Der Rückkauf des EnBW-Konzerns verursacht nicht nur schwäbischen Hausfrauen Kopfschmerzen. Nun entscheidet ein Schiedsgericht. Außerdem in der Presseschau: Ausnahmen zum Mindestlohn, Beobachtungsvorgänge zur NSA, Franck Ribéry und Prostitution, heißer Kaffee und lockere Deckel bei McDonald's, und Goldbarren vor dem Arbeitsgericht.
Thema des Tages
EnBW – Schiedsgericht: Die SZ (Roman Deininger) berichtet in ihrem Wirtschaftsteil, dass seit dem gestrigen Montag das Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer in Zürich die Klage der baden-württembergischen Landesregierung gegen den französischen Staatskonzern Electricité de France zum Rückkauf von EnBW-Anteilen verhandelt. Das Land fordert eine knappe Milliarde Euro des mutmaßlichen überhöhten Preises zurück und argumentiert dabei, dass die Zahlung eine europarechtlich illegale Beihilfe gewesen sei. Der ungewisse Ausgang des Verfahrens sei auch für die Ermittlungen der Stuttgarter Staatsanwaltschaft gegen den damals federführend beteiligten, ehemaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) von Bedeutung.
Die FAZ (Susanne Preuß) erläutert das im Kaufvertrag vereinbarte Verfahren. Jede Partei ernenne einen Juristen als Schiedsrichter, beide zusammen bestimmten dann einen Vorsitzenden. Die "streng geheime" Verhandlung sei auf eine Woche anberaumt, könne sich aber auch über Jahre hinziehen.
OLG Düsseldorf – EnBW: Die Energiekonzern hat derweil beim Oberlandesgericht Düsseldorf eine Beschwerde gegen ein von der Bundesnetzagentur verfügtes Abschaltverbot, so die SZ (Markus Baiser), bzw. den Zwangsbetrieb, so die FAZ (Susanne Preuß), mutmaßlich unrentabler Kraftwerke eingelegt. Der streitgegenständliche Bescheid gründe sich auf die von der Agentur festgestellte Relevanz mehrerer für die Energieversorgung wichtiger Kraftwerke. Diese werde vom Unternehmen nicht bezweifelt, moniert werde aber, dass der mehrjährige Weiterbetrieb nicht kostendeckend gestaltet werden könne.
Rechtspolitik
Mindestlohn-Ausnahmen: Praktikanten, Auszubildende und generell jugendliche und junge Arbeitnehmer könnten Ausnahmen zum geplanten gesetzlichen Mindestlohn bilden. Zu dieser Einschätzung gelangt nach einem Bericht der FAZ (Dietrich Creutzburg) ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags. Trotz des allgemeinen Diskriminierungsverbotes aufgrund des Alters ließe sich eine derartige Ausnahme für junge Menschen bildungspolitisch rechtfertigen, eine durch die Bundesregierung anzuordnende Ausnahmeregelung, die allein an den Status des Arbeitnehmers anknüpfte, wäre dagegen verfassungsrechtlich "wesentlich problematischer".
Selbstanzeige: Rechtsanwalt Karsten Randt (FAZ) setzt sich in einem Gastbeitrag für den Finanzmärkte-Teil der Zeitung mit Vorschlägen einer Facharbeitsgruppe der Bundesländer zur Reform der steuerrechtlichen Selbstanzeige auseinander. So hält Randt etwa die Ausdehnung der strafrechtlichen Verjährung auf zehn Jahre für "nicht sinnvoll" und meint, angesichts der derzeitigen kritischen Prüfung des Instituts Selbstanzeige sei es "nicht allzu sicher", dass man 2019 ihr hundertjähriges Bestehen feiern werde.
Verbraucherschutz: Als Konsequenz aus den Querelen um den angeschlagenen Energieanbieter Prokon plant die Bundesregierung nach einem Bericht des Handelsblatts (Frank M. Drost/Silke Kersting, Zusammenfassung), die Kompetenzen der Bundesanstalt für Finanzaufsicht zu erweitern. Zum Zwecke eines effektiveren Verbraucherschutzes solle es der Behörde künftig möglich gemacht werden, gefährliche Finanzprodukte unter bestimmten Voraussetzungen zu verbieten oder ihren aktiven Vertrieb zu untersagen.
EU-Grundfreiheiten: EU-Ausländern Sozialleistungen zu verweigern oder sie zur Zahlung einer PKW-Maut zu verpflichten, verstößt als Diskriminierung gegen EU-Recht, schreibt Rechtsanwalt Christian Harmsen (Handelsblatt) in einem Gastkommentar. Zwar erschwerten die EU-Grundfreiheiten "vordergründig die Innenpolitik", dafür erleichterten sie "Unternehmen und Bürgern der EU Handel und Leben". Auch in Wahlkampfzeiten solle die Politik nicht vergessen, dass Deutschland "bisher Gewinner der Europäisierung" sei.
Strafvollzug: Über einen kürzlich vorgelegten Entwurf eines Landes-Strafvollzugsgesetzes in Bremen berichtet die taz-Nord (Jean-Philipp Baeck). Besonders umstritten seien die in dem Entwurf vorgesehen Abweichungen vom 2011 entwickelten Musterentwurf einer Länderarbeitsgruppe zu einer Arbeitspflicht für Häftlingen und einem möglichen Hafturlaub erst nach zehn Jahren.
Justiz
OLG München – NSU-Prozess: Anetta Kahane (fr-online.de) kommentiert das Auftreten der Hauptangeklagten im vor dem Münchner Oberlandesgericht laufenden NSU-Verfahren. Die bunte Auswahl ihrer Bekleidung unterstreiche die kalte Gleichgültigkeit Beate Zschäpes gegenüber dem von ihr mitverursachten Leid und entspreche dabei jener Gleichgültigkeit, die Ermittler unfähig machte, "die Opfer zu sehen".
OLG Celle zu Schufa-Drohung: In einem Urteil aus dem letzten Monat hat das Oberlandesgericht Celle entschieden, dass ein Inaussichtstellen einer Datenübermittlung an die Schufa jedenfalls dann unzulässig ist, wenn die fragliche Forderung bestritten wurde. Dies meldet Thomas Stadler (internet-law.de).
LG Bonn – Messerangriff: Wegen eines Messerangriffs auf einen Polizisten während Ausschreitungen bei einem Protest gegen eine Kundgebung von "Pro NRW" im Mai 2012 hat das Landgericht Bonn einen 27-jährigen Salafisten zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Die Strafe entspricht einem Urteil aus dem letzten Jahr, das der Bundesgerichtshof zwar gebilligt, in der Begründung jedoch als rechtsfehlerhaft bezeichnet hatte, schreibt die FAZ (Reiner Burger). Im ersten Urteil sei der Verurteilte als "Prototyp eines Fanatikers" bezeichnet worden, nun erkannte das Gericht dem Mann, der während der Verhandlung mit weiteren Gewalttaten gedroht habe, eine "rechtsfeindliche Gesinnung" zu.
NSA-Ermittlungen: Nach jüngsten Medienberichten hält Generalbundesanwalt Harald Range die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens wegen US-amerikanischer Datenüberwachungs- und Spionagetätigkeiten für "möglich", seine Behörde beschränkt sich bislang jedoch auf die Anlegung sogenannter Beobachtungsvorgänge. Constantin van Lijnden (lto.de) kritisiert diese Entwicklung in einem Kommentar. Zwar sei die Aufnahme derartiger Vorermittlungen nichts ungewöhnliches und angesichts der möglichen politischen Verwicklungen wohl auch geboten. Dass die Bundesanwaltschaft aber auch ein halbes Jahr nach dem Bekanntwerden der ersten Vorwürfe und angesichts anhaltender Medienberichte zur Überwachungspraxis keinen Anfangsverdacht – als Voraussetzung zur Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens – zu erkennen vermag, rieche nach "Verzögerungstaktik".
Heribert Prantl (SZ) vermutet dagegen, dass sich der Generalbundesanwalt "der US-Lästerung nicht schuldig machen" wolle. Währenddessen sei das "geheimkriegerische Schalten und Walten" amerikanischer Behörden in Deutschland "quasi exemt" und aus dem "deutschen Rechtsverband herausgelöst". Immerhin sei dem NSA-Skandal die Erkenntnis zu verdanken, dass "die Imperative der Prävention" die Rechtsstaatlichkeit sprengten.
StA – Kölner Stadtarchiv: Die Staatsanwaltschaft Köln hat wegen des Einsturz des Kölner Stadtarchivs 2009 ein Ermittlungsverfahren gegen 89 Beschuldigte wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung in zwei Fällen und anderer Taten eingeleitet. Bauarbeiten, die Erkenntnisse zur Einsturzursache ergeben sollen, seien erst im Sommer abgeschlossen, die jetzige Verfahrenseinleitung sei dagegen der im kommenden März ablaufenden Verjährung geschuldet, schreibt die FAZ (Andreas Rossmann) in ihrem Feuilleton. Auch bei einer Anklage gegen Mitarbeiter beteiligter Baufirmen sei mit einem langen Prozess, der wohl nicht vor Inbetriebnahme der betroffenen Stadtbahnstrecke 2019 beendet sein werde, zu rechnen.
Recht in der Welt
Frankreich – Franck Ribéry: Der französische Fußballprofi Franck Ribéry (FC Bayern München) und ein Nationalmannschafts-Kollege müssen sich derzeit wegen Inanspruchnahme der Dienste einer minderjährigen Prostituierten verantworten. Die mittlerweile 21-jährige Hauptperson will dabei laut Bericht der SZ (Josef Kelnberger) nicht im Verfahren aussagen. Das "Medienspektakel" des Prozesses überlagere derweil die "Abgründe der alltäglichen Prostitution" junger Frauen aus den Pariser Vororten.
Österreich – Künstliche Befruchtung: Eine künstliche Befruchtung durch Samenspenden ist nach einem Urteil des österreichischen Verfassungsgerichtshofes künftig auch für lesbische Paare möglich. Wie die FAZ (Stephan Löwenstein) schreibt, hob das Gericht in der vergangenen Woche eine widersprechende Bestimmung des Fortpflanzungsmedizingesetzes auf, weil für eine Benachteiligung von Frauen in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften keine "besonders überzeugenden oder schwerwiegenden Gründe" bestünden.
Großbritannien – Pressefreiheit: Die FAZ (Corinna Budras) schreibt über Gillian Phillips, Justitiarin des britischen "Guardian". Wegen der von der Zeitung angestoßenen Enthüllungen zur NSA-Datenüberwachung ermittele die britische Polizei "wegen einer ganzen Reihe von strafrechtlichen Vorwürfen", die Juristin erwarte jedoch, dass auf Seiten der Behörden zunächst eine gerichtliche Entscheidung in der Sache Greenwald abgewartet werden soll. Der Lebensgefährte des Guardian-Journalisten David Miranda klagt gegen die Erzwingung von Passwörtern und Beschlagnahmung von technischen Geräten.
USA – McDonald's: Eine US-Amerikanerin verklagt die Burger-Kette McDonald´s auf Schmerzensgeld wegen Verbrennungen, die sie wegen eines unsachgemäß platzierten Kaffeebecher-Deckel erlitten haben will. Der Bericht im Wirtschaftsteil der SZ (Jürgen Schmieder) erinnert an ein weltweit aufsehenerregendes Verfahren vor 20 Jahren. Die damalige Klägerin hatte sich ebenfalls an heißem Kaffee der Kette verbrüht, ihre Klage war erfolgreich, nachdem die Kette eingestehen musste, in Kenntnis der Gefahren und zahlreicher außergerichtlicher Einigungen wegen vergleichbarer Verletzungen weiterhin sehr heißen Kaffee serviert zu haben.
Guatemala – Rios Montt: Ein guatemaltekisches Berufungsgericht hat entschieden, dass die Beweisaufnahme im Strafverfahren gegen den ehemaligen Diktator Efraín Ríos Montt fehlerhaft gewesen sei und der Prozess wegen Menschenrechtsverletzungen daher neu aufgerollt müsse. In ihrem Bericht zu der Entscheidung beschreibt die taz (Knut Henkel) die Abhängigkeit der Justiz von der Politik: weil in Guatemala Richter auf Zeit ernannt würden, seien sie abhängig von der jeweiligen politischen Großwetterlage. Zur Zeit sei diese auf Amnestie und Versöhnung ausgerichtet.
Sonstiges
Züchtigungsrecht: Aus Anlass der aktuellen Debatte über die gewalttätigen Erziehungsmethoden der fundamental-christlichen Glaubensgemeinschaft "Zwölf Stämme" beschäftigt sich ein längerer Artikel im Feuilleton der SZ (Heribert Prantl) mit rechtshistorischen Aspekten des elterlichen Züchtigungsrechts. Prantl erinnert daran, dass dessen gesetzliches Verbot gerade 14 Jahre alt ist und fragt, wann und unter welchen Voraussetzungen der Staat zu einem Eingreifen zugunsten betroffener Kinder verpflichtet ist.
ADAC: Die Kritik an manipulierten Abstimmungen des ADAC bewirkt auch einen kritischen Blick auf die gesellschaftsrechtliche Struktur dieses eingetragenen Vereins. Ulrich Noack (handelsblatt-rechtsboard) bezweifelt, dass der Idealvererein die "richtige Rechtsform für die Holding einer Unternehmensgruppe" ist und schätzt auch das Vereinsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches, welches Großvereine bewusst nicht erfasst habe, als unzeitgemäß für eine hinreichende Corporate Governance einer Konzernspitze ein.
Christian Kirchner: Als einen "Grenzgänger zwischen Juristerei und Wirtschaftswissenschaft" und "liberalen Geist" würdigt die FAZ (Philip Plickert) in ihrem Unternehmensteil den jüngst verstorbenen Rechtsprofessor Christian Kirchner in einem Nachruf.
Das Letzte zum Schluss
Kündigungsgrund Gold: Bei vielen Geldhäusern ging in den letzten Jahren einiges drunter und drüber. Ein neues Highlight zum Thema Bankenkrise liefert nun eine Düsseldorfer Geschäftsbank. Weil eine Mitarbeiterin im Durcheinander von Bauarbeiten im Bankgebäude den Überblick verlor, stellte sie die wertvolle Lieferung von zehn Kilo Goldbarren im Wert von 300.000 Euro weisungswidrig in einem unverschlossenen Container ab, aus dem der Schatz über das Wochenende verschwand. Vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf erreichte die Frau nun einen Vergleich, der sie von Schadensersatzansprüchen ihres ehemaligen Arbeitgebers freistellt. Zum Verbleib der Barren gibt der Bericht von Markus Stoffels (blog.beck.de) keine Auskunft.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 21. Januar 2014: EnBW-Kauf vor Schiedsgericht – NSA unter Beobachtung – Fußballprofi auf Abwegen . In: Legal Tribune Online, 21.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10721/ (abgerufen am: 21.07.2024 )
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