Nach den US-Angriff auf den IS in Syrien stellt sich die Frage der völkerrechtlichen Rechtmäßigkeit. Außerdem in der Presseschau: Bundesdatenschützer werden nach einem neuen Gesetzesentwurf nicht unabhängiger, Fortbildungspflicht für Rechtsanwälte, Ärzte müssen sich im Internet bewerten lassen und was Heribert Prantl vermisst.
Thema des Tages
US-Eingreifen in Syrien und das Völkerrecht: Die USA fliegen Angriffe auf syrischem Hoheitsgebiet. Das dürfen sie zunächst einmal nur mit UN-Mandat des Sicherheitsrates, welches nicht vorliegt, oder mit Zustimmung Syriens. Eine stillschweigende Zustimmung ist nach der taz (Christian Rath) ausreichend. Aufgrund der Äußerungen des syrischen Außenministers, Syrien unterstütze "jede internationale Bemühung die zum Kampf gegen Terroristen beiträgt", sei von einer solchen auszugehen. Auf den Bericht dazu in der taz (Beate Seel/Jürgen Gottschlich) verweist Rath.
Die SZ (Stefan Ulbrich) setzt sich mit verschiedenen möglichen Gründen für eine Rechtmäßigkeit nach Völkerrecht auseinander. Danach liegt keine hinreichende Zustimmung Syriens vor. Das Recht zur Verteidigung, auf welches die Äußerungen des US Präsidenten über eine Bedrohung seines Landes hindeuten, sei mangels gegenwärtigen Angriffs nicht gegeben. Das Recht zur humanitären Intervention bei blockiertem Sicherheitsrat und notwendigem Einschreiten wegen Völkermordes werfe die Frage auf, ob ein solcher etwa an den Jesiden begangen werde. Bei einer Berechtigung wegen der Bitte des Irak um Hilfe gegen den IS bleibt fraglich, ob damit nur gegen angreifende Staaten vorgegangen werden darf oder ob die mangelnde Kontrolle Syriens über den IS dem gleichstehen kann. Letztlich sei eine Überwindung der Differenzen im Sicherheitsrat wünschenswert.
Andreas Zumach (taz) stimmt dem zu. Er meint, derzeit sei die Kritik der Völkerrechtswidrigkeit berechtigt. Auch unter Verweis auf das Verhalten Russlands auf der Krim sieht er die Gefahr zunehmender Deregulierung des Völkerrechts durch vermehrte Verstöße, welche dessen politische Bindungskraft schwächten.
Rechtspolitik
Bundesdatenschützer: Zum Entwurf des Innenministeriums zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetztes äußert sich Thilo Weichert auf lto.de. Der Datenschutzbeauftragte Schleswig-Holsteins hält ihn für misslungen und hofft, dass aus ihm nicht der Gesetzestext werde. Die Rechte und die Unabhängigkeit der Bundesdatenschutzbeauftragten würden nicht gestärkt. Auch zeit.de (Kai Biermann) kritisiert den Entwurf. Aussagen über "Vorgänge, die dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Bundesregierung zuzurechnen sind oder sein könnten" dürften "nur im Einvernehmen mit der Bundesregierung" getätigt werden, was letztlich in jedem Zweifelsfall eine Zustimmung erfordere.
Anti-Terror-Datei: Auch der Entwurf zur Anti-Terror-Datei vom Mai, der die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umsetzen sollte, wird Ansichten von Rechtsexperten zufolge, eine verfassungsrechtliche Prüfung nicht überstehen, berichtet die taz (Christian Rath). Eine neue Klage ist in Karlsruhe bereits anhängig.
Fortbildungspflicht für Anwälte: Nach Bericht der FAZ hat Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) der Bundesrechtsanwaltskammer sein Vorhaben einer kleinen Reform der Bundesrechtsanwaltsordnung mitgeteilt. Danach soll die Sitzungsversammlung ermächtigt werden eine Fortbildungspflicht für alle Rechtsanwälte einzuführen. Um diese Neuerung hatte die Satzungsversammlung in einer Resolution gebeten, da befürchtet wird, dass ohne bessere Qualitätskontrolle die EU das Sonderrecht der Freiberufler im Berufs- und Gebührenrecht kippen könnte.
Reform der Selbstanzeige: Axel Schrinner (Handelsblatt) bespricht die Reform der Selbstanzeige, die am heutigen Mittwoch im Bundeskabinett verabschiedet werden soll. Die Verlängerung der Verjährungsfristen führe im Extremfall zu Nachzahlungen von Steuern bis 25 Jahren plus sechs Prozent Zinsen und bis zu 20 Prozent Strafzuschlag. Da es dabei bleiben soll, dass ein Fehler in der Selbstanzeige zu ihrer Unwirksamkeit führt, werde die Fehlerhäufigkeit wegen des verlängerten Zeitraums steigen. Unter diesen Voraussetzungen habe das Verfahren der Selbstanzeige mit Rechtsstaat wenig gemein und eine Abschaffung der Selbstanzeige sei ehrlicher. Diese Einschätzung teilen Experten nach Bericht der FAZ (Joachim Jahn).
Mietpreisbremse: Den Regierungsentwurf zur sogenannten Mietpreisbremse stellt unter anderen die Welt (Michael Fabrizius) vor. Neben Kritik wegen unbestimmter Regeln ist das Bestellerprinzip für die Bezahlung von Immobilienmaklern nach Ansicht des Immobilienexperte und Vizepräsident des Immobilienverbands Deutschland, Jürgen Michael Schick, sogar ein Fall für Karlsruhe.
Justiz
BGH zu Ärztebewertung im Internet: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Ärzte sich nicht aus Bewertungsportalen im Internet löschen lassen können. Ein – überwiegend gut bewerteter – Gynäkologe hatte sich auf sein Persönlichkeitsrecht berufen, musste sich jedoch vom BGH sagen lassen, dass lediglich die Sozialsphäre betroffen sei. Ein niedergelassener Arzt stelle sich dem freien Wettbewerb und müsse sich so auch – trotz nicht unerheblich belastender Wirkung negativer Bewertungen – der Kritik stellen. Die SZ (Wolfgang Janisch) und lto.de berichten.
StA München erhebt Anklage gegen Fitschen u.a.: Im Verfahren gegen ehemalige und aktuelle Vorstandsmitglieder der Deutschen Bank wegen falscher Aussagen vor Gericht im sogenannten Kirch-Prozess, hat die Staatsanwaltschaft München am Montag die Anklageerhebung bestätigt. Es berichten die taz (Richard Rother), das Handelsblatt (Kerstin Leitel/Peter Köhler, Onlinebericht) und die Welt (Anne Kunz). Über bislang bekannte Anschuldigungen geht laut SZ (Klaus Ott) hinaus, dass die Angeklagten "kollusiv zusammengewirkt" haben sollen, um das Gericht zu täuschen und der Deutschen Bank die Schadensersatzzahlungen zu ersparen. Die Welt (Sebastian Jost) geht auch auf die möglichen Konsequenzen für die Stellung Jürgen Fitschens als Co-Vorstandschef ein und einen eventuellen "Deal" als Ausweg.
OLG Stuttgart zu ED-Behandlung im Bußgeldverfahren: Zum Abgleich mit einem Radarfoto durch einen Sachverständigen genügt ein von diesem im Gerichtssaal aufgenommenes Digitalfoto, entschied das Oberlandesgericht Stuttgart. Erkennungsdienstliche Behandlung zu diesem Zweck sei unverhältnismäßiger Weise vom Amtsgericht angeordnet worden. Dieses sei jedoch den Vorgaben des Sachverständigen gefolgt und habe demnach nicht willkürlich gehandelt, weshalb das OLG ein Verwertungsverbot ablehnte, meldet lawblog.de (Udo Vetter).
OLG Hamm zu "Berliner Testament": Die Formulierungen "Erbschaft gemäß dem 'Berliner Testament'" und "einschließlich Wiederverheiratungsklausel" ohne weitere Erläuterungen lassen nach einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm, keine hinreichende Auslegung des Erblasserwillens zu, meldet lto.de.
OLG Stuttgart zu Unterhaltspflichten: Wie blog.beck.de (Hans-Otto Burschel) berichtet, entschied das Oberlandesgericht Stuttgart am 4. September, dass auch zwischen nicht verheirateten Paaren, die einvernehmlich ein Kind durch Insemination zeugen, ein durch familienrechtliche Besonderheiten geprägter Vertrag zugunsten des Kindes geschlossen werde.
OLG Frankfurt zu Vorkasse bei Flügen: Bei Flugbuchungen dürfen Airlines den gesamten Reisepreis als Vorauszahlung verlangen und das auch unabhängig davon, wie lange im Voraus die Buchung stattfindet, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt laut lawblog.de (Udo Vetter).
OLG München – NSU-Prozess: Der Vorwurf des versuchten Mordes gegen Beate Zschäpe an ihrer betagten Nachbarin, indem sie ihre Wohnung in Brand setzte, wird in Zweifel gezogen, berichten spiegel.de (Giesela Friedrichsen) und zeit.de (Tom Sundermann). Nach der Aussage des Beamten, der die Nachbarin vernahm bevor diese vernehmungsunfähig wurde, versuchte die Angeklagte ihre Nachbarin möglicherweise zu warnen. Auch die taz (Andreas Speit) schreibt dazu.
VG Osnabrück zum Asylantragsort: Das Verwaltungsgericht Osnabrück bestätigte die Rücküberstellung Asylsuchender nach Italien laut lto.de. Dort seien sie eingereist und müssten nach der Dublin II-Verordnung auch ihren Antrag stellen. Punktuelle Defizite des italienischen Asylsystems aufgrund hoher Antragszahlen begründeten keine unmenschlichen Bedingungen. Dass im Gegensatz zu Deutschland keine Sozialleistungen gezahlt würden, ändere auch nichts, da es dazu keine europäische Verpflichtung gebe.
LG Düsseldorf zu Kanzleiamokläufer: Nachdem er im Februar zwei Anwälte erstochen und eine Kanzleimitarbeiterin erschossen hatte, verurteilte das Landgericht Düsseldorf den Angeklagten wegen dreifachen Mordes zu lebenslanger Haft und schloss Haftentlassung nach 15 Jahren durch Feststellung der besonderen Schwere der Schuld aus, melden spiegel.de und lto.de.
LG Frankfurt – eV gegen Uber-Fahrer: Nach Aufhebung der einstweiligen Verfügung (eV) gegen Uber mangels Eilbedürftigkeit, erwirkt Taxi Deutschland nun laut SZ (JaWi) Verfügungen, individuell gegen einzelne Fahrer gerichtet. Anfang der Woche sei die zweite solcher Verfügungen zugestellt worden. Es gehe jedoch nicht um Rachegelüste, so der Anwalt von Taxi Deutschland, eigentliches Ziel sei weiterhin das Unternehmen selbst.
OLG Köln – Wackenbarth vergleicht sich mit den Stadtwerken: Der fünfjährige Streit des Fotokünstlers Horst Wackenbarths mit den Stadtwerken Bonn endete in der Berufung mit einem Vergleich über 30.000 Euro, meldet die FAZ (Helene Bubrowski). Die Werbung der Stadtwerke griff das typische Sofamotiv des Künstlers auf und die Vorinstanz hatte sechs Werbefotos als unzulässig gewertet. Nun bleibt die Frage offen, ob die Werbung von ihm nur in zulässiger Weise inspiriert war, ohne das Werk des Künstlers zu übernehmen.
EuGH befragt Experten: Im Verfahren um die Vorlagefrage des Bundesverfassungsgerichts, ob das sogenannte OMT-Programm, womit die Europäische Zentralbank notfalls Staatsanleihen der Euro-Krisenländer kaufen kann, mit ihrem Mandat vereinbar ist, hat der Europäische Gerichtshof Experten zur Anhörung in der mündlichen Verhandlung am Mittwoch den 14. Oktober geladen. Dies meldet das Handelsblatt.
AG München zu Reisemängeln: Das Amtsgericht München entschied laut lawblog.de (Udo Vetter), dass der Blick auf den Panamakanal bei Nacht – und nicht wie versprochen bei Tag – als gravierender Reisemangel einer Kreuzfahrt in Südamerika 20 Prozent Schadensersatz rechtfertigt. Das Fehlen des "Highlights" bei sonst ordnungsgemäßer Reise begründe aber keinen zusätzlichen Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit.
Recht in der Welt
USA – Arab Bank verurteilt: Ein Geschworenengericht in New York hat nun entschieden, dass das jordanische Finanzinstitut Arab Bank sich durch Finanztransaktionen zugunsten der radikalislamischen Hamas während der zweiten Intifada gegenüber den Angehörigen von Terroranschlagsopfern schadensersatzpflichtig gemacht hat, berichten das Handelsblatt (Frank Wiebe) und die SZ (Kathrin Werner). Pierre Heumann (Handelsblatt) meint, das habe auch Auswirkungen für europäische Banken, die sich an US-Amerikanisches Recht halten müssten, wenn sie im Dollar-Handel mithalten wollen. Das europäische Recht sieht keine Verantwortlichkeit für Transaktionsfolgen vor, sondern lediglich eine Pflicht zum Einfrieren "verdächtiger Gelder".
Sonstiges
Partizipation von Unionsbürgern: Rechtswissenschaftler Hannes Rathke (juwiss.de) begrüßt, dass die Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) "Stop TTIP" vom Europäischen Gerichtshof überprüft werden soll. Er selbst kommt bei Überprüfung der Ablehnungsbegründung der Kommission zu dem Schluss die Vorgaben zur Zulassung der EBI hätten vorgelegen. Aber unabhängig von den Zielen der EBI gehe es ihm um die Gelegenheit zur gerichtlichen Prüfung der Zulassungskriterien dieses Partizipationsinstruments der Unionsbürger, bei deren Auslegung gelten sollte: "Mehr Partizipation wagen!".
Neuer BKA-Chef Münch: Die FAZ (Helene Bubrowski) stellt den designierten Chef des Bundeskriminalamts Holger Münch vor, der am 1. Dezember das Amt antreten wird. Der Polizist, der erst 2011 in die Politik wechselte, werde von Weggefährten als "Kumpeltyp, zuverlässig und erfahren" beschrieben. Seine kritische Haltung zu Stigmatisierung von jungen Menschen aus schwierigen Milieus wird angesprochen und, dass er ihnen Vorbilder aufzuzeigen für gewinnbringender hält. Auch die SZ (Roland Preuss) stellt die Personalie vor und betont die positive Haltung der Polizeigewerkschaft. Zu dem Personalwechsel schreibt auch spiegel.de (Jörg Diehl).
Das Letzte zum Schluss
Rechtsstaatlich-Liberale Politik gesucht: Herbert Prantl (SZ) kommentiert den Zustand der liberalen Politik ein Jahr nach dem Rauswurf der FDP aus dem Bundestag. Diese sei schon lange nicht mehr die rechtsstaatlich-liberale Partei früherer Zeiten gewesen, aber auch sonst habe niemand die Lücke gefüllt. Es bleibe nach dem Wort Karl-Hermann Flachs "Noch eine Chance für die Liberalen". Prantl konstatiert: "Entweder gibt es in der FDP keine Liberalen mehr. Oder die sehen diese Chance nicht. Oder sie haben die Kraft nicht, sie zu ergreifen."
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/krü
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 24. September 2014: US-Angriff und Völkerrecht – Anklageerhebung gegen Fitschen bestätigt – Suche nach liberaler Politik . In: Legal Tribune Online, 24.09.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13286/ (abgerufen am: 03.07.2024 )
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