Deutschland bekommt bald eine neue Justizministerin. Aber darüber schreibt noch niemand. Deshalb in der heutigen Presseschau: Bundesrat blockiert rechtspolitische Gesetze, zehn Jahre Kopftuch-Urteil des BVerfG, Ex-Funktionär Bo Xilai in China verurteilt und ein kerngesundes Modell will 450.000 Dollar Schmerzensgeld.
Rechtspolitik
Blockierte Gesetze: Der Bundesrat hat am Freitag gegen mehrere rechtspolitische Gesetze des Bundestags Einspruch erhoben und diese damit wegen der Diskontinuität am Ende der Wahlperiode gestoppt. Betroffen sind das Gesetz zur Strafbarkeit der Korruption von niedergelassenen Ärzten, das Gesetz zur Kopplung der Managergehälter an eine Zustimmung der Aktionäre und das Gesetz zur Gewerbeaufsicht über Bordelle. spiegel.de gibt eine Übersicht.
Verbraucherschutz: Nicht gestoppt wurde im Bundesrat das "Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken". Es wird also in Kraft treten und soll Abmahnkosten begrenzen, unerwünschte Werbeanrufe eindämmen und Inkassofirmen regulieren. Die Montags-Welt stellt das Gesetz vor. Auf dem Blog ferner-alsdorf.de stellt Anwalt Jens Ferner dar, dass die Folgen der neuen Abmahnregelung im Wettbewerbsrecht stärker sein werden als im Urheberrecht.
Wirtschaftsrecht: Die Samstags-FAZ (Joachim Jahn) gibt einen Ausblick auf wichtige wirtschaftsrechtliche Themen der nächsten Wahlperiode: die Begrenzung von Managergehältern, Frauen-Quoten in der Unternehmensführung, Datenschutz für Arbeitnehmer, Insolvenz im Konzern und die Umsetzung der EU-Richtlinie gegen Zahlungsverzug.
Organisierte Kriminalität: Im Spiegel fordert der Berliner Justizsenator Thomas Heilmann (CDU), dass Vermögen bereits dann konfisziert werden kann, wenn die auf Tatsachen gestützte Vermutung besteht, dass es aus schweren Straftaten herrührt. Hierfür soll auch das Grundrecht auf Eigentum im Grundgesetz eingeschränkt werden.
Finanzausgleich: Der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) schlägt in einem Gastbeitrag für die Montags-FAZ vor, bei der Reform des Finanzausgleichs mehr auf die tatsächliche Finanzkraft der Länder zu achten. Er will die intransparente Vorweg-Umverteilung bei der Umsatzsteuer abschaffen, manche Steuern den Ländern anders zuordnen und die Finanzkraft der Kommunen den Ländern voll zurechnen.
Verfassungsschutz: Ein Bündnis von Bürgerrechtsgruppen unter Führung der Humanistischen Union will den Verfassungsschutz abschaffen, weil er demokratiewidrig und überflüssig sei. So könnten 500 Millionen Euro pro Jahr eingespart werden, referiert die Samstags-FR (Steffen Hebestreit).
Kopftücher: Heide Oestreich (Samstags-taz) fordert die Abschaffung von landesrechtlichen Kopftuchverboten. "Weil die Frauen unemanzipiert aussehen, wird ihnen die Emanzipation durch qualifizierte Arbeit verwehrt", kritisiert Oestreich. Anlass des Artikels ist das zehnjährige Jubiläum des Kopftuch-Urteils des Bundesverfassungsgerichts.
Justiz
BVerwG zu Magnetschmuck: Apotheken dürfen keinen Magnetschmuck verkaufen, entschied laut lto.de das Bundesverwaltungsgericht. Die behauptete positive Wirkung auf die menschliche Gesundheit lasse sich nicht beweisen.
VGH Mannheim zu Stuttgart 21: Ein Gebäude, das der Einfahrt zum geplanten Fildertunnel der Bahn im Weg steht, kann abgerissen werden, entschied der Verwaltungsgerichtshof Mannheim laut Samstags-taz. Der Inhaber einer Eigentumswohnung unterlag, das öffentliche Interesse überwiege.
OLG Hamm zu Deal und Erpressung: Das Oberlandesgericht Hamm sprach einen Rechtsanwalt vom Vorwurf der versuchten Erpressung frei, berichtet focus.de. Der Anwalt hatte im Auftrag seines Mandanten die Staatsanwaltschaft zum Kauf von Beweismitteln zu überreden versucht, da die Ankläger sonst im konkreten Fall zuwenig in der Hand hätten. Die Richter fanden, dass ein Staatsanwalt solchem Druck standhalten müsse.
AG Oldenburg zu Bundeswehrübung: Das Amtsgericht Oldenburg hat das Verfahren gegen einen Feldwebel der Bundeswehr gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt, berichten die Lübecker Nachrichten (Holger Marohn). Dem Angeklagten war ein gefährlicher Eingriff in den Luftverkehr vorgeworfen worden. Der Unteroffizier hatte bei einer Schießübung zu früh die Freigabe erteilt, so dass statt einer Drohne ein bemanntes Flugzeug beschossen wurde. Die Stinger-Rakete verfehlte aber ihr Ziel. Die Richter fanden, dass auch andere Beteiligte Fehler gemacht hätten.
AG Landshut zu Rummenigge: Das Amtsgericht Landshut hat einen Strafbefehl wegen Steuerhinterziehung gegen FC Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge erlassen. Er hatte auf zwei Rolex-Uhren im Wert von rund 100.000 Euro, die er als Funktionär in Katar geschenkt bekommen hatte, bei der Rückkehr keine Einfuhr-Umsatzsteuer bezahlt, meldet der Focus.
LSG NRW zu Hartz IV für EU-Ausländer: In einem Eilbeschluss hat das Landessozialgericht von NRW einer arbeitssuchenden bulgarischen Einwandererfamilie Hartz-IV-Leistungen zugesprochen. Laut Handelsblatt (Donata Riedel) sei diese Entscheidung typisch für die deutsche Rechtsprechung. Im Dezember werde das Bundessozialgericht im Fall einer Schwedin eine Grundsatzentscheidung treffen.
BGH zu Sicherungsverwahrung und Schadensersatz: Rechtsprofessor Marten Breuer analysiert auf lto.de ein Urteil des Bundesgerichtshofs von letzter Woche. Bei nachträglicher und damit menschenrechtswidriger Verlängerung der Sicherungsverwahrung müsse das Land (nicht der Bund) Schadensersatz zahlen. Breuer schlägt aber vor, dass das Land beim Bund Regress nimmt, weil dieser die entsprechende Gesetzeslage zu verantworten habe.
VG Wiesbaden zu Sprachkenntnissen: Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat gebilligt, dass einer Türkin, die seit 22 Jahren in Deutschland lebt und nicht Deutsch spricht, ihre Hartz-IV-Leistungen gekürzt wurden, weil sie sich weigerte, an einem Deutschkurs teilzunehmen. Der Spiegel (Bruno Schrep) schildert den Fall, in dem nun Berufung eingelegt wurde.
BVerfG – Suhrkamp: Die Samstags-FAZ (Winand von Petersdorff ) schildert ausführlich den Hintergrund der Verfassungsbeschwerde des Suhrkamp-Minderheitsgesellschafter Hans Barlach. Er wendet sich zum einen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg, mit dem dieses das Insolvenzverfahren über den Suhrkamp-Verlag eröffnet hat, ohne Barlach Gehör zu geben. Zum anderen wendet er sich gegen das neue Insolvenzrecht, das ihm als Miteigentümer keine Rechtsmittel gegen eine Verletzung seiner Rechte an die Hand gibt.
BVerwG – Juris: Die Firma Lexxpress hat das Bundesverfassungsgericht wegen dessen exklusiver Zusammenarbeit mit dem halbstaatlichen Datenbankanbieter Juris verklagt und in zweiter Instanz Recht bekommen. In der Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht hat Lexxpress nun alle Richter wegen Befangenheit abgelehnt, berichtet der Spiegel (Melanie Amann), da auch das BVerwG exklusiv mit Juris kooperiere.
EuG – Streuselkuchen: Der Spiegel (Dietmar Hipp/Steffen Winter) schildert einen Streit am Europäischen Gericht. Danach beantragt der Zentralverband des deutschen Bäckerhandwerks die Löschung des Begriffs "Schlesischer Streuselkuchen" als geschützte geografische Angabe. Es geht um die Frage, ob nur polnische Bäcker solche Streuselkuchen verkaufen dürfen oder auch deutsche Bäcker, weil es sich um eine Gattungsbezeichnung handele.
OLG Stuttgart – Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Der Spiegel (Beate Lakotta) schildert die Probleme im Strafverfahren gegen den ehemaligen Chef der kongolesischen Miliz FLDR Ignace Murwanashyaka wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Es sei schwer zu beweisen, dass Murwanashyaka aus Deutschland die tatsächliche militärische Befehlsgewalt im Kongo innehatte. Das Gericht hat die strafrechtlichen Vorwürfe schon eingeschränkt. Lakotta stellt das Verfahren auch ökonomisch in Frage: "Die Kosten solcher Verfahren gehen in die Millionen, das Interesse der Öffentlichkeit geht gegen null."
AG Osnabrück – erfundene Vergewaltigung: Die Tochter des verstorbenen Lehrers Horst Arnold, der wegen einer angeblichen Vergewaltigung fünf Jahre im Gefängnis war, klagt nun gegen die Frau, die ihn mit ihrer Aussage hinter Gitter gebracht hat und jüngst wegen Freiheitsberaubung strafrechtlich verurteilt wurde. Arnolds Tochter verlangt zivilrechtlich 84.000 Euro Schmerzensgeld, meldet spiegel.de. Das Gericht wird am 11. Oktober verhandeln.
Top-Anwälte: Der Focus (Marco Wisniewski u.a.) widmet seine Titelgeschichte Deutschlands Top-Anwälten. Dort wird unter anderem erläutert, dass es besser sei, sich von einem Experten vertreten zu lassen, als von einem befreundeten Anwalt. In einem zweiten Text werden als Vorbereitung auf das Anwaltsgespräch die wichtigsten Fragen zu allen Rechtsgebieten beantwortet. Abschließend werden jeweils 20 Top-Anwälte aus den Bereichen Arbeits-, Erb-, Familien-, Miet-, Straf- und Verkehrsrecht aufgelistet.
Recht in der Welt
China – Bo Xilai verurteilt: Der ehemalige Parteichef der Großstadt Chongqing, Bo Xilai, ist zu lebenslanger Haft wegen Korruption verurteilt worden. Die Montags-Welt (Johnny Erling) schildert den Prozessverlauf und dessen relative Öffentlichkeit. In der Samstags-SZ (Kai Strittmatter) berichtete der chinesische Anwalt Zhang Sizhi über die Drehbücher von Schauprozessen: Was nütze die scheinbare Transparenz, wenn das Gericht nicht unabhängig ist und das Urteil schon vorher in der Parteiführung in Peking vorgegeben wurde, fragt Sizhi.
Türkei – Fazil Say verurteilt: Der türkische Pianist Fazil Say ist in zweiter Instanz wegen Beleidigung des Islam verurteilt worden, meldet die Samstags-taz. Er hatte gefragt, warum das Paradies im Koran als Kneipe oder als Bordell dargestellt werde.
IStGH in der Krise: zeit.de (Andrea Böhm) schildert die Probleme, die den Internationale Strafgerichtshof derzeit belasten. Dazu gehörten auch angeklagten-freundliche Urteile des Jugoslawien-Tribunals ICTY, die den Internationalen Strafgerichtshof beeinflussen könnten.
Sonstiges
Vermietung an Touristen: Im Interview mit lto.de (Tobias Kohl) schildert der Anwalt Axel Wetekamp Rechtsfragen, die entstehen, wenn Mieter ihre Wohnung während des Oktoberfests an Touristen untervermieten. Wenn sie nicht die Genehmigung des Vermieters einholen, sei dies ein Kündigungsgrund. Die nur kurzfristige Vermietung verstoße dagegen nicht gegen eine Satzung der Stadt München, mit der die Zweckentfremdung von Wohnraum verhindert werden soll.
Das Letzte zum Schluss
"Ich bin positiv": Das Fotomodell Avril Nolan klagt gegen die Menschenrechtsbehörde von New York und die Bildagentur Getty Images auf 450.000 Dollar Schadensersatz. Die Behörde hatte ein Plakat gegen die Diskriminierung von Aids-Infizierten mit einem Bild von Nolan illustriert. Darauf stand übersetzt "Ich bin positiv". Allerdings ist Nolan gar nicht Aids-infiziert. Sie beschwerte sich nun, dass sie peinliche Gespräche mit ihrem Arbeitgeber, Freunden und "potentiellen romantischen Partnern" habe führen müssen. Niemand habe sie vor Veröffentlichung des Plakats gefragt, meldet spiegel.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 21. - 23. September 2013: Kritik an Kopftuchgesetzen – Strafbefehl gegen Rummenigge - Aids-Plakat mit gesundem Modell . In: Legal Tribune Online, 23.09.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9605/ (abgerufen am: 02.07.2024 )
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