Model Gina-Lisa Lohfink wurde nach Vergewaltigungs-Vorwürfen wegen falscher Verdächtigung verurteilt. Außerdem in der Presseschau: Muslimin darf Schule nicht mit Niqab besuchen und der angeklagte Kulturzerstörer gesteht in Den Haag.
Thema des Tages
AG Berlin-Tiergarten zu Gina-Lisa Lohfink: Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten hat das Model Gina-Lisa Lohfink wegen falscher Verdächtigung zu einer Geldstrafe von 20.000 Euro (80 Tagessätze à 250 Euro) verurteilt. Sie hatte zwei Bekannte beschuldigt, sie zum Sex genötigt zu haben. Auf einem Video der vermeintlichen Tat ist zu hören, wie sie "Hör auf" sagt. Die Richterin nahm jedoch an, dass damit nur das Filmen gemeint war. Auf anderen Videosequenzen habe sie so gewirkt, als fühle sie sich wohl. Der Sex sei hart, aber einvernehmlich gewesen. Ein Gutachter fand, dass Lohfinks Verhalten auf den Video-Sequenzen nicht zur Gabe von K.o.-Tropfen passe, die sie vermutet hatte. Der Verteidiger Lohfinks kündigte Berufung an. Vom letzten Prozesstag inklusive Urteil berichten u.a. spiegel.de (Beate Lakotta), lto.de (Pia Lorenz) und der Tsp (Jost Müller-Neuhof).
Wolfgang Janisch (SZ) kritisiert noch einmal die "schrillen" Töne während der Diskussion um die Verschärfung des Sexualstrafrechts. "Wer sich Lohfink als paradigmatisches Opfer ausgeguckt hat, kann hier Folgendes lernen: Wer Täter und wer Opfer war, steht nicht schon in der Phase des frühen Verdachts fest". Udo Vetter (lawblog.de) betont, dass auch bei der bald geltenden "Nein heißt Nein"-Regelung herausgekommen wäre, dass Lohfink die Unwahrheit gesagt hatte. "Denn auch nach dem neuen Recht lässt sich ein 'Nein' nicht nachträglich herbeizaubern". Emma.de ist mit dem Urteil dagegen nicht einverstanden und sieht es als Beleg für eine "extrem täterfreundliche Justiz", die im Fall Gina-Lisa Lohfink "mal wieder ein Exempel statuiert" habe. "Die Botschaft an alle Opfer von Sexualgewalt, in welcher Form auch immer: Eine Anzeige ist gefährlich, denn das Damoklesschwert einer Klage wegen 'Falschbeschuldigung' hängt über euch. Selbst, wenn das fragliche - und sehr brutale und menschenverachtende - Geschehen dokumentiert ist."
Rechtspolitik
Gesichtserkennung: Die SZ (Wolfgang Janisch) sieht bei dem von Innenminister de Maizière vorgeschlagenen Einsatz von Gesichtserkennungs-Software eher rechtliche als technische Probleme. Das Bundesverfassungsgericht werde solche Maßnahmen sehr kritisch sehen, weil so auch Bewegungsbilder erstellt werden können. Vor allem der Einsatz gegen Gefährder, also potenzielle Straftäter wäre problematisch.
netzpolitik.org (Matthias Monroy) weist darauf hin, dass es zur Umsetzung der Pläne bereits eine Projektgruppe gebe, an der das Innenministerium, das BKA, die Bundespolizei und die Bahn AG mitarbeiten
CETA: Es sei "rechtlich unzulässig", den EU/Kanada-Freihandelsvertrag CETA bereits vorläufig anzuwenden, bevor die nationalen Parlamente darüber abgestimmt haben. Das behauptet der Völkerrechtler Wolfgang Weiß in einem Gutachten für die Verbraucherschutzorganisation foodwatch, so die taz (Kai Schöneberg).
Urheberrecht: Die FAZ (Adrian Lobe) kritisiert ein Gutachten des Wettbewerbsökonomen Justus Haucap, das im Auftrag des Bundes-Bildungsministeriums erstellt wurde. Laut Gutachten sei es für Schulen und Hochschulen effizienter, wenn sie frei auf wissenschaftliche Inhalte zugreifen könnten. Dies missachte jedoch die Interessen der Verlage und Autoren, so die FAZ. Das Gutachten dient der Vorbereitung einer Wissenschaftsschranke im Urheberrecht.
Justiz
VG Osnabrück zu Niqab: Das Verwaltungsgericht Osnabrück hat in einer Eilentscheidung den Antrag einer 18-jährigen Frau abgelehnt, am Abendgymnasium zugelassen zu werden, obwohl sie im Unterricht eine Vollverschleierung (Niqab) tragen will. Hauptgrund für die Ablehnung war wohl, dass die Klägerin nicht zum Gerichtstermin erschien und dem Gericht ihre Gründe nicht persönlich erläuterte, berichten spiegel.de, SZ (Peter Burghardt) und FAZ (Reinhard Bingener). Alle gehen auch auf ähnliche Fälle ein.
LG Dresden - Entführung und Mord: Die SZ (Hans Holzhaider) schildert in einer Seite 3-Reportage den Prozess gegen die mutmaßlichen Entführer und Mörder der 17-jährigen Anneli-Marie Riße.
OLG Frankfurt - IS-Rückkehrer: Die Welt (Florian Flade) berichtet über den Prozess gegen den Islamisten Abdelkarim El B. vor dem Oberlandesgericht Frankfurt/Main. Er wurde nach der Rückkehr aus Syrien verhaftet. Vorgeworfen wird ihm die Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung IS. Erstmals kommen dabei vor Gericht IS-Mitgliederlisten zum Einsatz, die ein Deserteur besorgt hatte.
StA Bonn - Todesursache Niklas: Im Fall des getöteten 17-jährigen Niklas hat ein Gutachten ergeben, dass nicht allein der Tritt des 20 Jahre alten Hauptverdächtigen gegen den Kopf zum Tod geführt habe. Vielmehr sei das Hirn des Jugendlichen schon geschädigt gewesen. Die Bonner Staatsanwaltschaft will den Vorwurf des Totschlags mangels Vorsatz wohl nicht mehr aufrechterhalten. Die FAZ (Reinhard Müller) hält dies unter Berufung auf BGH-Rechtsprechung nicht für naheliegend. Täter wissen in der Regel, "dass durch Tritte gegen den Kopf der Tod eintreten kann."
StA Berlin - Maas: Die Staatsanwaltschaft Berlin hatte Vorwürfe der Strafvereitelung gegen Justizminister Maas geprüft. In der Abschlussverfügung ging sie davon aus, dass dieser vor einem Jahr Generalbundesanwalt Range eine Weisung erteilt habe, ein bereits bestelltes Gutachten zur Netzpolitik-Affäre zu stoppen. Maas habe dabei aber im Rahmen seiner Kompetenzen gehandelt. Maas widerspricht nun laut SZ (Nico Fried) der Darstellung der Staatsanwaltschaft: Er habe Range keine Weisung erteilt.
KZ-Prozesse: Im Interview mit der Welt (Per Hinrichs) erinnert der pensionierte Staatsanwalt Günther Feld daran, dass er bereits vor 25 Jahren einen KZ-Aufseher angeklagt hatte, der dann aber während des Verfahrens verhandlungsunfähig wurde. Wäre der Mann verurteilt worden und hätte der BGH dies bestätigt, hätte schon viel früher gegen die KZ-Mannschaften wegen Beihilfe zum Massenmord ermittelt werden können. Feld begrüßt, dass jetzt auch gegen die Mannschaften von KZs ermittelt wird, die nicht als Vernichtungslager gelten. "Wo Juden waren, gab es stets auschwitzähnliche Bedingungen für die Häftlinge."
Recht in der Welt
IStGH - Kulturschätze: Vor dem Internationalen Strafgerichtshof hat der Prozess gegen den islamistischen Milizenführer Ahmad al Faqi al Mahdi begonnen, dem die Zerstörung von Weltkulturerbe-Stätten in Timbuktu (Mali) als Kriegsverbrechen vorgeworfen wird. Der Angeklagte räumte die Taten ein und bat um Vergebung. Es berichten die SZ (Ronen Steinke) und die taz (Dominic Johnson).
Sonja Zekri (SZ) glaubt, dass der Prozess keine abschreckende Wirkung haben werde: "je größer der weltweite Schockeffekt durch Videos von zerstörten Kulturschätzen – desto größer die Genugtuung für die Täter". Wenn man der Zerstörung von Kulturstätten überhaupt eine so große Bedeutung zumesse wie der IStGH, dann stelle sich auch die Frage, ob die Stätten nicht militärisch geschützt werden müssten.
Das HBl (Jan Dirk Herbermann) portraitiert die Chefanklägerin des Gerichtshofs Fatou Bensouda.
Frankreich - Burkini: Das Verwaltungsgericht Nizza hat das Burkini-Verbot am Strand einer benachbarten Kleinstadt bestätigt, berichtet zeit.de (Annika Joeres). Die Verschleierung würdige Frauen herab und sei daher nicht vereinbar mit ihrem Status in einer demokratischen Gesellschaft.
Sonstiges
Zitis: zeit.de (Patrick Beuth) geht davon aus, dass es Aufgabe der geplanten Behörde Zitis sein werde, Zero-Day-Schutzlücken (Schwachstellen in Soft- und Hardware, von denen der Hersteller noch nichts weiß) zu finden, damit Strafverfolger und Verfassungsschutz verschlüsselte Kommunikation doch überwachen können. Deutschland folge dabei dem Vorbild der USA, aber auch Russlands und Chinas.
Das Letzte zum Schluss
Video-Selbstüberwachung: Nach vier Jahren konnte die Polizei einen Raub in Mönchengladbach aufklären, meldet spiegel.de. Die Täter hatten sich dabei selbst mit ihren Handys gefilmt. Die Polizei fand die Aufnahmen nun zufällig auf einem Computer, den sie in ganz anderem Kontext beschlagnahmt hatte.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 23. August 2016: Lohfink wegen Lüge verurteilt / Abendschule ohne Niqab / Geständnis am IStGH . In: Legal Tribune Online, 23.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20356/ (abgerufen am: 04.07.2024 )
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