Die Rechtswissenschaftlerin Doris König wurde zur neuen Richterin am BVerfG gewählt. Außerdem in der Presseschau: Vorratsdatenspeicherung bleibt erst einmal auf Eis, das BAG erlaubt Sonderzahlungen an Gewerkschaftsmitglieder, der NSA-Ausschuss will IT-Größen befragen, in der Schweiz darf man gelegentlich den Hitlergruß zeigen und was aus Intimfotos nach der Trennung werden soll.
Thema des Tages
Neue Richterin am BVerfG: Der Wahlausschuss des Bundestages hat am gestrigen Mittwoch Doris König zur Richterin am Bundesverfassungsgericht gewählt. Die parteilose Wissenschaftlerin wurde von der SPD vorgeschlagen und tritt im Zweiten Senat die Nachfolge von Gertrude Lübbe-Wolff an. König ist Expertin für Völkerrecht und Europarecht und Präsidentin der Bucerius Law School in Hamburg. Wolfgang Janisch (SZ) stellt die neue Verfassungsrichterin kurz vor und kommentiert die Wahl: "Ihr international geprägter Blick dürfte sich noch als Stärke erweisen." Auch die FAZ (Reinhard Müller) widmet sich dem Werdegang der neuen Personalie und hebt den völker- und europarechtlichen Hintergrund hervor, der sich bei europarechtlichen Fragen positiv auswirken sollte.
Rechtspolitik
Vorratsdatenspeicherung: Die FAZ (Eckart Lohse) analysiert die Möglichkeiten einer Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung. Ein entsprechendes Gesetz wäre ohne die Zustimmung des Bundesrats möglich, wenn man sich auf die nicht-mitbestimmungspflichtige Änderung des Telekommunikationsgesetzes beschränken und auf die Änderung des BKA-Gesetzes verzichten würde. Das sei vom zuständigen Justizminister Heiko Maas (SPD) aber nicht gewollt.
Ausländerwahlrecht: Heribert Prantl (SZ) kritisiert angesichts der am Sonntag in vielen Bundesländern anstehenden Kommunalwahlen, dass jeder achte Bürger nicht teilnehmen darf, weil er als sogenannter Drittausländer vom Wahlrecht ausgeschlossen ist: "Wahlen sind Geburtstage der Demokratie. Es ist nicht gut, wenn hunderttausende Menschen nicht mitfeiern dürfen, obwohl sie seit Jahren und Jahrzehnten in deutschen Städten wohnen, leben und arbeiten."
Kritik am TTIP: Das geplante Handelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA wird weiterhin von verschiedenen Seiten kritisiert. Die SZ (Felix Stephan) und die taz (Andreas Hartmann) berichten von einer Podiumsdiskussion in der Berliner Akademie der Künste mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Die CDU-Politikerin befürchte eine Liberalisierung von Kultur und Medien und sehe darin eine Gefährdung der Identität der europäischen Staaten als Kulturnation. Die taz (Malte Kreuzfeldt) stellt die Politologin und TTIP-Kritikerin Pia Eberhardt in einem ausführlichen Porträt vor. Sie arbeitet für die Organisation Corporate Europe Observatory und hat für eine Studie Hunderte von Schiedsgerichtsprozessen analysiert, die im Fokus der Kritik stehen. In einem gesonderten Beitrag porträtiert die SZ (Alexander Hagelüken/Silvia Liebrich) den EU-Handelskommissar und Unterhändler des Abkommens Karel de Gucht, der sich trotz aller Kritik für das Abkommen starkmacht.
Aufenthaltsrecht für EU-Bürger: Nach Diskussionen um die Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch EU-Bürger, hat die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf vorgelegt, wonach das Aufenthaltsrecht von arbeitssuchenden Zuwanderern aus der EU nach sechs Monaten beschränkt werden kann. Nach Ablauf der Frist müssen sie künftig "begründete Aussichten" auf eine Einstellung vorweisen, berichtet die taz (Barbara Dribbusch). Christian Rath (BadischeZeitung) stellt die bisherige Rechtslage nach dem Freizügigkeitsgesetz dar und konstatiert, dass die Änderung wenig Praxisrelevanz haben wird, weil EU-Bürger nach erfolgloser Arbeitssuche sofort wieder einreisen können. Die geplanten Wiedereinreisesperren gälten nur bei Fälschungen und Täuschungen. Der Bundesregierung komme es wohl nur darauf an, "staatliche Aktivität gegen angeblichen 'Sozialmissbrauch'" zu zeigen.
Andrea Voßhoff im Interview: Die Welt (Manuel Bewarder/Claudia Ehrenstein) führt ein Interview mit der Datenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff (CDU). Sie wünscht eine stärkere Unabhängigkeit ihrer Behörde und möchte die Medienkompetenz unter Kindern fördern.
Justiz
BAG zu Sonderzahlungen: Das Bundesarbeitsgericht hat am gestrigen Mittwoch entschieden, dass Gewerkschaften Sonderzahlungen mit dem Arbeitgeber aushandeln dürfen, die nur für ihre Mitglieder gelten. Die IG Metall hatte in einer Sanierungsvereinbarung, die zum Lohnverzicht der Opel-Belegschaft führte, eine Sonderzahlung von 200 Euro für ihre eigenen Mitglieder vereinbart. Geklagt hatten Nicht-Mitglieder, die eine Auszahlung des Betrags gemäß dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verlangten. Aufgrund der Angemessenheitsvermutung von Verträgen tariffähiger Vereinigungen finde der Grundsatz hier keine Anwendung, so das Gericht. Es berichten, die SZ, zeit.de und beck-aktuell.de.
OLG Karlsruhe zu Bildaufnahmen: lawblog.de (Udo Vetter) erläutert einen Fall vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe, bei dem eine Frau gegen die Bildzeitung geklagt hatte, weil sie zufällig neben einem bekannten Fußballspieler abgelichtet wurde und in der Printausgabe zu sehen war. Das Gericht gab ihr Recht, weil ein öffentliches Interesse an der Veröffentlichung fehlte. Jedoch gab es kein Schmerzensgeld wegen der Geringfügigkeit der Beeinträchtigung.
OLG München - NSU: Nach einem Jahr seit Prozess-Auftakt werden nun die 15 Raubüberfälle von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos vor dem Oberlandesgericht in München verhandelt. Die taz (Konrad Litschko), die SZ (Annette Ramelsberger/Tanjev Schultz), welt.de (Per Hinrichs) und spiegel.de (Gisela Friedrichsen) berichten ausführlich von der Verhandlung. Vernommen wurden unter anderem der obduzierende Gerichtsmediziner und die Polizisten, die als erste die Leichen von Böhnhardt und Mundlos nach dem letzten misslungen Überfall gefunden hatten. Alles deute auf einen Selbstmord der beiden hin.
StA München – Beihilfe zur Steuerhinterziehung: Gegen die ehemaligen Bundestagsabgeordneten Dagmar Luuk und Heinz-Alfred Steiner (beide SPD) laufen Ermittlungen wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung bei der Staatsanwaltschaft München. Den beiden wird vorgeworfen, durch ihre Beraterfirma in Griechenland Honorarzahlungen in Millionenhöhe vom Rüstungskonzern Krauss-Maffei-Wegmann erhalten zu haben, die zu Schmiergeldzahlungen eingesetzt worden waren. Da Bestechung nun verjährt sei, bleibe nur Beihilfe zur Steuerhinterziehung, berichtet die SZ (Georg Mascolo/Klaus Ott).
StA Regensburg – Werkverträge: Die Staatsanwaltschaft Regensburg hat ein Verfahren gegen den Discounter Netto wegen umstrittener Werkverträge eingestellt, meldet die taz. Netto soll mehrere Millionen Euro in die Sozialkassen nachzahlen, die es durch die Werkverträge eingespart habe.
Kriegsdienstverweigerung von Berufssoldaten: lto.de (Claudia Kornmeier) führt ein Interview mit dem Rechtsanwalt und Hauptmann der Reserve Thomas Bayer, der Kriegsdienstverweigerer unter den Berufssoldaten vertritt. Der Rechtsanwalt erklärt die Voraussetzungen einer erfolgreichen Verweigerung und ihre finanziellen Folgen für die Berufssoldaten.
Recht in der Welt
Hitlergruß in der Schweiz: Das oberste Gericht der Schweiz hat entschieden, dass das Zeigen des Hitlergrußes unter bestimmten Voraussetzung zulässig ist. Der Tatbestand der Rassendiskriminierung sei lediglich erfüllt, wenn der Gruß zu propagandistischen Zwecken eingesetzt werde, nicht jedoch, wenn die Person damit ihre Gesinnung zum Ausdruck bringen möchte, meldet spiegel.de.
USA und Todesstrafe: Der Fall des wegen Mordes zum Tode verurteilten Russell Bucklew löst erneut eine Debatte um die Todesstrafe in den USA aus. Nachdem bereits in Oklahoma ein Mann unter Qualen gestorben war, machte auch Bucklew geltend, er könne wegen seiner physischen Konstitutionen unter der Spritze leiden. Der Supreme Court hat die Hinrichtung vorläufig ausgesetzt. Stefan Kuzmany (spiegel.de) kritisiert, dass sich die Debatte in den USA lediglich um die Durchführung drehe, jedoch nicht um die Existenz der Todesstrafe an sich: "der Wunsch nach Rache ist ein Gefühl, aber keine Aufgabe eines Rechtsstaates."
Strafprozesse in Ägypten: Der frühere ägyptische Präsident Hosni Mubarak und seine Söhne wurden in Ägypten wegen Untreue zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Die FAZ (Markus Bickel) nimmt das Urteil zum Anlass die kürzlichen Todesurteile und aktuelle Verfahren gegen die Muslimbrüder aufzugreifen. Die Zeit (Andrea Böhm) schildert in einem dreiseitigen Dossier das Verfahren gegen die Journalisten Peter Greste und Mohammed Fahmy, denen die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen wird, weil sie für den Sender Al-Dschasira berichtet hatten.
Sonstiges
NSA-Ausschuss: spiegel.de (Hubert Gude/Jörg Schindler) präsentiert das Rechtsgutachten des Professors Matthias Bäcker, das dieser dem NSA-Ausschuss im Hinblick auf die Abhörpraxis des Bundesnachrichtendienstes (BND) vorgelegt hat. Darin komme er zu dem Schluss, dass der BND beim Abhören der Auslandskommunikation ohne Rechtsgrundlage handle. spiegel.de (Annett Meiritz/Ole Reißmann) stellt dar, dass der NSA-Untersuchungsausschuss am heutigen Donnerstag die Vernehmung von führenden IT-Unternehmern wie Mark Zuckerberg (Facebook) beschließen will, die jedoch nicht zu einer Aussage gezwungen werden können. Währenddessen rate der Rechtsbeistand von Edward Snowden, Wolfgang Kaleck, von einer Reise nach Deutschland ab, solange ein sicherer Aufenthalt nicht gewährleistet sei, berichtet die SZ (Hans Leyendecker/Georg Mascolo).
Buch zum NSA-Skandal: Christian Rath (taz.de) hat das neue Buch des Journalisten und NSA-Skandal-Enthüllers Glenn Greenwald gelesen. Das Buch sei zum großen Teil spannend wie ein Medienthriller geschrieben, die verwendeten Original-Dokumente werden aber nicht erläutert, was die Lesbarkeit erschwere.
Wahlbeschwerden: lto.de (Constantin van Lijnden) hat "zehn besonders aussichtslose, aber unterhaltsame Beschwerden" gegen die Bundestagswahlen von 2013 zusammengestellt, die der Wahlprüfungsausschuss nichtsdestotrotz behandelt hat.
Das Letzte zum Schluss
Keine Nacktbilder als Andenken: Wie internet-law.de (Thomas Stadler) meldet, hat das Oberlandesgericht Koblenz einer Frau Recht gegeben, die von ihrem Ex die Löschung von Intimfotos nach der Trennung verlangt hatte. Das Gericht gehe im Intimbereich von einer beschränkten Einwilligung aus, die widerrufen werden könne.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 22. Mai 2014: Doris König wird neue Verfassungsrichterin – Hitlergruß in der Schweiz – Keine Nacktbilder als Andenken . In: Legal Tribune Online, 22.05.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12054/ (abgerufen am: 21.07.2024 )
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