Die ARD zeigt am Montag Ferdinand von Schirachs "Terror" als TV-Drama. Außerdem in der Presseschau: Sammelklagen für Verbraucher sollen vorerst doch nicht eingeführt werden und eine DNA-Spur von Uwe Böhnhardt gibt Rätsel auf.
Thema des Tages
"Terror" im Ersten: Am Montagabend zeigt die ARD die Verfilmung von Ferdinand von Schirachs "Terror". In dem Drama steht ein Soldat vor Gericht, der ein von Terroristen entführtes Flugzeug abgeschossen hat. Am Ende soll das Publikum über den Vorgang urteilen. Die Montags-BadZ (Christian Rath) befasst sich mit dem Versuch, das Abschießen entführter Flugzeuge gesetzlich zu regeln, der am Bundesverfassungsgericht gescheitert ist. In einem strafrechtlichen Verfahren wäre ein Freispruch jedoch nicht ausgeschlossen, da ein "übergesetzlicher Notstand" angenommen werden kann.
Der Verfassungsrechtler Rupert Scholz plädiert im Focus für die legale Möglichkeit, entführte Flugzeuge abzuschießen, um ein "Höchstmaß an aktiv erreichbarem Lebensschutz" zu erreichen. Dem widerspricht die Schriftstellerin und Juristin Juli Zeh: "Kein Mensch auf Erden besitzt die Legitimation, zwischen wertvollerem und weniger wertvollem Leben zu unterscheiden."
Im Spiegel meldet sich auch Otto Schily zu Wort, der als damaliger Bundesinnenminister für den Gesetzentwurf zur "umittelbaren Einwirkung mit Waffengewalt" auf entführte Flugzeuge verantwortlich war. Im Ergebnis habe das Bundesverfassungsgericht richtig entschieden, den Abschuss nur zu erlauben, wenn keine Unschuldigen getroffen werden.
Rechtspolitik
Sammelklagen: Das von der Bundesregierung angekündigte Gesetz zur Einführung von Sammelklagen wird nach Informationen der Montags-SZ (Markus Balser u.a.) nicht mehr in dieser Legislaturperiode vorgelegt. Das gehe aus Unterlagen aus dem Justizministerium hervor. Dieses hatte nach Bekanntwerden des VW-Abgasskandals angekündigt, eine Möglichkeit für Sammelklagen, wie es sie bereits in den USA gibt, zu schaffen.
In einem gesonderten Kommentar kritisiert Klaus Ott (Montags-SZ) das Vorgehen des Justizministeriums: "Einfach zu schweigen und zu warten, dass sich das Thema hoffentlich von selbst erledigt, das ist einfach zu billig." In einem weiteren Beitrag trägt die Montags-SZ (Markus Balser u.a.) Reaktionen von Verbraucherschützern zusammen, die seit langem für Sammelklagen kämpfen.
Erbschaftsteuerreform: Der Bundesrat hat am Freitag die Reform der Erbschaftsteuer beschlossen. Die Samstags-FAZ (Hendrik Wieduwilt/Manfred Schäfers) stellt die Reaktionen aus Politik und Wirtschaft dar. Letztere zeigt sich zufrieden, befürchtet aber die Bürokratie. In einem gesonderten Beitrag beantwortet die Samstags-FAZ (Manfred Schäfers) die wichtigsten Fragen zur Neuregelung.
Länderfinanzausgleich: Bund und Länder haben sich über eine Reform des Länderfinanzausgleichs geeinigt. Die bisherigen Zahlungen von wenigen reichen "Geber-Ländern" an arme "Nehmer-Länder" entfallen. Ein Ausgleich soll nur noch über den Anteil an der Umsatzsteuer erfolgen. Insgesamt soll der Bund ab dem Jahr 2020 jährlich 9,5 Milliarden Euro, zum Teil zweckgebunden, bereitstellen. Bayern und Hessen wollen ihre beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Klagen zurückziehen. Die Samstags-SZ (Cerstin Gammelin) und die Samstags-Welt (Nikolaus Doll) erläutern den Kompromiss.
Manfred Schäfers (Samstags-FAZ) sieht durch die Neuregelung den Föderalismus in Gefahr: "Die im Grundgesetz vorgenommene Aufgabenverteilung interessiert offenbar keinen mehr." Joachim Käppner (Montags-SZ) bewertet die Reform ebenfalls als Schritt zu mehr Zentralgewalt, begrüßt diesen jedoch. Der bisherige Finanzausgleich sei der "Irrgarten des Föderalismus". Auch Gudula Geuther (deutschlandfunk.de) begrüßt die Einigung. Mehr Durchgriffsrechte des Bundes seien in einigen Bereichen sinnvoll.
Die Samstags-FAZ (Jasper von Altenbockum) analysiert den Verlauf der Verhandlungen und die verschiedenen Interessen von Bund und Ländern. Die Samstags-SZ (Markus Balser/Cerstin Gammelin) und spiegel.de (David Böcking) geben einen Überblick über die wichtigsten Absprachen zwischen Bund und Ländern.
Kooperationsverbot: Nach der Einigung zum Länderfinanzausgleich besteht Uneinigkeit über den Fortbestand des Kooperationsverbots im Bildungsbereich. Während der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Hubertus Heil erklärte, das Kooperationsverbot sei "Geschichte", und eine zügige Grundgesetzänderung forderte, drückte Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) auf die Bremse, wie die Montags-FAZ (Heike Schmoll) schreibt.
Kipping zu BVerfG: Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) kritisiert die Linkspartei-Vorsitzende Katja Kipping für einen Tweet, den diese nach der Verkündung des BVerfG-Beschlusses zu Ceta, abgesetzt hat. Darin warf die Politikerin dem Bundesverfassungsgericht vor, "Klassenjustiz" zu betreiben und sich zum "Handlanger von #GroKo & Großkonzernen" zu machen.
Informationstechnik in der Verwaltung: In einem Gastbeitrag für die Samstags-SZ warnt der Rechtswissenschaftler und ehemalige Datenschutzbeauftragte Hans Peter Bull davor, den Nutzen von Informationstechnik in der Verwaltung zu überschätzen: "Wenn es um die angemessene Anwendung von Rechtsbegriffen oder die Ausübung von Ermessen geht, nützt die automatisierte Datenverarbeitung wenig."
Nationalstaaten in Europa: Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier beschäftigt sich in der Montags-FAZ mit dem Verhältnis von Europäischer Union und Nationalstaaten. Angesichts zunehmender Skepsis gegenüber Europa hält er die permanente Vertiefung der Integration für verfehlt. Für einen europäischen Bundesstaat fehle es nicht nur an der Bereitschaft in der Bevölkerung, sondern auch an einer gesamteuropäischen Zivilgesellschaft und Medienöffentlichkeit. Stattdessen müsse anerkannt werden, dass auch in Zukunft Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in den Nationalstaaten verwirklicht werden.
Justiz
Suizid von Jaber Albakr: Nach der Selbsttötung des Terrorverdächtigen Jaber Albakr steht die sächsische Justiz massiv in der Kritik. Wie die Montags-FAZ meldet, hat der sächsische Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) am Wochenende erstmals Versäumnisse im sächsischen Justizvollzug eingeräumt. Der Leipziger Gefängnisdirektor Rolf Jacob weist hingegen im Interview mit Spiegel TV (Adrian-Basil Müller) alle Vorwürfe von sich. Auch Bundesjustizminister Heiko Maas wird kritisiert, weil die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe das Verfahren nicht früher übernommen habe, so bild.de.
Christian Bommarius (Samstags-BerlZ) sieht in den Geschehnissen ein "Total-Versagen der sächsischen Justiz" und sieht "unabweisbare Gründe für den Rücktritt des sächsischen Justizministers". Jost Müller-Neuhof (Sonntags-Tsp) weist auf die Schwierigkeiten hin, Suizide in Haft zu vermeiden, und bezeichnet die Debatte um Albakr, die um dessen Nutzen für die Ermittlungen kreist, als "entmenschlicht".
BVerfG zu G-10-Kommission: Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die G-10-Kommission, die die Nachrichtendienste kontrollieren soll, nicht parteifähig im Organstreitverfahren ist. Sie sei weder oberstes Bundesorgan noch eine andere durch das Grundgesetz oder die Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattete Beteiligte. Die Kommission hatte auf Herausgabe der Sektorenliste geklagt, mit der der BND für die NSA Daten erhoben hat. Weitere Klagen von den Fraktionen der Grünen und der Linkspartei sind anhängig und sollen bald entschieden werden, wie swr.de (Gigi Deppe) und netzpolitik.org (Anna Biselli) berichten.
BAG zu Einsicht in Personalakte: Die Rechtsanwältin Anja Mengel weist in der Samstags-FAZ auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts hin, das entschieden hat, dass Arbeitnehmer sich bei der Einsicht in die Personalakte nicht anwaltlich vertreten lassen dürfen. Das im Betriebsverfassungsrecht geregelte Recht auf Akteneinsicht sei höchstpersönlich.
BGH zu HSH-Nordbank: Corinna Budras (FAS) befasst sich mit der strafrechtlichen Aufarbeitung der Finanzkrise. Der Bundesgerichtshof hatte am vergangenen Donnerstag den Freispruch für sechs ehemalige Vorstandsmitglieder der HSH-Nordbank aufgehoben, denen vorgeworfen wird, sich mit hochriskanten Finanzgeschäften übernommen zu haben. Im Interview mit dem Spiegel (Gunther Latsch) bewertet der Rechtsanwalt Gerhard Strate das Urteil als Durchbruch. In dem neuen Verfahren werde es für die Verteidigung schwieriger, erneut einen Freispruch zu erreichen.
GStA Koblenz zu Böhmermann: Die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz hat die Beschwerde des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan gegen die Verfahrenseinstellung der Staatsanwaltschaft Mainz gegenüber den Satriker Jan Böhmermann abgewiesen. Erdoğan kann jetzt einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung durch das Oberlandesgericht Koblenz stellen. Die Samstags-Welt und lto.de berichten.
StA Düsseldorf – Germanwings-Katastrophe: Anwälte von Opfern der Germanwings-Katastrophe haben 14 neue Beweisanträge bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf gestellt. Sie fordern neue Ermittlungen wegen des Verdachts auf Nichtanzeige einer geplanten Straftat und fahrlässiger Tötung. Das berichtet der Spiegel (Gerald Traufetter).
StA Bayreuth/OLG München – Peggy und der NSU: Ermittler haben am Fundort der Leiche der 2001 verschollenen Peggy Knobloch DNA-Spuren von NSU-Mitglied Uwe Böhnhardt gefunden. Der Fund wirft die Frage auf, ob der NSU für weitere als die bisher bekannten Straftaten verantwortlich ist. Peggy Knobloch wurde 2001 im Alter von neun Jahren entführt. Zwei Jahre später wurde der geistig behinderte Ulvi K. wegen Mordes an dem Mädchen verurteilt. Das Urteil wurde jedoch 2014 aufgehoben, nachdem ein Belastungszeuge eingeräumt hatte, falsch ausgesagt zu haben. Jetzt laufen neue Ermittlungen. Auch andere ungeklärte Fälle von Kindesmissbrauch sollen neu untersucht werden. Die Samstags-SZ (Hans Holzhaider u.a.), die Samstags-FAZ (Helene Bubrowski) und die Montags-Welt (Stefan Aust/Dirk Laabs) berichten.
Heribert Prantl (Samstags-SZ) meint, dass der Fund einen Anfangsverdacht begründet, der die Pflicht für Staatsanwaltschaft und Polizei zu ermitteln auslöst. Dabei brauche es Besonnenheit und Sorgfalt.
Tom Sundermann (zeit.de) erläutert, welche Konsequenzen die neuen Informationen für den NSU-Prozess haben können. Auch spiegel.de (Christoph Seidler) nimmt den Fall zum Anlass, die Aussagekraft von Genanalysen zu beleuchten.
Steffen Ufer: Der Focus (Göran Schattauer) porträtiert den Münchner Strafverteidiger Steffen Ufer. Der Anwalt hat viele spektakuläre Verfahren, darunter der Prozess gegen den Entführer von Richard Oetker, geführt und Personen wie Ulrich Hoeneß und Konstantin Wecker verteidigt. focus.de hat einen Auszug aus Steffen Ufers neuem Buch "Nicht schuldig – Gerechtigkeit ist keine Verhandlungssache" veröffentlicht.
Recht in der Welt
ICSID – Vattenfall: Die WamS (Daniel Wetzel) und die Montags-taz (Svenja Bergt) berichten jetzt auch von der Verhandlung der Klage von Vattenfall gegen die Bundesrepublik vor dem internationalen Schiedsgericht ICSID in Washington. Vattenfall verlangt von der Bundesrepublik Schadensersatz für den Atomausstieg. Die Verhandlung wird live im Internet übertragen.
Polen – Kritik von Venedig-Kommission: Die Venedig-Kommission des Europarats hat laut Samstags-FAZ (Konrad Schuller) ihre Kritik an der Politik der polnischen Regierung bekräftigt. Auch das im Juli beschlossene neue Gesetz über das Verfassungsgericht gefährde die Unabhängigkeit der Justiz. Die polnische Regierung hatte bereits vor Veröffentlichung der Stellungnahme die Glaubwürdigkeit und Unparteilichkeit der Experten in Zweifel gezogen. Florian Hassel (Samstags-SZ) glaubt, dass "Polens eigentlicher Herrscher" Jarosław Kaczyński darauf setzt, "dass die EU bellt, aber nicht beißt". Dann würde nicht nur der polnische Rechtsstaat weiter demontiert, sondern auch der Ruf der EU geschädigt.
Sonstiges
Strafe für "Die Partei": Die Bundestagsverwaltung verlangt von der Partei "Die Partei" zu viel gezahlte Zuschüsse und eine Strafzahlung. Die Satirepartei hatte – ähnlich wie die AfD – eine Lücke im Parteiengesetz genutzt und durch den "Verkauf" von Geld ihre Zuschüsse erhöht. Der Bundestag wirft ihr jetzt unrichtige Angaben im Rechenschaftsbericht vor. Unterstützung erhält die Partei vom Düsseldorfer Parteienrechtler Martin Morlok, schreibt der Spiegel (Dietmar Hipp).
Arbeitskampf bei TUIfly: Im Gespräch mit dem Focus (Marco Wisniewski) prangert die Ex-Flugbegleiterin und Arbeitsrechtlerin Martina Stickler-Posner den Umgang vieler Fluggesellschaften mit ihrem Personal an. Man dürfe sich nicht wundern, wenn die Ankündigung von Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen bei den Arbeitnehmern zu verbreiteter Übelkeit führe.
Kaiser's Tengelmann: Nachdem bei Gesprächen in der vergangenen Woche keine Einigung erzielt werden konnte, soll in dieser Woche die Zerschlagung von Kaiser's Tengelmann beginnen. Tengelmann-Gesellschafter Karl-Erivan Haub erklärte jedoch, bis zur letzten Minute offen für eine einvernehmliche Lösung zu sein. Ob eine solche zulässig wäre, untersuchen Rechtsprofessor Jürgen Kühling und Ökonom Achim Wambach in einem Gastbeitrag für die Montags-FAZ. Sie ziehen eine Parallele zu Absprachen zwischen Patentinhabern und Generikaherstellern, die von der Europäischen Kommission als wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen im Sinn von Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union gewertet wurden.
"Privatisierung des Rechts" im Internet: Die Informatikerin und Sprecherin des Chaos Computer Clubs Constanze Kurz kritisiert in einem Beitrag für die Montags-FAZ den Vorstoß von Unions-Fraktionschef Volker Kauder, Internetkonzerne stärker bei der Bekämpfung von Kriminalität im Internet in Anspruch nehmen zu wollen. Schon jetzt müssten Google und andere Konzerne tausende von Behördenanfragen bearbeiten. Dass dabei sorgfältig die Rechtslage geprüft werde, sei zweifelhaft.
Das Letzte zum Schluss
Tateinheit im Straßenverkehr: Viel mehr Delikte kann man im Straßenverkehr wohl nicht begehen: Wie spiegel.de berichtet, hat die sächsische Polizei einen Autofahrer aus dem Verkehr gezogen, der gegen mehrere Vorschriften der Straßenverkehrsordnung verstoßen hatte. Er hatte keine Fahrerlaubnis und Alkohol und Drogen konsumiert, das Auto war nicht zugelassen, die Kennzeichen falsch. Schließlich fuhr das rechte Vorderrad auf der Felge, was auf einen Unfall am Vorabend zurückzuführen war.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 15. bis 17. Oktober: "Terror" im Ersten / Vorerst keine Sammelklagen / Peggy und der NSU . In: Legal Tribune Online, 17.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20875/ (abgerufen am: 04.07.2024 )
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