krümmel und Brunsbüttel. Nach Informationen der SZ (Markus Balser) steht das Verfahren vor einer Wende: Auf eigenen Antrag habe sich die Europäische Kommission als sogenannter Amicus Curiae oder Streithelfer eingeschaltet. Die Kommission beharre darauf, dass Streitfälle innerhalb der EU "im Rahmen des Binnenmarkts gelöst werden".
Frankreich – Bankenchef: Ein Pariser Gericht hat den Vorstandsvorsitzenden der Bankengruppe BPCE, Francois Perol, vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs freigesprochen. Ihm war vorgeworfen worden, als wichtigster Wirtschaftsberater des früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy die Entstehung der nun von ihm geleiteten Gruppe maßgeblich vorangetrieben und bei der Übernahme seines jetzigen Amtes eine dreijährige Karenzzeit für derartige Wechsel missachtet zu haben, so die FAZ (Christian Schubert). Der Vorwurf habe sich nach Ansicht des Gerichts jedoch nicht nachweisen lassen.
Sonstiges
Sicherungsverwahrung: Die Praxis der seit 2013 reformierten Sicherungsverwahrung untersucht die SZ (Thomas Hahn) bei einem Besuch in der niedersächsischen JVA Rosdorf. Ein weiterer Beitrag der SZ (Wolfgang Janisch) zeichnet die durch wegweisende Gerichtsentscheidungen gekennzeichnete Entwicklung der Sicherungsverwahrung nach. In Umsetzung eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte stellte das Bundesverfassungsgericht 2011 klar, dass die Maßnahme zuvörderst dem Schutz der Allgemeinheit diene. Betroffenen müsste "möglichst viel Freiheit in der Unfreiheit" gewährt werden.
Leistungsschutzrecht: Eine Schiedsstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat in einer Stellungnahme die Höhe der von der Verwertungsgesellschaft Media von Google geforderten prozentualen Umsatzbeteiligung für die Anzeige von Textausschnitten beanstandet. Eine grundsätzliche Zahlungspflicht Googles bestehe aber nach leistungsschutzrechtlichen Grundsätzen, berichtet zeit.de (Torsten Kleinz). Dagegen sollten Textausschnitte mit bis zu sieben Wörtern weiterhin kostenlos bleiben. Vertreter beider Akteure werteten die Entscheidung als vorläufigen Sieg.
Das Bundeskartellamt sehe auch weiterhin keinen Anlass, gegen den Suchmaschinenbetreiber vorzugehen, schreibt internet-law.de (Thomas Stadler) unter ausführlicher Wiedergabe des entsprechenden Beschlusses. Damit sorge das Leistungsschutzrecht "weiter für Rechtsunsicherheit".
Das Letzte zum Schluss
Batmobil: "Happy Birthday" ist nun zwar gebührenfreies Allgemeingut, wer wie der dunkle Ritter Batman bei der Verfolgung Krimineller stilecht in einem Batmobil unterwegs sein will, muss nach der Entscheidung eines kalifornischen Gerichts erst bei den Rechteinhabern um Erlaubnis bitten. Das Fahrzeug besitze eine einzigartige Persönlichkeit, die es von anderen Fahrzeugen unterscheide, zitiert spiegel.de Richterin Sandra Ikuta. Die hatte in ihre Urteilsbegründung auch gleich noch ein Batman-Zitat verpackt: "In unserer ordentlichen Gesellschaft ist der Schutz des Privateigentums unentbehrlich."
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 25. September 2015: Dünne Luft für VW - Schiedsverfahren gegen Deutschland - Praxis der Sicherungsverwahrung . In: Legal Tribune Online, 25.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17006/ (abgerufen am: 03.07.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag