Nach jahrelangem Rechtsstreit einigen sich Gema und Youtube auf einen Lizenzvertrag. Außerdem in der Presseschau: Mutterschutz am LG Dortmund aus Sicht des BGH und der Cyberwar in den Augen des Völkerrechts.
Thema des Tages
Einigung zwischen Gema und Youtube: Nach jahrelangem Streit haben sich die Verwertungsgesellschaft Gema und der zu Google gehörende Internetdienstleister Youtube auf einen Lizenzvertrag geeinigt. Über die Details wurde Stillschweigen vereinbart. Zuletzt war die Gema mit einer Schadensersatzklage vor dem Oberlandesgericht München gescheitert. Die Streitparteien halten zwar an ihren gegenteiligen Rechtsauffassungen fest, wollen jedoch alle anhängigen Verfahren ad acta legen. Die SZ (Jens-Christian Rabe) und das Hbl (Ina Karabasz u.a.) berichten.
Laut Michael Hanfeld (FAZ) geht von der Einigung ein Signal aus, "dass schöpferisches und geistiges Eigentum auch im Internet etwas wert und nicht Allgemeingut ist". Dass die Gema auf freiwillige Zahlungen angewiesen sei, zeige jedoch, dass für den Gesetzgeber etwas zu tun bleibe. Leonhard Dobusch (netzpolitik.org) bedauert, dass es nach der Einigung kein höchstrichterliches Urteil in der Auseinandersetzung geben werde. Das schade der Rechtssicherheit: "Transparente Vergütungsstrukturen sehen anders aus."
Die Welt (Benedikt Fuest) lässt den Medienrechtler Christian Solmecke zu Wort kommen, der auf offene Fragen hinweist, u.a. wie mit Remixen, Zusammenschnitten oder Coverversionen umgegangen wird.
Rechtspolitik
Urheberrechtsreform: Verlage kritisieren die geplante Einführung einer allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke im Urheberrecht. Das Bildungsministerium hatte eine Studie in Auftrag gegeben, die zu dem Ergebnis kam, dass den Verlagen durch die Änderung kein wirtschaftlicher Schaden entstehe. Zahlreiche Verlage bestreiten das in einem an Bildungsministerin Wanka adressierten Brief, der der FAZ (Adrian Lobe) vorliegt. Sie kritisieren auch, dass durch die vorgesehene Verkürzung der Vertragslaufzeit die Gemeinschaft von Verlagen und Autoren zerstört werde.
Presseprivilegien für Hobbyblogger: Christian Rath (taz) befürwortet die Ausweitung von Presseprivilegien auf Hobby-Blogger, wie sie in einem Antrag der Grünen vorgeschlagen wird. Schon jetzt seien viele Rechte nicht hauptberuflichen Journalisten vorbehalten. Um in den Genuss der strafprozessualen Privilegien zu kommen, müsse man jedoch zumindest nebenberuflich Journalist sein. Dabei spreche viel dafür, auch Hobbyblogger zu schützen.
Kinderehen: Gudula Geuther (deutschlandfunk.de) meint, dass es sich die Unionspolitiker, die eine pauschale Annullierung von Kinderehen fordern, zu einfach machten. Denn dadurch gäbe man manchen Frauen, die zum Beispiel eine Verbindung zum Ehepartner aufgebaut haben, "Steine statt Brot".
Sammelklagen: Im Leitartikel plädiert Philipp Vetter (Welt) für die Einführung von Sammelklagen in Deutschland. Das Verbraucherschutzrecht müsse amerikanischer werden.
Apothekenmarkt: Gesundheitsminister Gröhe will nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshof zu ausländischen Versandapotheken den Versandhandel mit Arzneien beschränken. Die FAZ (Andreas Mihm u.a.) zeigt, wie der Arzneimittelmarkt im europäischen Ausland reguliert ist.
Justiz
BGH – Gericht missachtete Mutterschutz: Der Bundesgerichtshof verhandelt am heutigen Mittwoch die Frage, ob das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt ist, wenn das Gericht nicht den gesetzlich vorgesehenen Mutterschutz einer Richterin beachtet. Das Landgericht Dortmund verurteilte mehrere Angeklagte, nachdem eine Richterin während der Hauptverhandlung ein Kind zur Welt brachte. Das genaue Datum ist zwar unbekannt, jedoch beträgt der Mutterschutz nach der Geburt acht Wochen und zwischen zwei Verhandlungstagen dürfen nicht mehr als vier Wochen liegen. Wie sich dieser Gesetzesverstoß auf die Rechte des Angeklagten auswirkt, hat jetzt der BGH zu entscheiden, so die FAZ (Helene Bubrowski).
OLG Brandenburg zu Liebesbeziehung einer Jugendlichen: Das Oberlandesgericht Brandenburg hat entschieden, dass die Aufrechterhaltung einer Liebesbeziehung einer 15-Jährigen mit einem 30 Jahre älteren Mann dem Kindeswohl entspricht. Die Eltern wollten ein Kontakt- und Näherungsverbot erreichen, scheiterten damit jedoch. Die Jugendliche habe ihren Willen klar geäußert und sei reif genug, urteilten die Richter nach einer Meldung von spiegel.de.
LG Frankfurt – S&K-Prozess: Im Betrugsprozess gegen die Gründer der Immobiliengruppe S&K sowie vier weitere Männer ist das Verfahren gegen einen Angeklagten abgetrennt worden. Der ehemalige Geschäftsführer des Hamburger Fondshauses United Investors sei temporär verhandlungsunfähig, erklärte ein Gerichtssprecher gegenüber der FAZ (Marcus Jung).
LG Hamburg – Medikamentenhandel: Die SZ (Peter Burghardt) berichtet vom Prozessauftakt gegen neun Männer, denen Markenrechtsverletzungen, Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz und gewerbsmäßiger, bandenmäßiger Betrug vorgeworfen werden. Laut Anklage sollen sie Medikamente aus der Europäischen Union ausgeführt haben, um sie später wieder einzuführen und mit gefälschten Etiketten zu verkaufen. Da außerhalb der Union keine Preisbindung existiert, konnten die Angeklagten so erhebliche Gewinne erzielen.
VerfGH Baden-Württemberg – Landeshochschulgesetz: Der baden-württembergische Verfassungsgerichtshof befasst sich mit Verfassungsbeschwerden mehrerer Professoren gegen das Landeshochschulgesetz Baden-Württemberg. Diese sehen in der schwachen Stellung der Senate an den baden-württembergischen Hochschulen eine Verletzung ihrer Wissenschaftsfreiheit. Hintergrund ist die Ausrichtung am Leitbild der "unternehmerischen Hochschule" aus dem Jahr 2005, die unter der Grünen-Wissenschaftsministerin Theresia Bauer nicht vollständig rückgängig gemacht wurden. Die FAZ (Rüdiger Soldt) erläutert die Argumente von Beschwerdeführern und Landesregierung.
Recht in der Welt
Schweiz – Autoelektronik als Beweismittel: Philipp Müller, der frühere Vorsitzende der schweizerischen FDP, ist von der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau für schuldig befunden worden, beim Autofahren in einen Sekundenschlaf gefallen zu sein und so einen Unfall mit einer 17 Jahre alten Rollerfahrerin verursacht zu haben. Dabei wurden die Aufzeichnungen der im Wagen angebrachten Dash-Cam berücksichtigt, die belegen, dass Müller vorher vom Bordcomputer auf seine Müdigkeit hingewiesen wurde. Laut SZ (Charlotte Theile) werden Aufzeichnungen durch die Autoelektronik in Zukunft immer häufiger die Gerichte beschäftigen, auch wenn es um den Fahrer selbst geht. Die Anschaffung von Überwachungstechnik müsse daher gut überlegt sein, wird ein Rechtsanwalt zitiert.
Großbritannien – Vertragsrecht nach dem Brexit: Der Rechtsanwalt Alexander Niethammer untersucht auf lto.de, welche Auswirkungen der Brexit auf bestehende Verträge mit britischen Unternehmen haben kann. Wenn es keine ausdrückliche Regelung im Vertrag gebe und auch eine ergänzende Vertragsauslegung nicht weiterhilft, käme eine Anwendung der Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht. Wann in Umbruchsituationen von einer Störung der Geschäftsgrundlage auszugehen ist, sei eine Frage des Einzelfalls. Beispiele finden sich in der Rechtsprechung zu den Folgen der deutschen Wiedervereinigung.
Nigeria – Bekenntnis zum IStGH: Nachdem mehrere afrikanische Staaten den Austritt aus dem Rom-Statut zum Internationalen Strafgerichtshof angekündigt haben, hat Nigeria sich zu dem Weltgericht bekannt. Das meldet die taz (Dominic Johnson).
Sonstiges
Cyberwar: Im Gespräch mit der SZ (Andreas Zielcke) erläutert der Völkerrechtler Robin Geiß die Herausforderungen, die sich aus der Kriegsführung im Cyberraum für das Völkerrecht ergeben. Eine Cyberattacke sei in der Regel kein militärischer Angriff und löse daher nicht das Selbstverteidigungsrecht aus. Unklarheiten, Zurechnungsprobleme und Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von zivilen und militärischen Zielen machten neue Regeln erforderlich. Ein Abkommen brauche jedoch Zeit.
Pflichten des VW-Aufsichtsrats: Der emeritierte Rechtsprofessor Marcus Lutter befasst sich in der FAZ mit der Aufarbeitung des VW-Abgasskandals im VW-Konzern. Nach seiner Ansicht ist der VW-Aufsichtsrat verpflichtet, Klagen gegen die Vorstandsmitglieder zu prüfen. Der Vorstand habe offenbar nicht in ausreichendem Maße Aufsicht über die Mitarbeiter des Konzerns geführt. Wenn der Aufsichtsrat nichts unternehme, mache er sich selbst schadensersatzpflichtig und verspiele Anlegervertrauen und Reputation.
Heilung im Umweltrecht: Der Rechtsanwalt Martin Dippel erläutert in der FAZ Heilungsvorschriften im Umweltrecht. Komplexe Planfeststellungsverfahren würden die Fehleranfälligkeit für Großprojekte erhöhen. Um diese dennoch zu retten, habe der Gesetzgeber Heilungsvorschriften geschaffen, die es ermöglichten, die erforderlichen Verfahren fehlerfrei nachzuholen. Daher bliebe das völlige Scheitern von Vorhaben bisher die Ausnahme.
Erbschaftsteuerreform: In einem Gastbeitrag für die FAZ erläutern die Rechtsanwälte Frank Hannes und Christian von Oertzen, wie nach der Erbschaftsteuerreform das sogenannte Erlassmodell bei Bedürftigkeit des Unternehmensnachfolgers bestmöglich genutzt werden kann.
Bankenaufseherin im Interview: Im Interview mit der SZ (Meike Schreiber/Markus Zydra) spricht die Juristin Sabine Lautenschläger über ihre Arbeit als Vizechefin der EZB-Bankenaufsicht, die Gefahr einer neuen Finanzkrise und die Ursachen und Folgen der niedrigen Zinsen.
Fischer zu Lücken und Emcke: In seiner Kolumne auf zeit.de befasst sich Bundesrichter Thomas Fischer dieses Mal unter anderem mit aus seiner Sicht konstruierten Strafbarkeitslücken und tatsächlich bestehenden Vollzugslücken sowie den Texten von Carolin Emcke, denen Fischer kein gutes Zeugnis ausstellt.
"Paragraphen und Prosecco": Tanja Podolski (lto.de) rezensiert den Roman "Paragraphen und Prosecco" der beiden Anwältinnen Janine Achilles und Katharina Mosel. Die Handlungen seien vorhersehbar, dem Schreibstil fehle "jeder Witz und Esprit" und die Darstellung greife "jedes noch so abgedroschene Vorurteil" auf.
Das Letzte zum Schluss
Gescheiterte Bewerbung: Eine 25-Jährige wollte sich bei der Polizei bewerben und fuhr nachts um 3.30 Uhr an der Wache in Göppingen vor. Die Beamten bemerkten eine Alkoholisierung und führten einen Alkoholtest durch. Den Führerschein ist die Frau los. Ob sie an der Bewerbung festhält, ist laut spiegel.de nicht bekannt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 2. November 2016: Einigung zwischen Gema und Youtube / Gericht missachtet Mutterschutz / Völkerrecht im Cyberwar . In: Legal Tribune Online, 02.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21026/ (abgerufen am: 04.07.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag