Das BVerwG befasst sich am heutigen Donnerstag mit der Fahruntüchtigkeit nach Cannabiskonsum. Außerdem in der heutigen Presseschau: Bremen erlässt ein Gesetz zur teilweisen Kostenübertragung auf die DFL bei "Risikospielen", der EGMR sieht hohe Freiheitsstrafe für Atatürk-Beleidigung als unverhältnismäßig an und wie man Facebook für die Verbrechensverfolgung nutzen kann.
Thema des Tages
BVerwG – "Promillegrenze" für THC: Am heutigen Donnerstag wird das Bundesverwaltungsgericht in einem Revisionsverfahren darüber entscheiden, ob auch für Kiffer eine Art "Promillegrenze" gelten soll. Die Revision richtet sich gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim. Der VGH entzog dem Betroffenen die Fahrerlaubnis, da er beim Führen seines Fahrzeugs 1,3 Nanogramm Tetrahydrocannabinol (THC) im Blut hatte. Bis 2004 galt eine Null-Toleranz-Linie hinsichtlich des THC-Konsums beim Führen eines Fahrzeugs. Ende 2004 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass die Wirkungszeit nicht zwingend mit der Nachweiszeit im Körper übereinstimmen muss. Die Feststellung einer geringen THC-Menge im Blut könne also nicht unbedingt Rückschlüsse auf die Fahruntüchtigkeit zulassen. Daraufhin etablierte sich bei den meisten Oberverwaltungsgerichten eine Grenze von 1,0 Nanogramm THC pro Milliliter Blut. Im Mannheimer Prozess stellte ein medizinischer Gutachter diesen Wert nun in Frage. Erst eine Konzentration von zwischen 2,0 und 5,0 Nanogramm pro Milliliter könne sich auf die Fahrtüchtigkeit auswirken. Obwohl auch der VGH davon ausging, dass ein THC-Wert von 1,0 Nanogramm wohl weniger das Bewusstsein beeinträchtigt, als 0,5 Promille Alkohol im Blut, entschied es, dass allein die Möglichkeit der Fahruntüchtigkeit nach dem Cannabiskonsum ausreiche. Einen Überblick gibt die SZ (Wolfgang Janisch).
Rechtspolitik
Reform des Gebührengesetzes: In Bremen wurde am gestrigen Mittwoch ein neues Gebührengesetz verabschiedet, welches es dem Bundesland ermöglichen soll der Deutschen Fußball Liga einen Teil der Kosten für sogenannte "Risikospiele" zu übertragen. Als "Risikospiel" werden solche Fußballspiele eingestuft, die regelmäßig von gewaltbereiten Fans besucht würden. Die Mehrkosten entstünden hauptsächlich durch ein erheblich höheres Polizeiaufgebot. Für den erhöhten Aufwand kann Bremen der DFL dann ein Kostenbescheid stellen. Reinhard Rauball, Präsident der DFL, kündigte bereits juristische Schritte an. Dies meldet fr-online.de.
Strafrechtsverschärfung gegen Terror: zeit.de (Zacharias Zacharakis) bespricht in einem Interview mit dem innenpolitischen Unionssprecher Stephan Mayer (CSU) die geplanten Strafrechtsänderungen zur Terrorismusbekämpfung. Der Abgeordnete gehe mit seinen Reformforderungen noch weiter als die Bundesregierung. Unter anderem wolle er die Sympathiewerbung für ausländische terroristische Vereinigungen grundsätzlich wieder unter Strafe stellen und bereits den Versuch der Reise in ein Ausbildungslager einer terroristischen Vereinigung ahnden.
Justiz
BVerwG zu Trunkenheit bei der Jagd: Die Polizei entzog einem Jäger seine waffenrechtliche Erlaubnis, nachdem dieser betrunken zur Jagd gegangen war. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte diese Entscheidung am gestrigen Mittwoch. Ein Waffenbesitzer, welcher im alkoholisierten Zustand seine Waffe benutzt, sei im waffenrechtlichen Sinne unzuverlässig. Dabei komme es auch nicht darauf an, ob der Betroffene Ausfallerscheinungen zeige. Dies melden die SZ und tagesschau.de.
BVerwG zu Kennzeichenüberprüfung: Das Bundesverwaltungsgericht entschied am gestrigen Mittwoch, dass die automatische Erfassung und die Überprüfung einer Vielzahl von Autokennzeichen durch die bayrische Polizei rechtmäßig sei. Der Betroffene sah sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch die Kennzeichenüberwachung verletzt. Ein Eingriff liege laut Gericht aber nicht vor, da die Daten anonym blieben und sofort gelöscht würden. Dies melden spiegel.de und die SZ.
OVG Gera zu Beamteneignung eines NPD-Kandidaten: Der Wahlausschuss zur Oberbürgermeisterwahl in Gera hat einen NPD-Kandidaten nicht zur Wahl zugelassen. Als Argument wurde angeführt, dass das NPD-Mitglied nicht die nötige Eignung für ein Beamtenverhältnis mitbringe. Der Betroffene hatte daraufhin die Wahl angefochten. Er brachte vor, dass die Partei nicht verboten und eine Benachteiligung dementsprechend rechtswidrig sei. In seiner Entscheidung vom gestrigen Mittwoch bestätigte das Oberverwaltungsgericht Gera die Rechtmäßigkeit der Wahl. Die NPD sei zwar nicht verboten, jedoch verfolge sie auch verfassungsfeindliche Ziele. Diese wiederum müsse sich der Betroffene aufgrund seiner herausgehobenen Funktion in der NPD zurechnen lassen. Dazu die FAZ (Alexander Haneke).
BGH zu Haftung von Futtermittellieferanten: Der Bundesgerichtshof hob am gestrigen Mittwoch ein Schadensersatzurteil auf, welches einen Futterlieferanten dazu verpflichtete Umsatzeinbußen durch dioxinverunreinigtes Futter zu erstatten. Das Oberlandesgericht Oldenburg wird sich nun erneut damit auseinandersetzen müssen, inwieweit der Futterlieferant für Futter mit überhöhten Dioxinwerten haftet. Dies meldet die taz.
VG Aachen zu Gorch Fock: Die Eltern einer ehemaligen Kadettin der Gorch Fock klagten vor dem Verwaltungsgericht Aachen gegen die Bundesrepublik auf Entschädigung wegen des Todes ihrer Tochter. Sie war während einer Nachtwache ertrunken. Das Gericht wies die Klage am gestrigen Mittwoch zurück. Eine Entschädigung der Hinterbliebenen sei nur vorgesehen, wenn der Angehörige bei der Dienstausübung unter besonderer Lebensgefahr stirbt. Eine solche Gefahr habe nicht vorgelegen. Den Eltern sei es bei der Klage wohl um die Aufklärung der bislang nicht geklärten Todesumstände ihrer Tochter gegangen, weniger um die Entschädigung. Es berichten zeit.de und spiegel.de.
OLG München – NSU: Im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München sagten am gestrigen Mittwoch zwei Polizisten aus Thüringen aus, die 1996 gegen Beate Zschäpe und deren Freunde ermittelt hatten. Die Polizistin beschreibt Zschäpe als ruhig und "aufgeräumt". Der zweite Beamte ist der Ansicht, die Beschuldigten hätten sich damals gegenseitig Alibis verschafft. Schwierigkeiten bereiteten Erinnerungslücken der Ermittler, daher wurden am gestrigen Verhandlungstag Passagen aus dem alten Protokoll verlesen. Demnach hatte Zschäpe Uwe Böhnhardt damals in Schutz genommen. Auch wurde so die Aussage Zschäpes in den Prozess eingeführt, wonach sie zwar rechtsgerichtet sei, aber deswegen keine Straftaten begehe. Dies teilen die FAZ (Karin Truscheit), die SZ (Tanjev Schultz) und spiegel.de (Jörg Diehl) mit.
Recht in der Welt
Frankreich – EGMR zu Atatürk-Beleidigung: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erklärte am gestrigen Mittwoch ein Strafurteil eines türkischen Gerichts für unverhältnismäßig. Ein Mann war zu 13 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden, nachdem er Denkmäler und Statuen des Staatsgründers Atatürk mit Farbe übergossen hatte. Verfassungsblog.de (Maximilian Steinbeis) sieht die Unverhältnismäßigkeit des türkischen Urteils als evident an, beanstandet jedoch die Art und Weise der Entscheidungsfindung des EGMR. Der Bericht stellt die Kritik des für die Kammerentscheidung mit zuständigen Richters, András Sajó, dar: Danach fehle es unter anderem an einem Vergleichsmaßstab. Auch hätte das Gericht in seinen Verhältnismäßigkeitserwägungen die Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit berücksichtigen müssen. Das Gericht hätte in diesem Fall seine Qualität als europäisches Verfassungsgericht ausbauen können, wenn es sich mit der Legitimität der türkischen Strafrechtsnorm befasst hätte.
Frankreich – Strafe für "Sollbruchstellen": Frankreich hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, nach dem ein Produzent wegen Betruges bestraft werden kann, wenn er absichtlich vorzeitig alterndes oder minderwertiges Material verarbeitet, um durch vorschnellen Verschleiß den Umsatz zu steigern. Vorgesehenes Strafmaß sei bisher eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und eine Geldstrafe von 300.000 Euro. Frankreich will so den Energiebedarf reduzieren, so spiegel.de sowie die BerlZ.
Spanien – Aufhebung Conterganurteil: Das Madrider Landgericht hat am gestrigen Mittwoch in einem Berufungsverfahren eine Verurteilung des deutschen Pharma-Unternehmens Grünenthal zu Entschädigungszahlungen an Contergan-Opfer aufgehoben. Die Ansprüche seien verjährt. Die Betroffenen planten, gegen diese Entscheidung vorzugehen. Dies melden die SZ sowie die taz.
USA – Blackwater-Mitarbeiter verurteilt: Ein US-Gericht hat am gestrigen Mittwoch vier Mitarbeiter der Sicherheitsfirma Blackwater wegen der Tötung 14 irakischer Zivilisten in einem Einsatz in Bagdad im September 2007 verurteilt. spiegel.de berichtet, der Angriff habe damals einen Wendepunkt in der amerikanischen Besetzung dargestellt und international Empörung ausgelöst. Ein Angeklagter wurde wegen Mordes, die anderen drei wegen Totschlags schuldig gesprochen.
Sonstiges
Antiziganistische Rechtsprechung: Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats deutscher Sinti und Roma, bat den Bundesgerichtshof am vergangenen Dienstag um eine Distanzierung von der antiziganistischen Rechtsprechung der Nachkriegszeit. Den "Zigeunern" wurden damals nur bedingt Entschädigungen für die Verfolgung durch die Nazis gezahlt. Die BGH-Richter begründeten dies damit, dass bis 1943 keine rassistische Motivation vorgelegen habe, sondern vielmehr präventiv-polizeilich der Eigenart der "Zigeunerplage" entgegen gewirkt wurde. Der BGH hat in einem späteren Urteil anerkannt, dass bereits vor 1943 eine rassistische Verfolgung der Sinti und Roma stattfand, ließ jedoch die vermeintlichen polizeilichen Erwägungen daneben stehen. Rose kritisiert, dass das Gericht sich somit nicht ausreichend von der nationalsozialistischen Demagogie distanzierte. Dies berichtet die taz (Christian Rath).
Das Letzte zum Schluss
Beschwerde über Fahndungsfoto: Der junge Delinquent fühlte sich wohl sicher und erlaubte sich einen Spaß mit der neuseeländischen Polizei. Der Mann wurde über Facebook mit Fahndungsfoto gesucht. Offenbar war er aber mit seinem Bild nicht zufrieden und teilte dies den Beamten über die Kommentarfunktion in facebook mit. Zwar brachte das Angebot der Polizisten für ein kostenloses neues Fahndungsfoto den Mann nicht dazu sich zu stellen, aber die vielen Facebookabonnenten der Polizei in Wellington konnten schließlich zur Festnahme verhelfen. Von dem eitlen Gesetzesbrecher berichtet justillon.de (Andreas Stephan).
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 23. Oktober 2014: BVerwG und Fahruntüchtigkeit bei Cannabiskonsum – Kostenübertragung bei "Risikofußballs . In: Legal Tribune Online, 23.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13563/ (abgerufen am: 03.07.2024 )
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