Der Bundesrechnungshof kritisiert die geplante Ausweitung des Sondervermögens. Das LG Frankfurt/M. schützt Anwälte, die Oligarchen vertreten. Das OLG München beanstandete Ausschüttungen der VG Wort an Herausgeber.
Thema des Tages
Sondervermögen Bundeswehr: Der Bundesrechnungshof kritisiert in einem vertraulichen Sonderbericht die geplante Ausweitung des für die Bundeswehr vorgesehenen Sondervermögens. Dieses soll nach einer von der Bundesregierung im Haushaltsfinanzierungsgesetz geplanten Änderung nicht mehr nur für Großbeschaffungen der Bundeswehr verwendet werden, sondern auch für Ausgaben für Forschung, Munition, Infrastruktur und Informationstechnologie. Die Prüfer fordern eine klare Abgrenzung des regulären Etats des Bundesverteidigungsministeriums zum Sondervermögen. Eine "Mischfinanzierung" wäre rechtlich unzulässig, da sie "dem vom Verfassungsgesetzgeber mit dem Sondervermögen verfolgten Zweck" zuwiderlaufe. spiegel.de (Marina Kormbaki/Matthias Gebauer) berichtet.
Rechtspolitik
Lieferketten und Menschenrechte: Die Karlheinz-Böhm-Stiftung, die Kaffeebauern in Äthiopien unterstützt, warnt vor negativen Folgen der geplanten EU-Lieferketten-Richtlinie für Kleinbauern, da diese die nötigen Nachweise für eine Rückverfolgung der Lieferketten nicht erbringen könnten. Es sei zu besorgen, dass hiesige Unternehmen nur noch mit Großunternehmen in den Erzeugerländern zusammenarbeiten und sich sogar ganz aus Ländern wie Äthiopien zurückziehen. Die FAZ (Hendrik Kafsack) berichtet.
Polizeibeauftragte: Im Vorfeld des geplanten Gesetzes über einen unabhängigen Polizeibeauftragten auf Bundesebene spricht Rechtsprofessor und Polizeiforscher Hartmut Aden im Interview mit der taz (Christian Rath) über die derzeitige Situation der Polizeibeauftragten in den Ländern. Derzeit hätten viele Landespolizeibeauftragte zu wenig Befugnisse und müssten mit ihren Ermittlungen erst bis zum Abschluss der straf- und disziplinar-rechtlichen Ermittlungen warten.
Heizungsgesetz: Im Hinblick auf die für Freitag geplante Verabschiedung des Gebäudeenergiegesetzes berichtet LTO über die Debatte um die Notwendigkeit erneuter Ausschussberatung. Der CDU-Abgeordnete Thomas Heilmann hatte erneut verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Zustandekommen des Gesetzes geäußert, da die Ampel-Koalition das Gesetz ohne weitere Ausschussberatung beschließen möchte.
Justiz
LG Frankfurt/M. zu Kanzleien und russische Mandate: Die Durchsuchung einer Frankfurter Anwaltskanzlei, die für den russischen Oligarchen Alischer Usmanow arbeitet, war rechtswidrig. Das entschied das Landgericht Frankfurt/M. in einem der FAZ (Alexander Haneke) vorliegenden Beschluss bereits Anfang August. Die für die Überwachung der Sanktionen zuständige Bundesbank hatte den Anwälten schon im Dezember mitgeteilt, dass die Annahme von Honoraren Usmanows nicht zu beanstanden sei. Dennoch erwirkte die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft einen Durchsuchungsbeschluss, der im Februar vollstreckt wurde. Das Landgericht Frankfurt entschied nun, dass anwaltliche Leistungen schon dem Wortlaut nach nicht unter die Sanktionsvorschriften fallen.
In einer ergänzenden Seite 3-Reportage gibt die FAZ (Alexander Haneke) einen Überblick über die Ermittlungen der deutschen Justiz gegen Usmanow wegen Geldwäsche und zur Umsetzung von EU-Sanktionen. Eine Durchsuchung von Usmanows Villa am Tegernsee hatte das LG Frankfurt/M. schon im Mai beanstandet, weil sie sich vor allem auf unüberprüfbaren Informationen aus einem Video des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny stützte. Beim EuGH klagt Usmanow gegen seine Aufnahme auf die EU-Sanktionsliste.
OLG München zu VG Wort: Das Oberlandesgericht München hat Ende Juli in einem jetzt veröffentlichten Urteil entschieden, dass die Verwertungsgesellschaft (VG) Wort über 20 Mio. Euro an Herausgeber von Sammelwerken ohne wirksame Rechtsgrundlage ausgeschüttet hat. Wie die SZ (Wolfgang Janisch) berichtet, sah das Gericht die Anforderungen, die die VG Wort an den Status als Herausgeber stellte als zu gering an. Ebenfalls beanstandete der Senat, dass die Gesellschaft urheberrechtliche Erlöse an einen Förderverein überwies, der nicht sicherstellte, dass die Gelder nur an berechtigte Urheber weitergegeben wurden.
BFH zu Doppelbesteuerung: Der Bundesfinanzhof hat den Begriff der Betriebsstätte bei Dienstleistungen vor dem Hintergrund des Doppelbesteuerungsabkommens mit Großbritannien konkretisiert. Der betreffende Steuerpflichtige war für eine britische Limited tätig, übte einen Teil seiner Tätigkeit jedoch in Deutschland aus. Durch die Nutzungsmöglichkeit der örtlichen Räumlichkeiten einer GmbH sowie eines Spinds und eines Schließfaches nahm das Gericht eine Betriebsstätte in Deutschland an, die die Besteuerung rechtfertige. Das HBl (Christian Pelke) berichtet.
BAG zu Yogazentrum: In einer Seite 3-Reportage überprüft die SZ (Lennart Glaser/Lena Kampf u.a.), was aus dem BAG-Urteil von Ende April zur Arbeit in einem Yogazentrum wurde. Das BAG hatte die Arbeit einer Volljuristin in der Veranstaltungs-Organisation als angestellte Arbeit eingestuft und die Nachzahlung des Mindestlohns angeordnet. Der Verein Yoga Vidya, der in Deutschland rund 80 Yogazentren und vier Ashrams unterhält, versuche nun das Urteil zu unterlaufen, indem er sich deutlicher als bisher als Religionsgemeinschaft definiert. Die Beschäftigten könnten dann wie die Angehörigen eines Klosters behandelt werden, die auch nicht als Arbeitnehmer:innen gelten.
OVG Berlin-BB zu Wahlergebnissen im RBB: Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass der Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB) die Tierschutzpartei im Recht auf Chancengleichheit verletzt hat, indem der Sender die Partei am Wahlabend zur Landtagswahl in Brandenburg bei einem Ergebnis von 2,6 % nicht namentlich erwähnte. Nach Bericht der FAZ begründeten die Richter die Entscheidung mit dem "nicht unbeachtlichen" Wahlergebnis der Partei aus dem sich ein berechtigtes Interesse an der Nennung ergebe.
LG Hamburg zu Till Lindemann: Die Kanzlei Schertz Bergmann, die Till Lindemann im medienrechtlichen Verfahren gegen den Spiegel mandatiert hat, darf nicht per Pressemitteilung verbreiten, dass dem Spiegel zwei unwahre Tatsachenbehauptungen verboten worden sind. Dies entschied das Landgericht Hamburg auf sofortige Beschwerde des Nachrichtenmagazins. Eine Pressemitteilung der Kanzlei bezog sich auf eine Entscheidung der Kammer, in der dem Spiegel tatsächlich Aussagen verboten wurden, allerdings weil sie unzulässige Verdachtsberichterstattung darstellten. Es berichtet LTO (Max Kolter).
LG Köln – Kölner Karnevalsmord: Vor dem Landgericht Köln beginnt der Prozess gegen den heute 56-Jährigen Norbert K. wegen Mordes aus Habgier und niederen Beweggründen. K. wird vorgeworfen, dass er 1988 eine 24-jährige Frau getötet hat, um an ihre Wertsachen (u.a. 100 DM) zu kommen. Der Kölner Karnevalsmord gilt als der bekannteste Cold Case der Kölner Polizei. Auf die Spur K.s kam die Polizei über einen Aufruf bei Aktenzeichen XY. Ein DNA-Abgleich bestätigte den Verdacht. Die FAZ (Reiner Burger) berichtet.
LG Rostock – Günther Krause: Ex-Verkehrsminister Günther Krause (CDU) muss sich erneut vor Gericht verantworten, diesmal wegen Betrugs und Bankrotts. Wie spiegel.de berichtet, soll Krause seinem Insolvenzverwalter einen Vermögenszufluss in Höhe von 372.440,29 Euro (u.a. Fernseh-Honorare für seine Teilnahme am RTL-Dschungelcamp) verschwiegen haben. Auch soll er sich von einer Frau 10.000 Euro unter Vortäuschung von Zahlungswilligkeit und -fähigkeit geliehen haben.
LG Zwickau – Mord an Ex-Frau: Vor dem Landgericht Zwickau ist ein Mann wegen Heimtückemordes aus niederen Beweggründen an seiner getrennt lebenden Ehefrau angeklagt. Wie die Welt berichtet, habe der Angeklagte die Trennung nicht akzeptieren und seine Ehefrau bestrafen wollen.
AG München zu Doppelzimmern: In einem Rechtsstreit zwischen einer Reisenden und einem Hotel hat das Amtsgericht München entschieden, dass der Begriff "Doppelzimmer" auch ein Zimmer für mehr als zwei Personen meinen kann. Das Gericht wies die Klage der Frau ab, die die Auffassung vertrat, sie habe vier Doppelzimmer für acht Personen gebucht, während das Hotel nur zwei Zimmer für je vier Personen zur Verfügung gestellt hatte. Seine Auslegung begründete das Gericht mit dem Preis, der für vier Zimmer zu niedrig gewesen wäre. LTO berichtet.
ArbG Berlin zu Ex-RBB-Verwaltungsdirektor: Das Arbeitsgericht Berlin hat entschieden, dass die Kündigung des ehemaligen RBB-Verwaltungsdirektors Hagen Brandstäter wirksam war. Sein Dienstvertrag von 2018 sei sittenwidrig und damit nichtig gewesen, weil beim vereinbarten Ruhegeld ein "grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung" bestanden habe. Es berichtet die FAZ.
Fluggastklagen: Wie nun auch LTO berichtet, gab es in diesem Jahr mit 70.000 neuen Entschädigungsklagen gegen Fluggesellschaften bereits so viele neue Fälle wie im vergangenen Jahr insgesamt. Aufgrund der Vielzahl der Verfahren fordert der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn, eine Entlastung der Justiz durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI).
Recht in der Welt
Guatemala – Wahlen: Wie die taz (Knut Henkel) berichtet, hat das oberste Wahlgericht in Guatemala die Suspendierung des Movimiento Semilla, der Anti-Korruptions-Partei des designierten Präsidenten Bernardo Arévalo, vorläufig aufgehoben. Die Aufhebung gilt allerdings nur bis zur Bekanntgabe des offiziellen Wahlergebnisses am 31. Oktober. Im Falle einer Suspendierung dürfen die gewählten Abgeordneten keine Fraktion bilden und nicht an Ausschüssen und Kommissionen teilnehmen. Arévalo spricht weiterhin von einem "juristischen Staatsstreich".
Belgien – Haftort für islamistischen Terroristen: Am Brüsseler Straftribunal wehrt sich der islamistische Terrorist Salah Abdeslam, der an Terroranschlägen in Frankreich und Belgien beteiligt war, gegen seine Rücküberstellung nach Frankreich. Zuletzt stand er in Belgien wegen der Anschläge vom 16. März 2016 vor Gericht. Er ist französischer Staatsbürger, war aber in Belgien aufgewachsen. Auch in Frankreich wurde er verurteilt. Die FAZ (Thomas Gutschker) berichtet.
Juristische Ausbildung
Auslandssemester: Wie man während des Jurastudiums auch ohne einen Platz im Erasmus-Programm ein Semester im Ausland verbringen kann, beleuchtet die Jurastudentin Laetitia Breitenbach bei FAZ-Einspruch. Die Autorin beschäftigt sich insbesondere mit Fragen nach dem richtigen Zeitpunkt, der passenden Universität, Stipendien und der Wohnungssuche.
Sonstiges
Klimaproteste: Reinhard Müller (FAZ) kritisiert nach den Klimaprotesten im Rahmen der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) die Rechtsbrüche der Klimaaktivist:innen. Der Autor schreibt von einer "Verhöhnung der Verfassung". 'Ziviler Ungehorsam' sei "ein pseudo-philosophischer Wohlfühlbegriff – ein gefährlicher Glückskeks". Damit könne man jede demokratische Regelung aushebeln, die einem nicht passt.
Wiederholungstäter: Wie LTO meldet, hat das Statistische Landesamt Thüringen Zahlen veröffentlicht, nach denen über die Hälfte (56,4 %) der in Thüringen verurteilten Erwachsenen vorbestraft sind. Im Jugendstrafrecht ist der Anteil der vorbestraften Verurteilten niedriger (47 %).
Prokrastinieren: LTO-Karriere (Franziska Kring) interviewt Anna von Troschke, Rechtsanwältin und Business-Coach, zum Thema Prokrastination im Jurastudium und in juristischen Berufen. Das Phänomen führe zu einem Zeitverlust, könne im schlimmsten Fall aber auch den Job kosten und zu Depressionen führen. Wichtig sei es, an sich zu arbeiten, gegebenenfalls mit der Hilfe von Coaches oder Therapeuten.
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LTO/lkh/chr
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Die juristische Presseschau vom 5. September 2023: . In: Legal Tribune Online, 05.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52633 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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