Die Plädoyers der Nebenklage im NSU-Prozess beginnen. Außerdem in der Presseschau: Neue Ermittlungen im VW-Skandal, Anklage von KZ-Wachmännern, keine Umbenennung des Palandt und ein Albinoelch, der weiterleben darf.
Thema des Tages
OLG München – NSU: Im Münchener NSU-Prozess haben die Nebenklagevertreter nun doch mit ihren Plädoyers begonnen. Die SZ (Annette Ramelsberger/Wiebke Ramm), die FAZ (Karin Truscheit), die taz (Konrad Litschko), zeit.de (Tom Sundermann) und spiegel.de (Julia Jüttner) fassen die Inhalte zusammen. Die Anwälte prangerten an erster Stelle die fehlerhaften Ermittlungen und ihre Verengung auf das Terror-Trio rund um Beate Zschäpe an. Edith Lunnebach stellte noch einmal heraus, dass der Anschlag in der Probsteigasse in Köln auf das Geschäft ihrer Mandanten nur durch einen Ortskundigen hätte vorbereitet werden können, auch sei nicht geklärt, wer die Bombe abgelegt habe. Auch Mehmet Daimagüler, der die Familien der zwei Opfer aus Nürnberg vertritt, griff die Theorie des Terror-Trios scharf an.
Rechtspolitik
Verfassungsschutzgesetz: Der Wissenschaftliche Mitarbeiter Maximilian Banzhaf erörtert auf juwiss.de die unzureichende Regelung des Aufgabenreichs im Bundesverfassungsschutzgesetz. Das Gesetz regelt zwar den Auftrag des Bundesamtes für Verfassungsschutz zur Informationssammlung, bestimmt jedoch nicht den Zweck. Auch lässt sich die Befugnisnorm zur Informationsübermittlung an die Polizei, die als Zweck die Verhinderung von Staatsschutzdelikten anführt, nicht als Aufgabennorm interpretieren.
Vorratsdatenspeicherung: Christian Rath (taz) kommentiert die Jamaika-Verhandlungen über die Regelung der Vorratsdatenspeicherung. Da sie wegen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs juristisch ohnehin ein „totes Pferd“ sei, sollten die Grünen und die FDP nicht deren Beseitigung aushandeln, sondern die Nachfolgeregelung der CDU teuer zu stehen kommen lassen.
Online-Glücksspiel: Die Rechtsanwälte Wulf Hambach und Bernd Berberich besprechen auf lto.de die Neuregelung des Online-Glückspiels. Schleswig-Holstein habe bereits die Zustimmung zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages verweigert, weil das Land nicht mehr am Totalverbot des Online-Glückspiels festhalten will. Die Autoren befürworten ebenfalls die Einführung von Lizenzen, weil sich das Glücksspiel so effektiver kontrollieren ließe.
Justiz
EGMR zu Polizeigewalt: Nun untersucht Johannes von Luckner, Researcher am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz, auf verfassungsblog.de das gegen Deutschland ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wegen mangelhafter Aufklärung von Polizeigewalt gegen Fußballfans. Das Gericht habe den Verstoß gegen das Folterverbot bejaht, weil sich neben fehlender Identifikationsmöglichkeiten der Polizeibeamten weitere Ermittlungsfehler feststellen ließen. Die fehlende Kennzeichnungspflicht sei grundsätzlich geeignet, die Effektivität der Ermittlungen zu behindern.
BGH – Rückgabe von Matratzen: Der Bundesgerichtshof hat dem Europäischen Gerichtshof Fragen zum neuen Widerrufsrecht zur Vorabentscheidung vorgelegt. Es geht darum, ob die Ausnahmeregelung vom Widerrufsrecht für Hygieneartikel auch greift, wenn die Schutzfolie von einer gelieferten Matratze entfernt worden ist. Hierzu berichten der Tsp (Ursula Knapp) und lto.de (Marcel Schneider).
BVerwG - Rechtsextremer Polizist: Am heutigen Donnerstag verhandelt das Bundesverwaltungsgericht über die Entlassung eines Polizeibeamten, der als Rechtsextremist aufgefallen war. Unter anderem zeigte er den Hitlergruß, trug rechtsextremistische Tattoos und besaß Hitler-Devotionalien. Die SZ (Wolfgang Janisch) stellt fest, dass die Rechtsprechung infolge der Berufsverbotsverfahren einen weniger strengen Maßstab an die Gesinnungsprüfung stelle, der vorliegende Fall die Grenze aber weit überschritten habe.
LG Lüneburg – Mordprozess: Die SZ (Hans Holzhaider) berichtet von einem Mordprozess gegen einen Zeitungsträger aus Lüneburg. Der Mann soll auf das Opfer eingestochen haben, nachdem es zu einer Auseinandersetzung über die Regelmäßigkeit der Zeitungszustellung gekommen war.
StA Braunschweig – VW: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt im VW-Skandal nun wegen Untreueverdachts, weil der VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh ein zu hohes Gehalt erhalten haben könnte. Das Grundgehalt betrage 200.000 Euro, was Osterloh bereits früher in den Medien offengelegt habe. Der von ihm ausgeschlagene Posten als Personalchef sei wesentlich höher dotiert gewesen. Deshalb geht er und das Unternehmen von der Rechtmäßigkeit der Zahlungen aus, was von Rechtsprofessor Gregor Thüsing in einem Gutachten bestätigt worden sein soll, berichten die SZ (Klaus Ott), das Hbl (Jan Keuchel u.a.), die FAZ (Carsten Germis/Dietrich Creutzburg) und spiegel.de (Kristina Gnirke).
Heribert Prantl (SZ) kritisiert, dass sich die Staatsanwaltschaft in Nebensächlichkeiten verzettele, die Ermittlungen seien "strafrechtlich albern".
BVerwG – Elbvertiefung: Wie die SZ (Peter Burghardt) darstellt, verhandelt das Bundesverwaltungsgericht in dieser Woche sowie Mitte Dezember über weitere Klagen gegen die geplante Elbvertiefung. Die privaten und kommunalen Kläger wollen die Umweltfolgen erneut mit modernen Methoden überprüfen lassen, da sich der Rechtsstreit nun über zehn Jahre ziehe und Gutachten veraltet seien.
StA Dortmund – KZ-Wachmänner: Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat zwei ehemalige SS-Wachmänner des Konzentrationslagers Stutthof angeklagt. Ihnen wird Beihilfe zum Mord in mehreren hundert Fällen vorgeworfen, wie die taz (Klaus Hillenbrand) berichtet. Die Gefangenen im KZ starben wegen extrem schlechter Lebensbedingungen oder wurden in Gaskammern ermordet.
Recht in der Welt
EGMR zu Türkei: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Türkei wegen der Inhaftierung eines Studenten verurteilt, dem die Mitgliedschaft in der verbotenen Partei PKK vorgeworfen wurde. Da die Verurteilung jedoch nur auf seine Anwesenheit bei einer Beerdigung von ehemaligen Mitgliedern und bei zwei Demonstrationen gestützt wurde, hat der EGMR einen Verstoß gegen die Versammlungsfreiheit festgestellt, meldet lto.de.
EGMR – Luxleaks: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte soll über den Luxleak-Fall entscheiden. Jean-Philippe Foegle, research assistant in the University of Paris Nanterre, erklärt auf verfassungsblog.de auf Englisch, dass der EGMR damit die Möglichkeit erhält, die eigene Rechtsprechung zu korrigieren und Whistleblower stärker zu schützen.
Polen – Justiz: Die SZ (Florian Hassel) stellt die umstrittenen Justizreformen aus Polen vor. Durch die Reform der Wahlen zum Justizrat, der für die Richterauswahl zuständig ist, wolle sich die Regierungspartei PiS die Kontrolle über die Justiz sichern. Ein anderes Gesetz ermöglicht dem Justizminister, die Gerichtspräsidenten im Land zu entlassen. Wie die taz (Eric Bonse) berichtet, will das Europäische Parlament ein Rechtsstaatsverfahren gegen Polen einleiten.
Sonstiges
Umbenennung des Palandt: Der Palandt soll trotz der Diskussion um die nationalsozialistische Vergangenheit seines Namensgebers weiterhin unter demselben Namen erscheinen, meldet lto.de. Das habe der Beck Verlag mitgeteilt. Der Kommentar soll nun einen "deutlichen Hinweis zur Person und seiner Verwicklung in das NS-Unrechtssystem" enthalten.
"Aus dem Nichts": Fatih Akins Film, der die Geschichte des NSU aus der Perspektive der Opfer verarbeitet, kommt nächste Woche in die Kinos. Die SZ (David Steinitz) führt ein Interview mit dem Regisseur, der zur Erstellung des Drehbuchs den Prozess besuchte und mehrere Tausend Seiten Protokoll auswertete.
Das Letzte zum Schluss
Albinoelch darf leben: Ein schneeweißer Elch sollte in Schweden zur Jagd freigegeben werden, weil er mehrere Fußgänger angegriffen hatte. Nachdem eine Tierschutzorganisation über 50.000 Unterschriften zu seiner Rettung gesammelt hatte, entschied die Polizei, dass der Albinoelch weiterleben darf. In der Woche zuvor seien keine Angriffe mehr verzeichnet worden, meldet spiegel.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 16. November 2017: Plädoyers im NSU-Prozess / VW-Ermittlungen / Anklage gegen SS-Wachmänner . In: Legal Tribune Online, 16.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25553/ (abgerufen am: 04.07.2024 )
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