Man nannte ihn "Dr. No", als er noch der mächtige Chef der HSH Nordbank war. Jetzt steht er wegen Untreue und Bilanzfälschung vor Gericht. Außerdem in der Presseschau: der Reformvorschlag zum psychiatrischen Maßregelvollzug, die BGH-Vorlage zur gemeinsamen Sozietät von Anwälten und Ärzten und warum im Justizpalast von Den Haag das Bild der Königin abgehängt wurde.
LG Hamburg – Untreue bei der HSH Nordbank: Am Mittwoch beginnt am Landgericht Hamburg der Prozess gegen sechs ehemalige Vorstände der Landesbank HSH Nordbank. Der bekannteste der Angeklagten ist der ehemalige Vorstandschef Dirk Jens Nonnenmacher. Allen sechs Angeklagten wird schwere Untreue zu Lasten der Bank vorgeworfen. Sie sollen im Vorfeld des geplanten Börsengangs ohne ausreichende Prüfung ein Koppelgeschäft mit einer französischen Bank eingegangen sein, bei dem die Nordbank u.a. eine Liquiditätsgarantie für ein Finanzvehikel namens Omega 55 gab, das viele faule Kredite enthielt und letztlich zu einem Verlust der Nordbank in Höhe von 158 Millionen Euro sorgte. Das Gericht muss nun entscheiden, ob es sich dabei wirklich um strafbare Untreue handelt oder nur um eine unternehmerische Fehlentscheidung. Zweien der Vorstände wird zudem noch Bilanzfälschung zur Verdeckung des Debakels vorgeworfen. Es berichten die SZ (Kristina Läsker) und die taz (Gernot Knödler).
Die Welt (Sven Clausen/Sebastian Jost) schildert, was aus den Angeklagten nach ihrer Entlassung bei der HSH Nordbank wurde. Nur einer habe wieder eine feste Anstellung bei einer Bank gefunden.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Psychiatrischer Maßregelvollzug: Die Neue Richtervereinigung Baden-Württemberg fordert eine Reform der psychiatrischen Unterbringung von Straftätern. Diese soll auf gravierende Anlasstaten beschränkt und zeitlich begrenzt werden, berichtet die taz (Christian Rath). In einem separaten Kommentar argumentiert Christian Rath (taz), dass eine mit Risiken verbundene Reform wohl nur vom Bundesverfassungsgericht durchgesetzt werden könne.
DDR-Symbole: Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat ein aus CDU-Kreisen gefordertes Verbot von DDR-Symbolen abgelehnt, so lto.de.
Weitere Themen - Justiz
BGH zur Partnerschaft Anwälte/Ärzte: Der Bundesgerichtshof hält § 59a BRAO für verfassungswidrig und hat die Frage dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Das berichtet die FAZ (Joachim Jahn). Aus dieser Klausel gehe hervor, dass Anwälte keine gemeinsame Partnerschaftsgesellschaft mit Ärzten gründen könnten. Dies verstoße gegen die Berufs- und Vereinigungsfreiheit sowie das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes.
BGH zur GmbH-Gesellschafterhaftung: Die Anwältin Christine Koziczinski kritisiert in der FAZ eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs von Anfang Juli. Danach haftet ein Gesellschafter noch ein Jahr lang, nachdem er eine Darlehensforderung an seine GmbH verkauft hat. Der BGH solle deutlich machen, dass dies nur für Fälle gelte, in denen Dritte kollusiv geschädigt werden sollen.
BGH zu Schönheitsreparaturen: Die SZ (Berrit Gräber) nimmt ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs zum Anlass für einen Überblick, welche Mietvertrags-Klauseln zu Schönheitsreparaturen bereits für unzulässig erklärt wurden. In diesen Fällen müssten die Mieter beim Auszug nicht renovieren, auch wenn der Vertrag das Gegenteil besage.
OLG München – NSU-Prozess: spiegel.de (Gisela Friedrichsen) berichtet vom jüngsten Prozesstag am Oberlandesgericht München. Unter anderem sei deutlich geworden, dass der Mitangeklagte Holger G., der Beate Zschäpe bei der Polizei belastete, dort nicht kunstgerecht vernommen wurde. Oft wurde nicht nachgefragt und auch nur bruchstückhaft protokolliert. zeit.de (Özlem Topçu) schildert, wie die parallele Behandlung unterschiedlicher Morde am gleichen Sitzungstag für die Konzentration aller Verfahrensbeteiligten hinderlich sei, auch die des Vorsitzenden Richters Götzl.
FG Niedersachsen – Soli: Laut Welt (Karsten Kammholz) wird das Finanzgericht Niedersachsen in den kommenden Monaten über eine Musterklage des Steuerzahlerbundes gegen den Solidaritätszuschlag entscheiden. Es wird damit gerechnet, dass das FG den Soli für verfassungswidrig hält, weil er nicht nur zur Deckung vorübergehender Bedarfsspitzen dient. Eine ähnliche Richtervorlage des FG Niedersachsen aus dem Jahr 2009 hatte das Bundesverfassungsgericht allerdings 2010 als unzulässig abgelehnt, weil die Karlsruher Rechtsprechung nicht genügend berücksichtigt worden sei.
LG Köln – Pressefreiheit: Nun geht auch die SZ (Wolfgang Janisch) auf die Klage der Bundeswehr gegen die WAZ (Funke-Gruppe) am Landgericht Köln ein, wonach die Veröffentlichung von vertraulichen Bundeswehr-Papieren gegen das Urheberrecht verstoßen habe.
LG Bremen – Brechmittel: Die Bremer Staatsanwaltschaft hat laut lto.de die Einstellung des Verfahrens gegen einen Polizeiarzt abgelehnt, der durch einen Brechmitteleinsatz den Tod eines Afrikaners verursacht hatte.
LG Regensburg – Mollath-Wiederaufnahme: beck.blog.de (Henning Ernst Müller) geht davon aus, dass das Landgericht Regensburg in wenigen Tagen über die Wiederaufnahmeanträge im Fall Mollath entscheiden wird. Der Befangenheitsantrag gegen einen beteiligten Richter sei inzwischen abgelehnt worden, was Müller kritisiert.
AG Düsseldorf – Rauchender Mieter: An diesem Mittwoch wird das Amtsgericht Düsseldorf über die Kündigung eines rauchenden Mieters verhandeln. Die FAZ schildert die jüngsten Einlassungen der Vermieterin: Der Mann habe die Wohnung über den Hausflur gelüftet, statt über das Fenster.
ArbG Dortmund – Betriebsratskiller bei Burger King: Die taz (Andreas Wyputta) schildert ein Verfahren am Arbeitsgericht Dortmund. Ein Betriebsrat von Burger King wurde wegen einer angeblich erschlichenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gekündigt, wogegen er sich wehrt. Beschrieben wird dabei die Rolle des Anwalts Helmut Naujocks, der als "Betriebsratskiller" gilt.
Kita-Klagen: Das Handelsblatt (Heike Anger/Barbara Gillmann) schildert, wie sich Anwaltskanzleien auf den ab 1. August einklagbaren Rechtsanspruch auf Kita-Plätze für Ein- bis Dreijährige vorbereiten.
Weitere Themen – Recht in der Welt
USA – Stand your ground: lto.de (Constantin Baron van Lijnden) vergleicht das deutsche Notwehrrecht mit der in zahlreichen US-Staaten geltenden Stand-your-ground-Doktrin und kommt zum Schluss, dass das deutsche Notwehrrecht sogar weiter geht.
Ungarn – Mord an Roma: spiegel.de (Keno Verseck) schildert ein Gerichtsverfahren gegen Rechtsradikale, die mehrere Roma ermordet haben. Das Land und die Politik interessierten sich nicht sehr dafür.
Russland – Homosexuellen-Propaganda: Ein Gericht in Murmansk hat vier Niederländer ausgewiesen, weil sie sich vor Minderjährigen positiv über Homosexualität geäußert haben sollen, berichtet zeit.de. Angewandt wurde dabei ein im Juni verabschiedetes neues Gesetz.
EGMR – Malta: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Malta wegen der erniedrigenden Unterbringung von Flüchtlingen in einem Asylgefängnis verurteilt, meldet die taz.
Sonstiges
Supergrundrecht Sicherheit: Der SWR-Radioreport Recht (Michael Reissenberger) sprach mit Ex-Verfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem über den Ausspruch des Bundesinnenministers von einem Supergrundrecht auf Sicherheit. Sicherheit sei eine Staatsaufgabe, aber kein Obergrundrecht. Er beschreibt Reaktionsmöglichkeiten der Bundespolitik auf den NSA-Skandal auf nationaler, europäischer und globaler Ebene.
Juniorprofessor Jasper Finke meint im Juwiss-Blog, dass es um die Verfassungstreue des Innenministers nicht gut stehe. Die Einführung eines Supergrundrechts Sicherheit würde gegen die Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes verstoßen. Im Übrigen erläutert Finke die aktuelle Verfassungslage.
Geschwindigkeitskontrollen: In NRW können Kommunen inzwischen ohne Rücksprache mit der Polizei entscheiden, wo sie Geschwindigkeitskontrollen durchführen. Der Verkehrsrechtler Adolf Rebler befürchtet auf lto.de, dass dabei fiskalische Aspekte eine zu große Rolle spielen und vergleicht die Rechtslage mit anderen Bundesländern.
Notarkosten: Der Anwalt Harald Gesell schildert in der FAZ, wann sich Notarkosten bei Unternehmens-Umstrukturierungen durch das Zweite Kostenmodernisierungsgesetz ermäßigen und wann sie sich erhöhen.
Das Letzte zum Schluss
Kein Bild der Königin: Richter in Den Haag haben dafür gesorgt, dass im Justizpalast keine Portraitbilder der neuen Königin Maxima hängen. Grund: Die Urteile werden in den Niederlanden "im Namen des Staatschefs" verkündet und das sei der neue König Willem-Alexander und nicht seine angeheiratete Frau. Das berichten SZ und taz.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 24. Juli 2013: "Dr. No" vor Gericht – Anwälte sollen sich mit Ärzten verpartnern dürfen – US-Notwehrrecht doch nicht so krass . In: Legal Tribune Online, 24.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9202/ (abgerufen am: 21.07.2024 )
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