EU-Einwanderer ohne Job haben nach Auffassung des Generalanwalts beim EuGH keinen Anspruch auf Hartz IV. Außerdem in der Presseschau: Ein Schöffe holt sich medizinische Tipps vom Angeklagten, Credit Suisse zahlt 2,6 Milliarden US-Dollar, das BVerfG verhandelt über die Luftverkehrsteuer und das FBI hat einen Personalengpass.
Thema des Tages
Generalanwalt beim EuGH gegen Hartz IV: EU-Einwanderer ohne Job haben nach Auffassung des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Deutschland keinen Anspruch auf Hartz IV. Melchior Wathelet schreibt in seiner Stellungnahme, dies gelte insbesondere für Ausländer, die umzögen, um Sozialleistungen zu erhalten. Das Jobcenter Leipzig hatte den Hartz-IV-Antrag 24-jährige Rumänin, die bei ihrer Schwester in Leipzig lebt, abgelehnt. Es berichten SZ (Roland Preuss), taz (Christian Rath) und FAZ (Joachim Jahn).
spiegel.de erläutert, welche Sozialleistungen EU-Bürgern zustehen. In einem gesonderten Beitrag berichtet spiegel.de von einem Gesetzentwurf der Bundesregierung, mit dem Einreisesperren für EU-Bürger verhängt werden können.
Georg Baltissen (taz) meint, wenn die Europäische Union die Freizügigkeit des Waren- und des Kapitalverkehrs garantiere, müsse diese Freiheit uneingeschränkt auch für den Personenverkehr und den Arbeitsmarkt gelten, "Versorgungsleistungen inklusive". Roland Preuss (SZ) hofft, dass der EuGH die Auffassung des Generalanwalts übernimmt, denn: "Ein Streit über Zuwanderer und ihre Ansprüche wird immer schnell unappetitlich."
Rechtspolitik
Reform der Tötungsdelikte: spiegel.de (Alexander Demling) berichtet über die von Bundesjustizminister Maas ins Auge gefasste Reform der Tötungsdelikte. 14 Experten haben ein Jahr Zeit, um die Probleme wie Verjährung und zu ungenau definierte Mordmerkmale zu erörtern.
Google – Was tun?: Nach dem Google-Urteil des EuGH geht die Diskussion über die weitere Vorgehensweise bei, mit und gegen Google weiter. Im Wirtschaftsteil der SZ (Caspar Busse) kommt Andreas Mundt, der Chef des Bundeskartellamts zu Wort, der eine marktbeherrschende Stellung von Google konstatiert. Die FAZ (Reinhard Müller) kontrastiert die Meinungen des hessischen Datenschutzbeauftragten Michael Ronellenfitsch und seines Pendants in Schleswig-Holstein. internet-law.de (Thomas Stadler) gibt eine Übersicht zu den Meinungen und Kommentaren aus der Blogosphäre zum Urteil.
In einem gesonderten Beitrag konkretisiert Thomas Stadler (internet-law.de) seine Kritik an der Entscheidung: Das Urteil des EuGH verschiebe die Maßstäbe für eine Löschung ganz erheblich. Auf der Recht-Seite der FAZ argumentiert auch Rechtsanwältin Christiane Bierekoven, das Urteil gefährde die Informationsfreiheit.
Sieben EU-Rechtspolitiker: lto.de (Juliane Böcken / Claudia Kornmeier / Constantin Körner) stellt sieben EU-Rechtspolitiker vor, "die Juristen kennen sollten": Axel Voss (CDU), Birgit Sippel (SPD), Jan Philipp Albrecht (Grüne), Cornelia Ernst (Die Linke), Alexandra Thein (FDP), Martina Pöser (Piraten) und Beatrix von Storch (AfD).
EU-Kompetenzen in der Rechtspolitik: lto.de (Claudia Kornmeier) erläutert ferner, welche Kompetenzen die EU rechtspolitisch hat: Asylrecht, Strafrecht, Reise- und Kaufrecht sind einige Themen.
Bekifft rückwärts einparken: Rechtsanwalt Johnny Eisenberg (taz) rezensiert das Buch "Cannabis und Führerschein" von Theo Pütz. Das Buch sei gut recherchiert, leider fehlten die Fundstellen für die Gerichtsentscheidungen. Eisenberg kritisiert die in Deutschland geltende Obergrenze von einem Nanogramm pro Milliliter THC am Steuer. In der Schweiz dürften selbst Busfahrer und Lokführer ihre Fahrzeuge führen, wenn sie unter drei Nanogramm pro Milliliter THC aufweisen.
Justiz
BVerfG zu Hausdurchsuchungen: In einem bisher nicht veröffentlichten Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht eine Hausdurchsuchung beanstandet, die Ähnlichkeit zum Fall Edathy aufweist. In dem Fall geht es um eine Hausdurchsuchung, die von der Außenstelle Gießen der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/Main veranlasst worden war. Die Gießener Ermittler sind für Internetkriminalität und damit auch für Kinderpornographie zuständig. Ein Mann habe 2007 eine DVD gekauft, in der Jungen in sogenannter Posing-Haltung zu sehen seien, berichtet die SZ (Wolfgang Janisch). Zum Zeitpunkt des Erwerbs sei das nicht strafbar gewesen. Nach einer Gesetzesverschärfung 2008, die keine Rückwirkungskraft entfalte, sei 2013 ein Durchsuchungsbeschluss erwirkt worden. Den hat das BVerfG jetzt vorläufig kassiert, bis zur endgültigen Entscheidung dürften die in der Wohnung sichergestellten Gegenstände weder gesichtet noch ausgewertet werden.
BVerfG – Luftverkehrsteuer: Die Luftverkehrsteuer ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) wohl nicht verfassungswidrig. Bei der Verhandlung am Dienstag habe das Gericht der Argumentation der klagenden rheinland-pfälzischen Landesregierung in den wesentlichen Punkten nicht folgen können, es liege keine Belastung vor, die den Flughafen Hahn gegenüber Eindhoven unzumutbar belaste. Eine Gleichbehandlung mit ausländischen Flughäfen könne nicht verlangt werden. Es berichten SZ (Wolfgang Janisch) und Die Welt.
BGH zu Gutachterkosten: Die große Schuldrechtsreform von 2002 ändert nichts daran, dass der Käufer vom Verkäufer die Erstattung der Kosten für einen Gutachter verlangen kann, den der Käufer beauftragt hat, um Mängel feststellen zu lassen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs meldet die FAZ (Joachim Jahn) auf ihrer Rechtseite.
BGH zu Behinderung bei Geburt: Im Fall des seit seiner Geburt behinderten Daniel B. hat der Bundesgerichtshof jetzt die Auffassung des Oberlandesgerichts München bestätigt, wonach die Geburtsfehler im wesentlichen "schicksalhaft" und kaum durch Behandlungsfehler verursacht seien, meldet Die Welt (jos).
Bayerischer Justizskandal um Ärzte: Über die nur halbherzig durchgeführten oder gar behinderten Ermittlungen wegen des Verdachts des Abrechnungsbetrugs innerhalb der bayerischen Ärzteschaft berichten SZ (Stefan Mayr / Mike Szymanski) im Bayernteil und das Handelsblatt (Sönke Iwersen / Jan Keuchel).
OLG München – NSU: Im NSU-Prozess ging es am Dienstag um den Tathergang beim Banküberfall in Eisenach, wenige Stunden vor dem Tod von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Es berichten spiegel.de (Gisela Friedrichsen), zeit.de (Frank Jansen), und der NSU-Prozessblog (nsagener) auf zeit.de.
OLG Hamburg – Anklage wegen Werbung für Al-Qaida: Wie spiegel.de meldet, hat der Generalbundesanwalt bereits am 16. April Anklage gegen einen 44-jährigen Deutschen vor dem Staatsschutzsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg erhoben. Der Mann soll im Internet Videos veröffentlicht haben, in denen für Al-Qaida geworben wird.
LAG Schleswig-Holstein zu Testbewerbung: Wie die FAZ (Joachim Jahn) auf ihrer Recht-Seite meldet, hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein die Schadensersatzforderung eines 50-jährigen Mannes wegen Altersdiskriminierung in einem Bewerbungsverfahren abgelehnt. Der Kläger hatte sich unter falschem Namen und mit gefälschten Zeugnissen als 18 Jahre jüngerer Mann bei der gleichen Firma ein zweites Mal beworben. Als der "jüngere" Bewerber zum Bewerbungsgespräch eingeladen wurde, klagte der 50-Jährige.
Anwaltsgericht Düsseldorf zu Mitwirkungspflicht: Die Entscheidung des Anwaltsgerichts Düsseldorf, dass die Mitwirkungspflicht aus § 14 BORA nicht bei der Zustellung von Anwalt zu Anwalt greife, tritt der zpoblog.de (Benedikt Meyer) entgegen. Das Düsseldorfer Gericht stehe im Vergleich zur berufsrechtlichen Kommentarliteratur ziemlich alleine da, der Anwaltsgerichtshof Hamm habe 2003 eine Mitwirkungspflicht ausdrücklich bejaht.
VG Lüneburg – Podcast-Bus: Vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg beginnt am Donnerstag der Prozess wegen der Beschlagnahme des Metronautbusses. Aus diesem Bus sollte ein Podcast zu den Protesten gegen den Castor 2011 gesendet werden, die Polizei hatte das Fahrzeug aber wegen der potenziellen Gefahr der Störung des Polizeifunks und der vermeintlichen Koordination gewalttätiger Aktionen samt Sende-Ausrüstung sichergestellt. Es berichtet netzpolitik.org (Anna Biselli).
LG Göttingen – Schöffe befangen: Im Prozess gegen den Transplantationschirurgen Aiman O. ist ein Schöffe wegen Befangenheit ausgetauscht worden. Er hatte sich vom Angeklagten wegen anhaltender Schmerzen in der Hand beraten und dann telefonisch einen Spezialisten empfehlen lassen. Der Prozess könne fortgesetzt werden, weil die Ersatzschöffin an allen Verhandlungstagen zugegen gewesen sei, berichtet spiegel.de.
LG Braunschweig zu Schadenersatz wegen Ehec: Das Landgericht Braunschweig hat die Schadenersatzklage eines Sprossenherstellers gegen das Bundesamt für Verbraucherschutz abgewiesen. Das Unternehmen hatte Einnahmeeinbußen in Höhe von einer Million Euro im Zusammenhang mit der Ehec-Epidemie geltend gemacht. Es berichten FAZ (Robert von Lucius) und spiegel.de.
StA Regensburg/Bamberg – Deal mit Netto: Wie das Handelsblatt (Massimo Bognanni) berichtet, haben sich die Staatsanwaltschaften in Regensburg und Bamberg mit der Supermarktkette Netto in einem Deal geeinigt. Aufgrund von umstrittenen Werkverträgen war gegen Netto wegen des Verdachts auf Sozialversicherungsbetrug ermittelt worden. Gegen eine Zahlung von 7,5 Millionen Euro sei das Verfahren jetzt eingestellt worden.
Berliner Gefängnisausbruch: Über den Ausbruch von zwei Gefangenen aus der Justizvollzugsanstalt Berlin-Moabit berichten taz Berlin (Malene Gürgen / Stefan Alberti) und Die Welt (Til Biermann). Fremde Hilfe sei nicht auszuschließen, da Stacheldraht nicht richtig befestigt gewesen sei.
bild.de liefert die nötige historische Tiefenschärfe und zeigt all die "krassen Mittel" für die "spektakulärsten Gefängnisausbrüche der Welt".
Recht in der Welt
Internationale Arbeitsstandards/ILO: 21 Millionen Sklaven und Zwangsarbeiter gibt es laut einer Studie der International Labor Organization (ILO), vor allem in Südostasien. Anlass, die Durchsetzung weltweit geltender menschenwürdiger Arbeitsstandards zu fordern, so die SZ (Alexander Hagelüken) in ihrem Wirtschaftsteil und zeit.de (Jan Dirk Herbermann / Carsten Brönstrup).
USA/England – Abu Hamza: Der Islamist Abu Hamza al-Masri, ein britischer Staatsangehöriger, ist in New York in allen elf Anklagepunkten für schuldig befunden worden, darunter Geiselnahme mit Todesfolge und Unterstützung von Ausbildungslagern der Al-Qaida. Die FAZ (Jochen Buchsteiner) skizziert die Reaktionen in England, wo der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stark in der Kritik steht. Er hatte die Auslieferung Abu Hamzas 2012 in die USA unterbunden. Premier Cameron will die Abschiebung von Menschen, die unter Terrorverdacht stehen, zügig erleichtern.
Weil Abu Hamza al-Masri Imam ist, wird er auch als "Hassprediger" bezeichnet. Die SZ (Chri) erläutert in ihrem Aktuellen Lexikon den Begriff und seine Entstehung.
USA – Credit Suisse: Das Bankhaus Credit Suisse bekennt sich in den USA der Beihilfe zur Steuerhinterziehung für schuldig, muss 2,6 Milliarden US-Dollar zahlen, braucht die Namen seiner Kunden aber nicht zu nennen. Es berichten SZ (Nikolaus Piper) und FAZ (Jürgen Dunsch) in ihren Wirtschaftsteilen sowie das Handelsblatt (Holger Alich / Peter Köhler / Tanja Kuchenbecker) und spiegel.de.
Die FAZ (Jürgen Kuls) veröffentlicht eine Liste mit den bisher höchsten Geldstrafen gegen Banken in den USA. Unangefochtener Spitzenreiter ist J.P. Morgan mit 13 Milliarden US-Dollar, die Credit Suisse springt auf Anhieb auf Platz 3, die Deutsche Bank ist mit 1,9 Milliarden US-Dollar im Moment auf Platz 5. Das Handelsblatt (Frank Wiebe) bringt ein Interview mit dem Anwalt Jordan Thomas, der auf Whistleblower spezialisiert ist und vorher für die US-Wertpapieraufsicht SEC arbeitete. Er meint, in Zukunft würden noch mehr Manager angeklagt.
Jürgen Dunsch (FAZ) meint, der Verwaltungspräsident von Credit Suisse, Urs Bohner, habe sich keinen Gefallen getan, als er sich und dem Vorstandsvorsitzenden Brady Dougan eine "weiße Weste" attestiert habe.
Sonstiges
Imitationssatire: lto.de (Constantin Baron van Lijnden) informiert über die rechtlichen Tücken der Informationssatire. Diese müsse als Persiflage zu erkennen sein. Wer vom echten Anbieter nicht zu unterscheiden sei, müsse mit Schadensersatzforderungen rechnen. Als Beispiele nennt er die "Kindernothilfe des Bundes" und "Google Nest".
Das Letzte zum Schluss
Kein THC beim FBI: Wie der Lawblog des Wall Street Journal (David Levinson) berichtet, hat das FBI Schwierigkeiten, die 2.000 neuen Stellen adäquat zu besetzen, die zur Bekämpfung von Cybercrime geschaffen worden sind. Unter den vielen fachlich qualifizierten Bewerber sei eine sehr hoher Anteil von regelmäßigen Marihuana-Konsumenten, diese kämen daher nicht in Betracht. Gefunden auf Fefes Blog.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.)
lto/ro
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 21. Mai 2014: Generalanwalt beim EuGH gegen Hartz IV – BVerfG gegen Hausdurchsuchungen – Deal mit Netto . In: Legal Tribune Online, 21.05.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12035/ (abgerufen am: 21.07.2024 )
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