Bayerische Finanzbehörden bekommen Besuch vom Staatsanwalt. Was bedeutet die Durchsuchung für Uli Hoeneß? Außerdem in der Presseschau: LVerfG zu NPD, die Deutsche Bank und das schwierige Erbe der Kirch-Pleite, OLG Stuttgart zu Allianz-Klauseln, und ein Beamter, der so gar nicht Dienst nach Vorschrift schiebt.
Thema des Tages
Steuersache Uli Hoeneß: Ab März muss sich Uli Hoeneß vor dem Landgericht München wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung verantworten. Bereits im letzten Mai hatten Anwälte des Bayern-Präsidenten eine Strafanzeige formuliert, in der sie sich beklagten, dass Behörden das "Steuergeheimnis nicht gewährleisten" könnten, schreibt die SZ (Hans Leyendecker/Klaus Ott). Nachdem der "Stern" Hoeneß ihm unbekannte Auszüge aus seiner Steuerakte vorgelegt habe, konnte die Staatsanwaltschaft, der die Unterlage weitergeleitet worden sei, nun auf Spurensuche gehen: Mit einer am gestrigen Donnerstag unternommenen Durchsuchung des Finanzamts Miesbach und eines Rechenzentrums der bayerischen Finanzverwaltung sollte der Kreis jener Finanzbeamten eingegrenzt werden, die Zugriff auf die Steuerunterlagen des Bayern-Präsidenten hatten.
Der Bericht von spiegel.de (Anna-Lena Roth) zitiert einen Steuerstrafrechtler, nach dessen Einschätzung die Durchsuchung eine "sehr ungewöhnliche, sehr drastische Maßnahme" sei, zu der sich die Staatsanwaltschaft wohl auch deshalb veranlasst gesehen habe, um dem Vorwurf aus dem Weg zu gehen, sie selbst leite vertrauliche Informationen an die Presse weiter. Stellte sich heraus, dass bei Hoeneß das Steuergeheimnis verletzt worden sei, könne sich dies auch strafmildernd in seinem Prozess auswirken. Dagegen behauptet das Handelsblatt (Axel Höpner/Jan Keuchel), dass Ermittlungen wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses "nicht selten" seien, die Aufklärungsquote "in diesem Bereich äußerst gering". In Vorbereitung des Strafverfahrens entscheide das Landgericht "dieser Tage" über die Vergabe der Presseplätze, ein Debakel wie beim NSU-Prozess solle unbedingt vermieden werden.
Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft kommentiert Holger Steltzner (FAZ) mit einem "Gut so!" Anders als im Fall Zumwinkel hätte die Ermittlungsbehörde das ihr obliegende Verbot, einen Beschuldigten bloßzustellen, beachtet und versuche nun auch zu ermitteln, "wer den Sünder an den Pranger gestellt hat".
Rechtspolitik
Joachim Gauck: In einem großen Interview der FAZ (Günter Bannas/Günther Nonnenmacher, Zusammenfassung) äußert sich Bundespräsident Joachim Gauck unter anderem zur Fünf-Prozent-Klausel, der Möglichkeit von Volksabstimmungen, den Vorteilen von Einwanderung, der Berechtigung gesetzlicher Karenzzeiten und seiner Einschätzung des NSA-Abhörskandals.
Bürgerbeteiligung: Der frühere Präsident des Bundesverwaltungsgerichtes, Eckart Hien (FAZ), erinnert in einem Gastbeitrag für den "Staat und Recht"-Teil der Zeitung an rechtliche Grenzen einer größeren Bürgerbeteiligung. In Planungsentscheidungen etwa biete die demokratisch legitimierte Exekutive immer noch die beste Gewähr für die gerechte Abwägung privater und öffentlicher Belange. Bürgerinitiativen oder andere, neue Formen der Bürgerbeteiligung verträten dagegen in der Regel Partikularinteressen.
Prokon-Insolvenz: Die FAZ (B. Beeger/C. Hiller von Gaertringen/J. Jahn) fasst zusammen, unter welchen Voraussetzungen Genussschein-Inhaber des insolventen Energie-Unternehmens Prokon zumindest einen Teil ihrer Einlagen zurückbekommen. Forderungen nach neuen, anlegerschützenden Regelungen kommentiert Joachim Jahn (FAZ) im "Wirtschafts"-Teil der Zeitung zurückhaltend. Bei Betrügern sei der Staatsanwalt zuständig, für dessen Eingreifen bei Prokon bislang keine Anhaltspunkte bestünden. Im Übrigen herrsche Wettbewerb: "Simple Rezepte, die bei Kochwäsche funktionieren, gehören nicht ins Wirtschaftsleben."
Investitionsschutz: Ein besonders umstrittener Punkt des gegenwärtig verhandelten Transatlantischen Freihandelsabkommens betrifft sogenannte Investitionsschutzklauseln. Die FAZ (Helene Bubrowski) macht in ihrem "Wirtschafts"-Teil darauf aufmerksam, dass sich vergleichbare Vereinbarungen bereits "in den etwa 3.000 schon bestehenden Investitionsabkommen auf der Welt finden". So habe sich Deutschland 1959 mit Pakistan erstmals darauf geeinigt, jeweilige Investoren nicht zu enteignen und gegenüber einheimischen Unternehmen nicht zu diskriminieren. Aktuellere Vereinbarungen beträfen häufig die Einrichtung von Schiedsgerichten.
Datenschutzverordnung: Nach Äußerungen der EU-Justizkommissarin Viviane Reding ist mit einer Verabschiedung einer neuen EU-Datenschutzverordnung frühestens in der zweiten Jahreshälfte zu rechnen. Dabei sei unklar, welche inhaltlichen Auswirkungen auf das Reformwerk die nach den Europa-Wahlen im Mai anstehende Neubesetzung der EU-Kommission habe, schreibt die taz (Martin Kaul).
Justiz
EuGH zu Spielekonsolen: Der Hersteller einer Spielkonsole darf seine Geräte mit technischen Abwehrmaßnahmen gegen illegale Kopien ausrüsten, aber nicht generell den Gebrauch unabhängiger Software unterbinden. Dies entschied der Europäische Gerichtshof. Die taz (Christian Rath) berichtet.
BGH zu Anwalts-Zweitberuf: Rechtsanwalt Bernhard Schmeilzl (rechthaber.com) informiert über eine Entscheidung des Anwaltssenats des Bundesgerichtshofs vom November, nach der eine Zweittätigkeit als Headhunter mit den anwaltlichen Berufspflichten vereinbar ist.
LVerfG M-V - Organklage: Ein der NPD-Fraktion im mecklenburgischen Landesparlament erteilter, nachträglicher Ordnungsruf wegen provokanten Verhaltens während eines Gedenkens an die Opfer des NSU ist nach einer Entscheidung des Landesverfassungsgerichts zurecht ergangen. Das Gericht wies eine Organklage des Abgeordneten Stefan Köster ab, schreibt taz.de (Christian Rath). In weiteren Entscheidungen sah das Gericht das parlamentarische Mitwirkungsrecht und das parlamentarische Fragerecht von NPD-Abgeordneten verletzt, meldet lto.de.
OLG München – NSU-Prozess: Im Verfahren gegen Beate Zschäpe und andere vor dem Münchner Oberlandesgericht wurde am gestrigen Donnerstag Jürgen Böhnhardt, der Vater einer der beiden toten mutmaßlichen Haupttäter vernommen. Der Bericht von zeit.de (Tom Sundermann) zeichnet das Bild eines Mannes, der dem Leben seines Sohnes fremd, aber auch hilflos gegenüberstand. FR-online.de (Stefan Geiger) fasst Fragen zum Polizistenmord von Heilbronn zusammen. Obwohl an der Täterschaft des NSU kein vernünftiger Zweifel bestehen könne, sei nach wie offen, warum nach dem Anschlag auf die Polizisten keine weitere Mordtat folgte.
OLG München – Deutsche Bank: Vor dem fünften Senat* des Oberlandesgerichts München wird derzeit über die Höhe des den Erben Leo Kirchs durch die Deutsche Bank zu leistenden Schadensersatzes verhandelt. In einem ausführlichen Bericht beschreibt die Welt (Sebastian Jost), dass die Vertreter des Geldhauses ihre Hoffnungen mittlerweile eher in einer Revision beim Bundesgerichtshof sähen und sich auf die laufenden Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts des Prozessbetruges, von denen auch der aktuelle Co-Chef Jürgen Fitschen betroffen ist, konzentrierten.
OLG Stuttgart zu Allianz-Klauseln: Das Oberlandesgericht Stuttgart hat Klauseln der Allianz zur Kostenüberschussbeteiligung bei Riester-Verträgen für intransparent und damit unwirksam erklärt. Einem durchschnittlich aufmerksamen und sorgfältigem Kunden könne nach Ansicht des Gerichts nicht auffallen, dass er von der Überschussbeteiligung praktisch ausgeschlossen sei, schreibt die FAZ (Philipp Krohn).
OLG Frankfurt zu Terrorismus: Das Oberlandesgericht Frankfurt hat einen Deutsch-Türken unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu sieben Jahren Haft verurteilt. Der "gescheiterte Dschihad-Reisende" hatte sich im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet ausbilden lassen und von dort Anschläge in Deutschland angedroht, schreibt die SZ (Frederik Obermaier).
LG Freiburg zu Schleichwerbung: In einem Urteil vom November entschied das Landgericht Freiburg, dass ein Unternehmen für private Facebook-Postings eines Mitarbeiters wegen wettbewerbswidriger Werbung haftbar gemacht werden kann. Fachanwalt Ingo Jung analysiert für lto.de die Entscheidung, empfiehlt die Erstellung sogenannter Social Media Guidelines und untersucht, unter welchen Voraussetzungen betroffene Unternehmen Mitarbeiter in Regress nehmen können.
LG München I – BayernLB: Ab dem kommenden Montag müssen sich sieben ehemalige Vorstände der BayernLB vor dem Landgericht München I wegen Untreue und Bestechung im Zusammenhang des Kaufs der österreichischen Hypo Alpe Adria-Bank verantworten. Die FAZ (Henning Peitsmeier/Joachim Jahn) fasst in ihrem "Unternehmens"-Teil Vorgeschichte und Vorwürfe zusammen, stellt einige der Angeklagten vor und prognostiziert ein "Mammutverfahren", bei dem ein schnelles Ende nicht abzusehen sei.
StA München – Korruption: Nach Darstellung der SZ (Klaus Ott/Tasos Telloglou) prüft die Münchner Staatsanwaltschaft derzeit Korruptions-Vorwürfe gegen das Unternehmen Krauss-Maffei Wegmann im Zusammenhang eines griechischen Rüstungsgeschäfts. Zu diesem Zweck sollen demnächst auch Erkenntnisse griechischer Ermittler zu Rate gezogen werden, die internationale Kooperation bei der Korruptionsbekämpfung habe sich in den vergangenen Jahren verbessert.
* Anm. d. Red: Am 27.1.2014 wurde an dieser Stelle eine Korrektur vorgenommen. Den Senat hatten wir fälschlicherweise als Zivilkammer bezeichnet.
Recht in der Welt
EGMR – Beschwerde gegen GCHQ: Die FAZ (Constanze Kurz) berichtet in ihrem Feuilleton über eine von der Autorin und Bürgerrechtsgruppen im vergangenen Jahr beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingelegte Beschwerde gegen die Abhörpraktiken des "gar nicht so kleinen Bruders" der NSA, dem britischen Geheimdienst Government Communications Headquarters (GCHQ). Das Gericht habe nun die Dringlichkeit der Angelegenheit erkannt und die britische Regierung zu einer zeitnahen Stellungnahme aufgefordert. Beschwerdemöglichkeiten innerhalb des "normalen Rechtsweges" Großbritanniens gegen die Aktivitäten des Dienstes, dessen Vorläufer im 2. Weltkrieg deutsche Enigma-Chiffriermaschinen entschlüsselten, bestünden nicht.
Rumänien – Korruption: Anitta M. Hipper (verfassungsblog.de) berichtet über eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Rumäniens, in der zahlreiche, erst im Dezember verabschiedete Gesetzesänderungen als verfassungswidrig verworfen wurden. Die beanstandeten Änderungen betrafen eine weitgehende Immunität von Abgeordneten und dem Präsidenten gegenüber Ermittlungen der nationalen Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft.
Marokko – Vergewaltigung: Das marokkanische Parlament hat die Streichung eines Strafrechtsparagraphen beschlossen, der die Straffreiheit eines Vergewaltigers ermöglichte, wenn der sich nach der Tat bereit erklärte, das Opfer zu heiraten. Nach dem Bericht der FAZ (Leo Wieland) geht die Reform auf Bemühungen des Königs des Landes zurück, der beabsichtige "sukzessive die Rechte der Frauen zu stärken."
Indien – Vergewaltigung: Die taz (Sascha Zastiral) berichtet über einen neuen drastischen Fall sexueller Gewalt in Indien. Eine junge Frau, die sich durch eine nicht standesgemäße Beziehung zu einem Mann strafbar gemacht hatte, sei, nachdem ihre Familie die verhängte Geldstrafe für das Vergehen nicht bezahlen habe können, durch mindestens zehn Mitglieder eines Dorfrates vergewaltigt worden.
USA – Todesstrafe: In Texas/USA ist am Mittwochabend ein Mexikaner hingerichtet worden. Der Mann sei niemals über sein in der Wiener Konsularrechtskonvention verbrieftes Recht, konsularischen Beistand zu erbitten, aufgeklärt worden, schreibt die taz (Bernd Pickert) und informiert über eine Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag/Niederlande von 2004, der die USA wegen dieser Praxis dazu verurteilte, betroffene Fälle neu aufzurollen. 2008 entschied der Oberste Gerichtshof des Landes jedoch, dass es kein nationales Gesetz gäbe, diese internationale Verpflichtung umzusetzen. In einem Kommentar kritisiert Bernd Pickert (taz) dies als "Recht des Stärkeren".
Sonstiges
Humanitäres Völkerrecht: Claus Kreß (FAZ) beschäftigt sich in einem Gastbeitrag für die "Staat und Recht"-Seite des Blattes mit dem "Dilemma" des humanitären Völkerrechts. Dies habe zur Kenntnis zu nehmen, "dass sich der völkerrechtlich erlaubte Verteidigungskrieg typischerweise nicht gewinnen ließe, wenn der Kampf im Einklang mit dem menschenrechtlichen Ideal geführt" werde. Noch mehr gelte dies für Bürgerkriege, die viele neue diskussionswürdige Fragen für "die neue Generation des Kriegsvölkerrechtsrechts" aufwerfen würden.
Lobby-Kanzleien: Einen Blick auf das umstrittene Wirken sogenannter Lobby-Kanzleien auf europäischer und nationaler Ebene wirft lto.de (Claudia Kornmeier) und lässt hierzu Protagonisten, Berufsrechtler und Kritiker zu Wort kommen. Bereits die Definition des Tätigkeitsbereiches einer solchen Kanzlei sei undeutlich, gemeinhin werde aber die Beratung eines Unternehmens nicht nur in rechtlichen, sondern auch wirtschaftlichen und vor allem politischen Fragen hierunter verstanden. Ob der kontroversen Praxis des Gesetzgebungsoutsourcings an deutsche Kanzleien durch die Einrichtung eines Lobby-Registers wirksam begegnet werden könne, sei ebenfalls fraglich, weil hierdurch das Vertraulichkeitsverhältnis zwischen Mandant und Anwalt belastet werden könne.
Das Letzte zum Schluss
Eiltempo: Von wegen langsame, unflexible Beamte: Als ein bosnisches Paar in Bremen die standesamtliche Aufforderung einer "Anmeldung zur Eheschließung" offensichtlich falsch verstanden hatte und zum Termin in feierlicher Kleidung und mit Festgesellschaft erschien, handelte ein bremischer Standesbeamter ganz entgegen der üblichen Regularien. Er besorgte eine noch fehlende Bescheinigung des Oberlandesgerichts und zog die Hochzeit vor. Über die "Spontan-Eheschließung" berichtet die FAZ (Robert von Lucius).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 24. Januar 2014: StA bei Finanzbehörden – Ordnungsrufe gegen NPD – Die Deutsche Bank und das Kirch-Erbe . In: Legal Tribune Online, 24.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10767/ (abgerufen am: 21.07.2024 )
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