Der BGH gibt dem Markenschutz Vorrang vor dem Bankgeheimnis. Außerdem in der Presseschau: Der EuGH unterwirft Video-Angebote im Internet Restriktionen und Anwälte für Asyl- und Ausländerrecht sind überlastet.
Thema des Tages
BGH zum Bankgeheimnis: Bei "offensichtlichen Rechtsverletzungen" durch den gewerbsmäßigen Vertrieb gefälschter Markenprodukte hat der Geschädigte Anspruch auf Auskunft gegenüber der Bank des mutmaßlichen Schädigers. Die Bank muss Name und Adresse desjenigen nennen, über dessen Konto die Geschäfte abgewickelt wurden. Das entschied jetzt der Bundesgerichtshof. Das Bankgeheimnis müsse hier auch in einem zivilrechtlichen Verfahren zurückstehen. Konkret ging es um den Verkauf gefälschten Parfüms der Marke "Davidoff Hot Water" auf Ebay. Der BGH hatte das Verfahren zwischenzeitlich dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt, der sich bei der Auslegung der EU-Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums für eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses ausgesprochen hatte. Es berichten die SZ (Wolfgang Janisch) und das Hbl (Elisabeth Atzler).
Rechtspolitik
Scheidungskinder: Die parlamentarische Versammlung des Europarats hat an die nationalen Gesetzgeber appelliert, die "Doppelresidenz" für Scheidungskinder gesetzlich zu verankern. Gemeint ist damit, dass die Kinder bei beiden Elternteilen wohnen, also zwei Elternhäuser haben. Die Welt (Sabine Menkens) stellt das Konzept vor. Das deutsche Justizministeriums plane aber keine kurzfristige Umsetzung.
Erbschaftsteuer: Die CSU hält die Koalitionspläne zur Reform der Erbschaftsteuer noch nicht für zustimmungsreif, melden die FAZ (Manfred Schäfers) und die SZ (Wolfgang Wittl). Da die Pläne nach bayerischen Berechnungen 500 Millionen Euro Mehreinnahmen bringen, verstießen sie gegen die Vorgabe des Koalitionsvertrags, der Steuererhöhungen ausschließt. Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) legte ein Zehn-Punkte-Papier mit Forderungen vor.
Bodenreform: Die FAZ (Reinhard Müller) schildert die Erinnerungen von bundesdeutschen Beteiligten an den Wiedervereinigungs-Verhandlungen. Danach sei die Unantastbarkeit der Bodenreform vor allem ein ostdeutsches Anliegen gewesen, die Sowjetunion habe darauf nicht gedrängt. Die Bundesregierung habe dafür gesorgt, dass die Ununmkehrbarkeit der Enteignungen juristisch abgesichert wurde.
Justiz
EuGH zu Internetmedien: Die Subdomain "Videos" der Webseite "Tiroler Tageszeitung online" kann als audivisueller Mediendienst auf Abruf eingestuft werden. Das entschied der Europäische Gerichtshof. Damit müssen solche Videoangebote im Internet künftig die gleichen Vorgaben wie Fernsehsender über Werbebeschränkungen und Sponsoring einhalten. Auch sei eine Registrierung bei der zuständigen Aufsichtsbehörde erforderlich. Rechtsprofessor Markus Ruttig bespricht das Urteil auf lto.de und warnt: Weil die Medienaufsicht damit überfordert wäre, das gesamte Internet zu überwachen, würden strukturelle Vollzugsdefizite entstehen, auf die sich dann auch Fernsehsender berufen können, weshalb sich am Ende niemand mehr an die Regeln halten müsse.
BVerwG zu Kosten von Inobhutnahmen: Eltern, deren Kind vom Jugendamt in Obhut genommen wird, müssen sich zumindest in Höhe des erhaltenen Kindergeldes an den Kosten beteiligen. Das entschied laut lto.de das Bundesverwaltungsgericht.
OVG Münster zu Hogesa-Demonstration: Die Hooligans gegen Salafisten (Hogesa) dürfen am Sonntag in Köln eine Versammlung abhalten. Das entschied laut spiegel.de das Oberverwaltungsgericht Münster und erklärte ein entsprechendes Verbot für rechtswidrig. Zulässig sei es jedoch, die Versammlung auf eine stationäre Kundgebung zu beschränken.
OLG Hamm zu Lockvogel-Angebot: Wenn ein Internethändler angibt, von einem Produkt "nur noch wenige Exemplare" verfügbar zu haben, dann muss er nach einer Bestellung auch liefern können. Hat er in Wirklichkeit gar keine Waren auf Lager, dann handele es sich um ein unzulässiges Lockvogelangebot, so das Oberlandesgericht Hamm laut lto.de.
AG Kitzingen zu Facebook-Hetze: Das Amtsgericht Kitzingen verurteilte einen 31-Jährigen wegen Volksverhetzung und öffentlicher Aufforderung zu Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Der Mann hatte unter seinem richtigen Namen monatelang auf Facebook gegen Flüchtlinge und andere Minderheiten gehetzt. Die hohe Strafe sei eine Folge von Vorstrafen aller Art, meldete focus.de.
LG Köln - Anabolika: Vor dem Landgericht Köln hat der Prozess gegen sechs Angeklagte begonnen, denen Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz vorgeworfen werden. Sie sollen mit Rohstoffen aus China in deutschen Untergrundlabors illegale Dopingmittel für die Bodybuilder-Szene hergestellt und vertrieben haben, berichtet spiegel.de.
OLG München - NSU: spiegel.de (Gisela Friedrichsen) zieht eine Zwischenbilanz des Prozesses gegen Beate Zschäpe: "Mosaikstein um Mosaikstein wird zu einem Bild zusammengefügt, Beweis um Beweis vorgelegt, so dass Zweifel an der Täterschaft mehr und mehr obsolet werden. Zu verdanken ist dies vor allem dem Umstand, dass in der Zwickauer Frühlingsstraße erstaunlich viele Asservate den Flammen und dem Löschwasser widerstanden".
LG Hannover - Porsche: Das Landgericht Hannover überlegt, Schadensersatzklagen gegen Porsche im Zusammenhang mit der gescheiterten VW-Übernahme zu bündeln und nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz dem Oberlandesgericht Braunschweig vorzulegen. Neben Klagen von zwei britischen Hedgefonds gehe es um weitere Klagen von 32 Investoren über insgesamt knapp fünf Milliarden Euro, meldet die FAZ (Joachim Jahn).
Anwälte für Migrationsrecht: Die Welt (Thorsten Jungholt) schildert die aktuelle Überlastung von Anwälten, die sich auf Asyl- und Ausländerrecht spezialisiert haben. Hier bestünden gute Chancen für Berufsanfänger, ihren Platz zu finden, auch wenn die Materie anspruchsvoll sei und die Verdienstmöglichkeiten beschränkt. Die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer hatte im März die Einführung eines entsprechenden Fachanwaltstitels abgelehnt.
Recht in der Welt
Österreich - Facebook: Der Datenschutz-Aktivist Max Schrems darf Facebook vor österreichischen Gerichten wegen Datentransfers in die USA verklagen. Als Privatperson sei er klagebefugt. Das entschied jetzt das Oberlandesgericht Wien und korrigierte eine erstinstanzliche Entscheidung aus dem Juli. Eine parallele Sammelklage wurde allerdings nicht zugelassen, so spiegel.de.
Rumänien - Ion Iliescu: Gegen Rumäniens Ex-Präsidenten Ion Iliescu ist ein neues Strafverfahren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingeleitet worden. Gegenstand ist die Räumung der Bukarester Innenstadt von Dauer-Demonstranten, zu der der frisch gewählte Iliescu im Juni 1990 gewalttätige Bergarbeiter zu Hilfe gerufen hatte. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte 2014 lückenhafte Ermittlungen in einem ergebnislosen früheren Verfahren beanstandet. Es berichten die SZ und die taz (Wiliam Totok).
Schweiz - Mordversuch oder Komplott: Die SZ (Charlotte Theile) berichtet über einen Prozess vor dem Obergericht Altdorf. Dort ist der ehemalige Bordellbetreiber Ignaz Walter zum zweiten Mal wegen versuchten Mordes angeklagt. Die erste Verurteilung war aufgehoben worden. Es stehe der Vorwurf im Raum, dass Walker Opfer eines Komplotts der örtlichen Polizei und Justiz geworden sei.
Südafrika - Albie Sachs: Saul Tourinho Leal berichtet auf verfassungsblog.de in englischer Sprache über eine Begegnung mit dem berühmten südafrikanischen Juristen Albie Sachs. Dieser war während der Apartheid lange im Exil, schrieb dann an der neuen Verfassung mit und war bis 2009 Richter am südafrikanischen Verfassungsgericht.
Sonstiges
Social Business: Der Anwalt Stefan Winheller beschreibt auf lto.de die amerikanische Rechtsform der Public Benefit Corporation, die keine deutsche Entsprechung habe. Solche Gesellschaften seien nicht gemeinnützig, da sie trotz der sozialen Zielsetzung Gewinne ausschütten dürfen. Im deutschen Recht könne für solche Zwecke am ehesten die GmbH genutzt werden.
Das Letzte zum Schluss
Bier in Amerika: Die Brauerei Anheuser-Busch muss in den USA 20 Millionen Dollar Schadensersatz zahlen, weil sie den falschen Eindruck erweckt hatte, das in den USA verkaufte Becks-Bier sei deutsches Bier, meldet focus.de. Tatsächlich wurde es zwar nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut - aber in St. Lous (Missouri).
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 22. Oktober 2015: BGH schwächt Bankgeheimnis - EuGH zu Internetvideodiensten - Anwälte für Asylrecht fehlen . In: Legal Tribune Online, 22.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17299/ (abgerufen am: 03.07.2024 )
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