Das BVerfG verhandelt heute über Fragen der Vaterschaftsanerkennung. Die AfD will Antworten zu journalistischen Nebentätigkeiten für die Bundesregierung. Generalstaatsanwalt Frank Lüttig fordert einen härteren Umgang mit Antisemitismus.
Thema des Tages
BVerfG – Vaterschaft: Am heutigen Dienstag verhandelt das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsbeschwerde eines leiblichen Vaters, der die Vaterschaft seines inzwischen dreijährigen Sohnes anerkennen will, was aber nicht möglich ist, weil die Vaterschaft inzwischen vom neuen Partner der Mutter anerkannt wurde, der auch die soziale Vaterrolle übernommen hat. Eine Vaterschaftsanfechtung des leiblichen Vaters hatte das OLG Naumburg mit Verweis auf § 1600 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) abgelehnt, der die real existierende Familie vor dem biologischen Vater als Störer von außen schützt. Der leibliche Vater und seine Anwältin halten die Norm für verfassungwidrig, weil der leibliche Vater trotz Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, keine Chance habe, rechtlicher Vater zu werden. Im konkreten Fall geht es auch um die Frage, auf welchen Zeitpunkt für das Bestehen einer sozial-familialen Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater es ankommt. SZ (Wolfgang Janisch) und LTO (Hasso Suliak) berichten vorab und stellen die bisherige Entwicklung der Rechtslage dar.
Rechtspolitik
Wissenschaftsfreiheit: In einem Gastbeitrag in der FAZ fordert Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) die entschlossene Verteidigung des Grundrechts auf Wissenschaftsfreiheit. Angriffe gebe es sowohl von der politischen Rechten wie auch von der Linken. Besorgniserregend sei, dass in anderen Ländern wie den USA oder Großbritannien Universitäten inzwischen Orte eingeschränkter Diskussionen seien. Es sei wichtig, einen freiheitlichen Ansatz im Sinne des Wissenschaftsstandorts zu verteidigen und die Debatte im Sinne der Freiheit wiederherzustellen, um den Erkenntnisgewinn und die Freiheit zu schützen.
Kindergrundsicherung: Katja Gelinsky (FAZ) kritisiert im Wirtschafts-Leitartikel den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Kindergrundsicherung. Dieser zeige keine klare Strategie für die effektive Kombination von Familienleistungen und Investitionen in Betreuungsinfrastruktur. Der Bundestag müsse die Schwächen nun beseitigen, da die Kindergrundsicherung bisher "kein solides Reformprojekt" darstelle.
Grunderwerbssteuer: Rechtsanwalt Gottfried Breuninger kritisiert im HBl. die durch den Gesetzentwurf zur Modernisierung des Personengesellschaftsrecht (MoPeG) geplante Streichung der Vergünstigungsvorschriften für Grundstücksübertragungen in Bezug auf eine Gesamthand.
Justiz
BVerfG – Fragerecht/Journalistische Nebentätigkeiten: Die AfD-Fraktion hat vor dem Bundesverfassungsgericht Organklage gegen die Bundesregierung erhoben, weil jene kleine Anfragen der Fraktion zu Journalist:innen, an die Bundesministerien Honorare für Nebentätigkeiten wie Moderationen oder Coachings gezahlt haben, nicht ausreichend beantwortete. Die AfD will die Namen der Journalist:innen und die Höhe der Honorare in jedem Einzelfall erfahren. Die Bundesregierung stellt diese Informationen (soweit keine Zustimmung der Journalist:innen vorliegt) jedoch nur in der Geheimschutzstelle des Bundestags zur Verfügung. LTO (Christian Rath) erläutert die Vorgeschichte und die Klageschrift, die LTO exklusiv vorliegt. Die AfD-Fraktion argumentiere nachvollziehbar mit einem Öffentlichkeitsinteresse, betreibe darüber hinaus jedoch auch Hetze gegen Journalist:innen, denen sie unterstellt, dass sie nur noch "Propaganda" verbreiten, nachdem sie einmal für die Moderation einer Regierungsveranstaltung bezahlt wurden.
Antisemitismus: Der Celler Generalstaatsanwalt Frank Lüttig hat sich für einen härteren Umgang der Justiz mit Antisemitismus, insbesondere mit "ungeimpft"-Sternen und israelfeindlichen Parolen, ausgesprochen. Wie taz (Gernot Knödler) und LTO berichten, kritisierte er Entscheidungen der Staatsanwaltschaft Hannover und des Oberlandesgerichts Braunschweig, die Verfahren wegen Volksverhetzung und Verharmlosung des Holocausts einstellten. Lüttig bemängelte, dass Richter:innen und Staatsanwält:innen die Meinungsfreiheit über Demokratie- und Geschichtsverständnis stellten, was Rechtsextremist:innen und Antisemit:innen in die Hände spiele.
OVG Magdeburg zu Cannabis und Straßenverkehr: Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hat entschieden, dass ein THC-Carbonsäure-Wert von 240 ng/ml keine einmalige Überdosis darstellt, sondern für einen regelmäßigen Cannabiskonsum spricht und daher die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigt. beck-aktuell berichtet.
LG Gießen – Mord an Ayleen: Vor dem Landgericht Gießen geht der Prozess gegen Jan P. zu Ende, der wegen Mordes an der 14-järigen Ayleen angeklagt ist. Wie die FAZ (Helmut Schwan) schreibt, fordert die Staatsanwaltschaft lebenslange Freiheitsstrafe wahlweise wegen Mordes in Verdeckungsabsicht oder zur Befriedigung des Geschlechtstriebes sowie die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld.
VG Berlin zu Impfnachweis: Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden, dass Gesundheitsämter für Schulkinder einen Impfnachweis für Masern fordern dürfen und bei Nichtvorlage ein Zwangsgeld androhen können. Die Eltern von drei Schülern in Treptow-Köpenick hatten gegen ein solches Zwangsgeld vorläufigen Rechtsschutz ersucht, da die Nachweispflicht einer Impfpflicht gleichkomme und daher verfassungswidrig sei. Das Gericht sah jedoch die Regelung als verhältnismäßig und als dem Schutz der Kinder dienend an. LTO berichtet.
AG Augsburg zu umgestürztem Baum: Das Amtsgericht Augsburg hat einen Baumkontrolleur vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung eines 20 Monate alten Mädchens freigesprochen, nachdem ein umstürzender Baum auf einem Spielplatz das Mädchen erschlagen hatte. Wie die SZ und spiegel.de berichten, hatten die beauftragten Gutachter unterschiedliche Meinungen darüber, ob der Baumkontrolleur das Innenleben des Baumes hätte erkennen können und ob der Baum umsturzgefährdet war. Das Gericht stellte fest, dass der Kontrolleur seine Arbeit korrekt erledigt habe und dass die Entscheidung, einen solch schräg stehenden Baum auf Spielplätzen prophylaktisch zu entfernen, nicht in seiner Verantwortung liege.
AG München zu Kunstdiebstahl: Das Amtsgericht München hat einen 30-jährigen Mann wegen des illegalen Inverkehrbringens von Kulturgut zu einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Der Verurteilte hatte, wie LTO berichtet, in einem Museum, in dem er arbeitete, mehrere Gemälde entwendet und anschließend versteigert oder direkt verkauft.
CAS – Doping/Kamila Walijewa: Am Internationalen Sportgerichtshof in Lausanne (CAS) wird der Dopingfall von Kamila Walijewa bei Eiskunstlaufwettbewerben der Olympischen Winterspiele 2022 verhandelt. Im Mittelpunkt des Verfahrens steht laut Bericht der SZ (Barbara Klimke) ein Freispruch der Sportlerin von Doping-Vorwürfen durch die russische Anti-Doping-Agentur, gegen den die Welt-Antidoping-Agentur und der Eiskunstlauf-Weltverband Einspruch erhoben haben.
Recht in der Welt
Spanien – Umweltzonen: Die FAZ (Hans-Christian Rößler) berichtet über ein Urteil des Verwaltungsgerichts in Barcelona, das die Verwaltung der Stadt dazu verpflichtet, über die letzten Jahre geschaffene Umweltzonen wieder in Autostraßen rückzubauen. Insbesondere Geschäftsleute hatten wegen mangelnder Kommunikation bei der Einrichtung der Umweltzonen geklagt.
Türkei – Pogrom von Sivas: Das Verfahren gegen die letzten drei von ursprünglich 124 Angeklagten, die 1993 bei einem Pogrom gegen ein alevitisches Kulturfestival in Sivas 39 Menschen getötet haben sollen, sind laut Bericht der taz (Wolf Wittenfeld) von der türkischen Justiz wegen Verjährung eingestellt worden. Die drei Männer sollen sich in Deutschland aufhalten, aber nicht greifbar sein. Zeitweilig hielten sich mindestens 27 der Angeklagten in Deutschland auf, Auslieferungen fanden jedoch nur vereinzelt statt.
Österreich – Signa: Vor dem Landgericht Sankt Pölten haben die Gläubiger der zahlungsunfähigen Möbelkette Kika/Leiner einem Sanierungsplan zugestimmt, der das Immobilienunternehmen Signa von Investor René Benko als ehemalige Gesellschafterin zu einer Zahlung von 20 Mio. Euro verpflichtet. Die FAZ berichtet.
Juristische Ausbildung
Examensstatistik: Im Zweiten Staatsexamen ist die Durchfallquote leicht gestiegen, es gab jedoch auch mehr Prädikatsexamina und Baden-Württemberg hat erneut die niedrigste Durchfallquote. LTO Karriere stellt die jüngsten Zahlen des Bundesamtes für Justiz zur Zweiten juristischen Staatsprüfung vor.
Sonstiges
Behindertenrechte: Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Vanessa Bliecke kritisiert auf dem Verfassungsblog (in englischer Sprache), dass Deutschland die Ziele der Behindertenrechtskonvention zur inklusiven Bildung verfehle und dabei auch gegen das Grundgesetz verstoße.
Fusionskontrolle: Nach Bericht von FAZ und LTO hat die EU-Kommission den geplanten Zusammenschluss der beiden Online-Reiseportale Booking Holdings und Flugo Group Holdings (Etraveli) nicht genehmigt. Grund hierfür sei eine erwartete Stärkung der marktbeherrschenden Stellung von booking.com und daraus resultierende negative Folgen für Verbraucher:innen.
Internetauftritte von Politiker:innen: Die FAZ (Stephan Klenner) stellt die Dissertation von Rechtsreferendar Nicolas Harding vor: "Staatliche Öffentlichkeitsarbeit in sozialen Medien". Harding kritisiert das Fehlen von Regelungen über Internetauftritte von Politiker:innen und entwickelt eigene Grundsätze.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/lkh/chr
(Hinweis für Journalist:innen)
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Die juristische Presseschau vom 26. September 2023: . In: Legal Tribune Online, 26.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52782 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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