In Italien ist Silvio Berlusconi zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Endet damit seine Karriere? Außerdem in der heutigen Presseschau: Gedanken zum Länderfinanzausgleich, Taktlosigkeiten beim NSU-Prozess, Kettenbefristungen in der Arbeitswelt, Jüdische Gemeinde zu Berlin, positive Diskriminierung in den USA, Prozessfinanzierung in Deutschland und Schweinelärm in Frankreich.
Berlusconi verurteilt: Das Ende einer beispiellosen Polit-Karriere? Silvio Berlusconi, der frühere italienische Ministerpräsident, ist erstinstanzlich von einem Mailänder Gericht wegen Sex mit einer Minderjährigen und Amtsmissbrauch zu einer Haftstrafe von sieben Jahren verurteilt worden. Das Urteil, das noch über den Antrag der Anklage hinausging, schließt das dauerhafte Verbot, öffentliche Ämter zu bekleiden, ein.
Wie die FAZ (Jörg Bremer) schreibt, sahen es die Mailänder Richterinnen als erwiesen an, dass Berlusconi im Jahr 2010 während wilder Party-Nächte in seiner Villa mit der Marokkanerin Karima El Mahroug alias "Ruby" sexuelle Kontakte pflegte, und in seiner Funktion als Ministerpräsident ihre Freilassung aus dem Polizeigewahrsam erwirkte. Die Vollstreckung der Haft dürfte dem Politiker und Medienunternehmer aber erspart bleiben. Wie das Handelsblatt (Katharina Kort) schreibt, sehe ein während der Regierungszeit Berlusconis verabschiedetes Gesetz vor, dass über 70-jährige Personen ihre Haftstrafen nicht mehr antreten müssen, sondern diese im Hausarrest absitzen dürfen. Die SZ (Andrea Bachstein) erinnert an den zur Zeit anhängigen "Ruby 2"-Prozess. Vertraute Berlusconis müssen sich in diesem gegen den Vorwurf der organisierten Zuhälterei verteidigen.
Andrea Bachstein (SZ) kommentiert, dass es bedenklich erscheine, dass Berlusconi "wenn überhaupt" nur mit den Waffen der Justiz "aus dem Feld zu vertreiben" sei. "Ihn mit den Waffen der Politik oder der Kultur zu schlagen, scheint in Italien einfach nicht zu gelingen."
Weitere Themen – Rechtspolitik
Länderfinanzausgleich: Rechtsprofessor Joachim Wieland bespricht auf lto.de den Vorschlag einer Expertenkommission der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Reform des Länderfinanzausgleichs. Der Vorschlag sieht ein Verteilungskonzept vor, das sich an den Aufgaben von Ländern und Kommunen sowie an deren Bedürftigkeit orientiert. So könne dem demografischen Wandel Rechnung getragen und der eigentliche Finanzausgleich auf einen Spitzenausgleich reduziert werden.
Die FAZ (J.v. Altenbockum/T. Holl) bringt ein Streitgespräch zum Thema zwischen dem hessischen Finanzminister Schäfer (CDU) und dem Berliner Finanzsenator Nußbaum (parteilos) als Vertreter eines Geber- und eines Nehmerlandes.
Datenschutz: Das Handelsblatt (Daniel Delhaes) interviewt die Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ilse Aigner (CSU), zu neuen Regeln des Datenschutzes. Als "weltumspannendes Medium" erfordere das Internet eine internationale Verständigung über einheitlichen Schutz vor Datenmissbrauch. Auf europäischer Ebene werde mit der geplanten Datenschutz-Grundverordnung beabsichtigt, Regeln für alle in Europa tätigen Unternehmen aufzustellen, auch für solche US-amerikanischer Herkunft.
Weitere Themen - Justiz
EuGH zu Verbotsirrtum im Kartellrecht: Rechtsanwalt Maxim Kleine informiert im handelsblatt-rechtsboard über ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Nach diesem können sich Unternehmen einer Kartellbuße nicht mit dem Vortrag entziehen, aufgrund einer fehlerhaften anwaltlichen Beratung irrtümlich von der Rechtmäßigkeit des eigenen Handelns ausgegangen zu sein. Auf Vertrauensschutz könne sich nur berufen, wem die zuständige Behörde eine präzise Zusicherung gegeben habe.
OLG München – NSU-Prozess: Als eine "Dia-Schau des Schreckens" beschreibt die SZ (Tanjev Schultz) den gestrigen Verhandlungstag im Verfahren gegen Beate Zschäpe und andere vor dem Oberlandesgericht München. Zu Beginn der Beweisaufnahme erläuterte ein Kriminalbeamter anhand von Tatortfotos die Umstände der Ermordung eines türkischen Kleinunternehmers. Die mehrfach wiederholte Betonung der in dem Räumen des Opfers herrschenden Unordnung durch den Beamten habe "wenig Taktgefühl" bewiesen.
OLG Nürnberg zu Mollath: Das Oberlandesgericht Nürnberg hat einem Bericht der SZ (Olaf Przybilla/Uwe Ritzer) zufolge eine von Gustl Mollaths Anwalt Gerhard Strate eingelegte Untätigkeitsbeschwerde als unzulässig zurückgewiesen. Der Rechtsbehelf, welcher sich gegen das mit dem Wiederaufnahmeantrag beschäftigte Landgericht Regensburg richte, sei gesetzlich nicht vorgesehen. Zudem stelle sich die bislang noch nicht erfolgte Entscheidung nicht als "endgültige Rechtsverweigerung" dar. Strate habe eine Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss angekündigt. Gegen den Anwalt ermittelt derweil die Hamburger Staatsanwaltschaft wegen des Vorwurfs der Veröffentlichung amtlicher Schriftstücke eines Strafverfahrens.
Kettenbefristung: Anlässlich der bevorstehenden Sommerferien erinnert Rechtsanwältin Sandra Urban-Crell auf lto.de an das arbeitsrechtliche Phänomen der sogenannten Kettenbefristungen im öffentlichen Dienst. Viele nicht verbeamtete Lehrer seien aufgrund dieser Einstellungspraxis während der Sommermonate auf ALG I oder II angewiesen. Ein Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom März entsprach der Entfristungsklage einer Lehrerin, die mehr als zehn Jahre auf Grundlage von vierzehn befristeten Arbeitsverträgen tätig gewesen war. Nach Einschätzung der Autorin dürfte der Richterspruch auch in den höheren Instanzen Bestand haben. Denn zwei Grundsatzurteile des Bundesarbeitsgerichts setzten der Zulässigkeit von Kettenbefristungen enge Grenzen.
LAG Düsseldorf zu Kettenbefristung: Rechtsprofessor Christian Rolfs berichtet auf blog.beck.de über ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf, nach dem eine tarifvertraglich gestattete Kettenbefristung nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. Die Tarifparteien hätten von der Möglichkeit des § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG Gebrauch gemacht, das streitige Arbeitsverhältnis sei nicht durch institutionellen Rechtsmissbrauch zustande gekommen.
OVG Lüneburg zu Aufnahmen von Polizeibeamten: Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat in der vergangenen Woche entschieden, dass die Polizei die Identität derjenigen Personen feststellen darf, die Polizeibeamte im Einsatz filmen oder fotografieren. Voraussetzung ist, dass Anhaltspunkte für die beabsichtigte Verbreitung der Aufnahmen bestehen. Thomas Stadler (internet-law.de) unterzieht den Beschluss einer kritischen Würdigung.
VG Berlin zu Jüdischer Gemeinde: Wie die FAZ (Mechthild Küpper) berichtet, hat das Verwaltungsgericht Berlin in einer Eilentscheidung festgestellt, dass das Land Berlin der Jüdischen Gemeinde zu Berlin auch weiterhin den in einem Staatsvertrag vereinbarten Zuschuss in voller Höhe zahlen muss. Der Berliner Senat hatte die Zuwendungen wegen Unklarheiten im Wirtschaftsplan der Gemeinde gekürzt. Nach Feststellung des Gerichts sieht der Staatsvertrag jedoch keine derartigen Einschränkungen vor. Das Land besitze lediglich ein nachträgliches Prüfrecht.
LG Frankfurt zu E-Zigaretten: Nach einem Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. verstößt der Vertrieb von nikotinhaltigen Flüssigkeiten für E-Zigaretten, sogenannten "Liquids", gegen das Tabakgesetz. Ein Händler wurde daher zu einer Geldstrafe verurteilt, schreibt die taz (Arno Frank). Die Anklage hatte dem Verurteilten ursprünglich einen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz vorgeworfen. Der Prozess gelte als Pilotverfahren, weil bislang nur widersprüchliche Urteile von Verwaltungsgerichten und Einschätzungen von Gesundheitsbehörden zur Frage der rechtlichen Einordnung als Tabakerzeugnis bzw. Arzneimittel vorlägen.
LG Essen - Arcandor-Untreue: Wie die FAZ (Joachim Jahn) berichtet, hat die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte in Bochum beim zuständigen Landgericht Essen Anklage gegen Thomas Middelhoff wegen Untreue erhoben. Dem früheren Chef des Kaufhauskonzerns Arcandor werde vorgeworfen, private Charterflüge über das Unternehmen abgerechnet und hierbei einen "hohen sechsstelligen" Betrag veruntreut zu haben. Vor einer Zivilkammer des gleichen Gerichts wird zur Zeit eine millionenschwere Schadensersatzklage des Insolvenzverwalters des Unternehmens gegen Middelhoff verhandelt. Auch die SZ (Klaus Ott) berichtet.
Steuerschlupfloch Aktienhandel: Die SZ (Klaus Ott) schreibt in ihrem Wirtschafts-Teil über das mühsame Stopfen eines Steuerschlupfloches. Bereits 2002 hätte der Bundesverband deutscher Banken das Bundesfinanzministerium darauf aufmerksam gemacht, dass bei sogenannten Leerverkäufen von Aktien der Fiskus nachträglich mehr erstatten würde, als er vorher eingenommen habe. Zögerliches Einschreiten von drei Finanzministern habe dazu geführt, dass dieses Schlupfloch erst seit 2012 nicht mehr vorhanden sein. In "sehr mühsamen" und vermeidbaren Verfahren gegen teils renommierte Geldhäuser würde nun versucht, Geld zurückzubekommen. Allein in Hessen seien rund 40 Steuerverfahren anhängig.
Weitere Themen – Recht in der Welt
USA – Positive Diskriminierung: Wie die SZ (hier eine längere Online-Version mit Hintergründen des Falls) meldet, hat der Oberste Gerichtshof der USA eine mit Spannung erwartete Entscheidung zur positiven Diskriminierung, der sogenannten Affirmative Action, verweigert. Stattdessen wurde der Fall an untere Instanzen zurückverwiesen. Diese hätten bislang Grundsatzurteile des Supreme Courts nicht beachtet. Geklagt hatte eine weiße Studentin, die sich bei ihrer Uni-Bewerbung gegenüber Angehörigen von Minderheiten als benachteiligt empfunden hatte.
Sonstiges
Richtig vererben: Mit dem Wunsch vieler Erblasser, den Erben ein "dauerhaftes Versorgungsvermögen" zu hinterlassen, beschäftigt sich ein Gastbeitrag im Finanzteil der FAZ (Christian von Oertzen/Frank Hannes). Die Rechtsanwälte beleuchten Risiken und Chancen verschiedener Modelle wie Versicherungs- oder Stiftungslösungen.
Kunst im Büro: Ein im Büro installiertes Kunstwerk kann nicht nur den Arbeitsalltag verschönern, sondern unter Umständen auch Steuerersparnisse bringen. Unter welchen Voraussetzungen, erklärt ein Beitrag im Recht & Steuern-Teil des Handelsblatts (Constanze Elter).
Prozessfinanzierung: Vor dem Hintergrund eines in vier Ländern ausgetragenen erbrechtlichen Rechtsstreits mit mehreren hunderttausend Euro Anwalts- und Gerichtskosten stellt die FAZ (Christine Scharrenbroch) in ihrem Unternehmens-Teil die Branche der Prozessfinanzierung und maßgebliche Akteure vor.
Rechtstheorie: Die SZ (Stefan Huster) bespricht in ihrem Feuilleton das von Gottfried Gabriel und Rolf Gröschner herausgegebene Buch "Subsumtion. Schlüsselbegriff der Juristischen Methodenlehre."
Das Letzte zum Schluss
Schweinelärm: Wie die SZ meldet, hat ein 59-jähriger Franzose, dessen Taubheit vor einem Jahr als Berufskrankheit anerkannt wurde, seinen früheren Arbeitgeber auf Schmerzensgeld verklagt. Er arbeitete in einem Mastbetrieb und macht nun geltend, dass ihn das Grunzen und Quieken von Schweinen ertauben ließ. Der Arbeitgeber verteidigt sich mit einem Hinweis auf eine frühere Tätigkeit des Klägers als Holzarbeiter.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 25. Juni 2013: Berlusconi verurteilt - Kettenbefristungen - positive Diskriminierung . In: Legal Tribune Online, 25.06.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9003/ (abgerufen am: 20.07.2024 )
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