Justiz im Schnelldurchlauf: In der vergangenen Woche wurde eine Norwegerin, die in Dubai eine Vergewaltigung angezeigt hatte, wegen außerehelichem Sex verurteilt. Nun wurde sie begnadigt. Außerdem in der Presseschau: Grundrechts-Grundkurs für Grüne, Verteidigungsministerium gegen die WAZ, Neuigkeiten bei Suhrkamp, Geheimgericht in den USA und hitzefrei am Arbeitsplatz.
Dubai/Norwegen – Vergewaltigung: Der Fall hatte für internationales Aufsehen gesorgt: Eine 24-jährige Norwegerin zeigt in den Vereinigten Arabischen Emiraten eine mutmaßlich durch einen Kollegen verübte Vergewaltigung an und wird daraufhin nach zum Teil erniedrigenden Verhören wegen sittenwidrigen Verhaltens durch außerehelichen Geschlechtsverkehr, illegalen Alkoholkonsums und Falschaussage zu 16 Monaten Haft verurteilt. Wie die taz (Reinhard Wolff) schreibt, ist die Frau nun nach Kritik der norwegischen Regierung durch den Emir von Dubai begnadigt worden. Nach Aushändigung ihres zuvor eingezogenen Passes könne sie das Land verlassen. Die Begnadigung habe sich auch auf den mutmaßlichen Täter, der wegen Geschlechtsverkehr und Alkoholkonsum mit 13 Monaten Haft bestraft wurde, erstreckt. Auch die FAZ und die SZ berichten.
Ines Kappert (taz) kommentiert im Leitartikel, dass wohl nur die "Aussicht, Aufträge zu verlieren (…) das geschäftstüchtige Dubai" dazu bewegen könne, "sich bei der Zivilisierung etwas zu beeilen". Dass die Frau dem "Unrechtsstaat entkommen" sei und "Öffentlichkeit für eine riesige Schweinerei" geschaffen habe, verdanke sie fehlenden Zweifeln darüber, selbst etwas falsch gemacht zu haben – und der Unterstützung ihrer Regierung.
In einem weiteren Beitrag beschreibt die taz (Inga Rogg) die Rechtslage in den Vereinigten Arabischen Emiraten. So gelte gemäß den Bestimmungen der Scharia als Vergewaltigung nur Ehebruch oder der außereheliche Geschlechtsverkehr. Zudem trage das Opfer die Beweislast: Wenn der Täter kein Geständnis ablege, müsse die Frau vier männliche Zeugen für die Tat benennen.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Euro Hawk-Untersuchungsausschuss: Den am Montag einberufenen Bundestags-Untersuchungsausschuss um die geplatzte Anschaffung von Euro Hawk-Drohnen kommentiert Reinhard Müller (FAZ) in einem Leitartikel als Wahlkampf-"Dröhnung". Über diesem gehe "die Sache" verloren, nämlich die Frage, ob Deutschland und die Bundeswehr Drohnen brauche. Der Autor bejaht diese Frage. Wie bei jedem Projekt, das "viel teurer wird als geplant", hätte es gegolten, zwischen Kosten und Nutzen abzuwägen; der Bundesregierung hätte zudem der Weg offengestanden, die Zulassungsregeln für die Geräte zu verändern. Die Bestimmungen seien schließlich keine "göttlichen Gebote" und also gleich "neue(n) Formen des Zusammenlebens" auslegungsfähig.
Grundrechte-Grundkurs: Den am Wochenende veröffentlichten Aufruf der Grünen-Spitzenpolitiker Trittin und Göring-Eckardt, Art. 10 des Grundgesetzes zu einem Kommunikations- und Mediennutzungsgeheimnis "auch für die digitale Welt" auszubauen, unterzieht die taz (Christian Rath) einer kritischen Nachlese. Das betreffende Grundrecht enthalte neben dem Post- und Brief- auch das Fernmeldegeheimnis, weshalb das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf neue Technologien bereits seit 2006 von der Telekommunikationsfreiheit spreche und E-Mails und SMS daher auch nicht ungeschützt seien. Auch scheue man sich in Karlsruhe nicht davor, neue Grundrechte zu erfinden, wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung von 1983 und das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme von 2008 bewiesen.
In seinem Kommentar stellt Christian Rath (taz) fest, dass das Internet offenbar "nicht nur für Angela Merkel Neuland" sei. Problematisch sei angesichts des NSA-Spähskandals nicht das deutsche Recht, sondern vielmehr der Umstand, dass durch das Grundgesetz eben nur der deutsche Staat und nicht amerikanische Geheimdienste verpflichtet würden. Das letztere an deutschen Internetknoten Daten ausspähten, sei bislang "nur ein unbewiesenes Gerücht".
Arbeiterunterkünfte: Am 13. Juli kamen bei einem Brand in einer Unterkunft für Werftarbeiter in Papenburg zwei Rumänen ums Leben. Ein Beitrag im Wirtschafts-Teil der FAZ (Dietrich Creutzburg) setzt sich mit den gesetzlichen Bestimmungen zu den Mindeststandards derartiger Unterkünfte auseinander. Die SZ (Kristina Läsker) beschreibt in einer Reportage die Arbeitsbedingungen auf der Werft.
Gebührenreform: Rechtsanwalt Detlef Burhoff erinnert im blog.strafrecht.jurion.de den Bundespräsidenten Gauck im Namen von "ca. 160.000 Rechtsanwälte(n)" daran, dass vor fast drei Wochen vom Bundesrat gebilligte Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts zu unterschreiben. Nur wenn das Gesetz noch in diesem Monat im Bundesgesetzblatt veröffentlicht würde, könne die Reform zum 1. August in Kraft treten. Die Unterschrift des Bundespräsidenten sei hierfür Voraussetzung.
Rassismus: Einer Agentur-Meldung der SZ zufolge prüft das Bundesjustizministerium nach einer Rüge eines Ausschusses der Vereinten Nationen wegen des strafrechtlichen Umgangs mit dem Fall Thilo Sarrazin, ob eine Änderung des § 130 StGB (Volksverhetzung) nötig ist. Zudem werde überlegt, ob in Ermittlungsverfahren ein besonderes Augenmerk auf rassistische Motive gelegt werden müsse.
Weitere Themen - Justiz
EuGH zu Kadi II: Matthias Kottmann (verfassungsblog.de) würdigt die "Kadi II"-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs von vergangener Woche. Das Urteil warte mit zwei Innovationen auf. Zum einen führe das Gericht eine nach der bisherigen Verfahrensordnung nicht vorgesehene Möglichkeit eines in-camera-Verfahrens ein. Bei unabdingbarer Geheimhaltungsnotwendigkeit bestimmter Informationen müssten diese aber immer noch vom Gericht eingesehen werden können. Zum anderen sei eine Verschiebung von der Kontrolle von Verfahrensrechten hin zu einer materiellen Überprüfung der streitgegenständlichen Vorwürfe auszumachen. Auch diese Abweichung der "bislang kompromisslosen Linie" des EuGH bedeute aber keine Verkürzung der Rechte Betroffener. Vielmehr beweise sich das Gericht als bedeutender "Akteur in der Auseinandersetzung zwischen Freiheit und Sicherheit."
BVerfG zu behindertengerechten Parkplätzen: Die taz-Nord (Esther Geisslinger) berichtet über die bislang erfolglosen Bemühungen einer Rollstuhlfahrerin, wegen eines auf einem Behindertenparkplatz erlittenen Unfalls ein Schmerzensgeld zu erstreiten. Die Frau war beim Umsteigen in ihren Rollstuhl verunglückt, mutmaßlich wegen des verwendeten Kopfsteinpflasters. Nachdem das Oberlandesgericht Schleswig Anfang Juni die eingelegte Berufung zurückgewiesen hatte, erhoffe der Rechtsbeistand der Klägerin, Oliver Tolmein, nun ein Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts. Denn obwohl gesetzliche Bestimmungen Breite, Länge und Gefälle von Behindertenparkplätzen festlegen, träfen sie keine Aussage über den zu verwendenden Belag.
BFH zum Vorsteuerabzug: Gastautor Marko Wieczorek (Handelsblatt) berichtet im "Steuerthema der Woche" über eine aktuell veröffentlichte Entscheidung des Bundesfinanzhofs, nach der die Umsatzsteuer aus einer Anwaltsrechnung zur Strafverteidigung eines Unternehmers nicht als Vorsteuer geltend gemacht werden kann. Die Leistungen der Strafverteidiger hätten in keinem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit der Beschuldigten, gegen die wegen des Vorwurfs der Auftrags-Akquise unter Einsatz von Bestechungsgeldern ermittelt worden sei, gestanden.
BMVg ./. WAZ: Wie netzpolitik.org (Nicolas Fennen) schreibt, hat das Bundesministerium der Verteidigung zu Beginn dieses Monats die Funke Mediengruppe wegen der Veröffentlichung vertraulicher Dokumente vor dem Landgericht Köln verklagt. Im vergangenen November veröffentlichte die WAZ Rechercheredaktion die sogenannten Afghanistanpapiere, mehrere Tausend Seiten Berichte an den Verteidigungsausschuss des Bundestages. Als Kläger begehre das Ministerium nach einer erfolglosen Abmahnung nun die Löschung der Unterlagen wegen eines Verstoßes gegen das Urheberrecht. Auch lto.de berichtet.
OLG Düsseldorf zu Ortstermin: Vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf wird seit einem Jahr gegen einen aus Marokko stammenden Mann wegen des Vorwurfs der Bildung einer terroristischen Vereinigung verhandelt. Das Gericht könnte dabei nach Darstellung der SZ (Annette Ramelsberger) demnächst zu einem Ortstermin in Mauretanien aufbrechen. Dort befinde sich ein mutmaßlicher Vertrauter Osama bin Ladens, der den Angeklagten zur Verübung von Terroranschlägen auserkoren habe. Die Behörden des Wüstenstaates seien zu einer Vernehmung des Mannes, der 2011 aus Pakistan ausgewiesen wurde, bereit.
LG Frankfurt zu Suhrkamp: Nächste Runde im Gesellschafter-Streit beim Suhrkamp-Verlag. Wie die FAZ (Felicitas von Lovenberg) in ihrem Feuilleton berichtet, hat das Landgericht Frankfurt einem Antrag des Minderheitsgesellschafters Hans Barlach auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Siegfried und Ulla Unseld Familienstiftung stattgegeben. Die Mehrheitsgesellschafterin werde durch den Beschluss verpflichtet, ihre Gewinnforderung der Jahre 2010 und 2011 zu stunden, bis das Amtsgericht Charlottenburg in Berlin über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entschieden hat.
Geheimnis: Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien führt eine Liste indizierter Medien, von der nur ein Teil öffentlich einsehbar ist. Der übrige bleibt auch nach einem kürzlich vom Verwaltungsgericht Köln gefällten Urteil geheim. lto.de (Constantin van Lijnden) stellt die Rechtslage vor und lässt hierbei den Kläger, einen Rechtsanwalt, sowie den Prozessbevollmächtigten der Bundesprüfstelle zu Wort kommen.
Weitere Themen – Recht in der Welt
USA – Geheimgericht: Die SZ (Andreas Zielcke) stellt in ihrem Feuilleton den Foreign Intelligence Surveillance Court der USA vor. Das geheim tagende Gericht entscheidet über die Rechtmäßigkeit von Telekommunikationsüberwachungen durch die NSA und andere amerikanische Geheimdienste, seine Existenz war durch die Enthüllungen Edward Snowdens bekannt geworden. Der längere Beitrag vergleicht den 1978 eingerichteten Spruchkörper, "eine mit Anti-Rechtsschutzmittel geölte Lizenzerteilungsmaschine" mit historischen und aktuellen Geheimgerichten und berichtet über Vorschläge amerikanischer Politiker, die Berufung von Richtern zukünftig von der Zustimmung des Senats abhängig zu machen.
Großbritannien – PorNo: In Großbritannien sollen nach dem Willen des Premierministers David Cameron durch eine Reihe von Maßnahmen der Zugang zu Online-Pornographie beschränkt werden. Wie die FAZ (Jochen Buchsteiner) schreibt, sollten etwa Provider dazu bewegt werden, "familienfreundliche Filter" zu verwenden, in den Worten Camerons hätten die Anbieter hierzu eine "moralische Pflicht." Ziel sei es nicht nur, Kindesmissbrauch zurückzudrängen, sondern auch "extreme Pornographie" unter Erwachsenen. Netzpolitik.org (Nicolas Fennen) schreibt, dass "Jugendliche sehr schnell Wege finden werden, solche Filter zu umgehen."
Sonstiges
Ahndung von NS-Verbrechen: Das Simon Wiesenthal Center (WSC) startet eine Plakat-Kampagne zur Aufspürung noch lebender NS-Verbrecher. Wie die taz (Pascal Beucker) schreibt, erhoffe sich die Menschenrechtsorganisation durch den "historischen Präzendenzfall" des vom Landgericht München entschiedenen Demjanuk-Falls Verurteilungen bisher straffrei gebliebener NS-Verbrecher. Angesichts deren hohen Alters dürfte es sich realistischerweise um die letzte Fahndungsaktion handeln. Das WSC bedaure, dass die Bundesregierung bislang keine Unterstützung für das Projekt zugesagt habe.
Compliance und Sport-Sponsoring: Die für viele Unternehmen verbindlichen Bestimmungen zur sogenannten Compliance können in Zukunft Konsequenzen die für von diesen Unternehmen gesponserten Sportvereine haben. Wie das Handelsblatt (Heike Anger) schreibt, stehe zu erwarten, dass etwa die umfangreichen Kataloge an Verhaltensvorschriften, die Automobilhersteller ihren Zulieferern diktierten, Entsprechungen in Sponsoringverträgen finden würden. Angesichts der Ermittlungen gegen Uli Hoeneß stellte sich z.B. für die Konzerne Audi und Adidas, beide Anteilseigner der FC Bayern München AG, die Frage, inwiefern der Aufsichtsratschef zu halten sei, auch wenn er auf eine Bewährungsstrafe hoffen könne.
Steuerhinterziehung: Den Tatbestand und speziell die Strafdrohung der Steuerhinterziehung beleuchtet Rechtsanwalt Karsten Randt in einem Gastbeitrag für den Geldanlagen-Teil der FAZ. Auch wenn "in der Praxis oder in den Medien" vielfach der Eindruck entstehe, dass eine BGH-Entscheidung aus dem Jahr 2008 eine Haftstrafe ohne Bewährung für eine Steuerhinterziehung in Millionenhöhe festgelegt habe, sei die festzusetzende Strafe immer noch das "Ergebnis einer Gesamtabwägung." So würden Manipulationen durch Scheinfirmen strafschärfend wirken, ein frühzeitiges Geständnis dagegen strafmildernd. Dies sei zu begrüßen. Denn auch bei fehlgeschlagenen Selbstanzeigen wolle der Betroffene den Weg zurück in die Steuerehrlichkeit betreten.
Das Letzte zum Schluss
Hitzefrei: Trotz tropischer Temperaturen sollten sich Arbeitnehmer nicht darauf vorbereiten, demnächst hitzefrei zu bekommen. Wie Anwalt Heiko Müller im Fachblog arbeit-familie.de schreibt, folge aus § 618 BGB zwar eine Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitsplatz so einzurichten, dass Arbeitnehmer vor Gefahren für Leib und Leben geschützt werden. Auch bestimme eine Regelung im Anhang zur Arbeitsstättenverordnung, dass in betrieblich genutzten Räumen eine zuträgliche Raumtemperatur zu herrschen habe. Ein arbeitsrechtlicher Anspruch auf "hitzefrei" ab einer bestimmten Temperatur folge hieraus jedoch nicht.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 23. Juli 2013: Begnadigung in Dubai - Verteidigungsminister gegen die Presse - Nächste Runde im Suhrkamp-Streit . In: Legal Tribune Online, 23.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9192/ (abgerufen am: 02.07.2024 )
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